Antifa-Ausschüsse und ihre Zerschlagung in der SBZ/DDR

von Dietmar Wolf
(Aus telegraph 3/4 1998)

Unmittelbar vor bzw. nach dem Einmarsch der alliierten Truppen in Deutschland und der Zerschlagung des Dritten Reiches entfalteten antifaschistische Kräfte in Deutschland eine sprunghaft gesteigerte Aktivität. In nahezu allen Städten der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), vor allem in den industriellen Ballungsgebieten im Südteil der Zone und im Berliner Raum, entstanden Antifaschistische Ausschüsse mit einer zum Teil beträchtlichen Mitgliederzahl. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß der Faschismus die Strukturen der ihm feindlich gegenüber stehenden Organisationen, also vor allem KPD, der SPD und der Gewerkschaften, weitgehend zerschlagen hatte, wird verständlich, daß diese Bewegung weitgehend spontanen Charakter hatte. Entsprechend vielfältig waren ihre Ausdrucksformen.

Die Zusammenschlüsse in den einzelnen Städten, die sich als Antifaschistische Ausschüsse, als Volkskomitees, als Gruppen des Nationalkomitees „Freies Deutschland“ (NKFD) oder unter anderen Bezeichnungen konstituierten, hatten ein durchaus unterschiedliches Verständnis ihres Charakters und ihrer Aufgaben nach der Befreiung. Sie Verstanden sich zum überwiegenden Teil als Volksfront-Komitees, teilweise aber auch als Gewerkschaftsgruppen, als Keimform einer künftigen einheitlichen Arbeiterpartei oder auch als Räte.

Gemeinsam war ihnen vor allem die Tatsache, daß sie sich überwiegend aus Arbeitern zusammensetzten und ihre Wurzeln in der illegalen antifaschistischen Widerstandsarbeit hatten, die in den meisten Fällen von KPD und SPD-Mitgliedern gemeinsam initiiert worden war. Aber auch Parteilose des ehemaligen Allgemeinen Deutschen Gewerkschafts Bundes (ADGB) und Anarchisten waren in den Ausschüssen zu finden.

Die meisten Antifa-Ausschüsse (oder ähnliche Organisationen) begannen selbständig – also ohne Weisungen der Sowjetischen Militäradministration (SMAD), deren Organe in den betreffenden Orten oft noch gar nicht eingerichtet waren – mit der Säuberung der Verwaltungen und Betriebe von Nazis. Sie übernahmen die für das Überleben notwendigen öffentlichen Funktionen, setzten die Strom- und Wasserversorgung wieder in Gang, organisierten die Lebensmittelversorgung und Aufräumarbeiten usw.

Der Umfang dieser Bewegung ist nicht genau bekannt. In Sachsen wurden mindestens 68, für Thüringen 80 Komitees ermittelt. In Meißen fand die „Gruppe Ackermann“ einen kompletten „Rat der Volkskommissare“ vor. In Sachsen arbeiteten mehrere aktive anarchistische Gruppen im Industriegebiet Zwickau.

Die KPD-Führung betrachtete die spontan entstandenen, von ihr nicht kontrollierten, Antifa-Ausschüsse und -Komitees mit erheblichen Mißtrauen und drängte auf ihre Eliminierung. Bereits im April 1945 waren die Politischen Hauptverwaltungen der Roten Armee und der KPD in erster Linie darauf bedacht gewesen, daß sich in Deutschland neue politische und gesellschaftliche Strukturen nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs auf gar keinen Fall spontan entwickelten. Noch während der letzten Kampfhandlungen um Berlin übten einzelne Beauftragte des ZK der KPD und die Frontbeauftragten des Nationalkomitees Freies Deutschland Kontrollfunktionen aus. Gleichzeitig wurden in Moskau Kader auf die Arbeit in Deutschland vorbereitet. Eine Gruppe deutscher Kommunisten unter der Führung von Walter Ulbricht wurde gebildet. Eine ihrer vordringlichen Aufgaben bestand darin, allen spontan entstandenen antifaschistischen Ausschüssen den Boden zu entziehen. Ein Teil dieser Kader übernahm Funktionen in der Stadt für längere Zeit, während andere beauftragt wurden, in den kleinen Städten und Gemeinden des betreffenden Kreises bei der Schaffung der Gemeindeverwaltungen zu helfen bzw. zu kontrollieren, ob die geschaffenen Gemeindeverwaltungen aus zuverlässigen Antifaschisten bestehen und wirklich im Sinne der Richtlinien arbeiten.

Doch die meisten Mitglieder von Antifa-Ausschüssen weigerten sich kategorisch, ihre Organisationen aufzugeben. Von einer Aufhebung ihrer schon in der Illegalität und Halblegalität enstandenen Gruppen konnte für sie keine Rede sein. Für die ablehnende Haltung, die das ZK der KPD gegenüber den Antifa-Ausschüssen insgesamt einnahm, waren wohl vor allem zwei Gründe ausschlaggebend:

-Zwischen dem ZK und den Ausschüssen bestanden zum Teil erhebliche Differenzen über den Charakter der in der SBZ zu vollziehenden sozialen Umwälzung.

– Das vom ZK entwickelte Konzept für den Aufbau neuer Staatsstrukturen stützte sich vor allem auf ein zu schaffendes Bündnis der neu- bzw. wiederentstandenen Parteien, was teilweise im Widerspruch zu den Ausschüssen als einer wesentlich spontanen, überparteilichen Bewegung stand.

Die im Aufruf des ZK niedergelegten Konzeptionen stießen auf erheblichen Widerstand gerade bei vielen Kommunisten in den Antifa-Ausschüssen. Das durch die faschistische Diktatur erzwungene Exil der meisten kommunistischen Parteiführer hatte eine einheitliche Programmatische Linie der gesamten Partei kaum möglich werden lassen und so hatten sich unter den Illegalen teilweise Vorstellungen herausgebildet, die mit denen des ZK nicht übereinstimmten und kollidierten. Diese Parteikader sahen sich unmittelbar nach der Befreiung mit dem Vorwurf des „Sektierertums“ konfrontiert. In einem Bericht von Anton Ackermann heißt es: „Meistens galt es ´linke Überspitzungen´ zu korrigieren. So in der Stadt Meißen, wo wir einen kompletten Rat der Volkskommissare vorfanden. Der Genosse Mücke, der dann längere Zeit als Bürgermeister tätig war (…) wollte zunächst nicht einsehen, was politisch notwendig war. Aber es half nichts. Auch in Meißen mußten die Genossen unsere Argumente anerkennen und sich auf die Linie der Partei begeben.“ /1/

Wie stark diese als „linke Überspitzungen“ bezeichneten Ansichten in großen Teilen der KPD vertreten waren, geht aus einem Brief von Walter Ulbricht hervor, den er im Mai 1945 an Wilhelm Pieck in Moskau schrieb: „Wir müssen uns Rechenschaft ablegen darüber, daß die Mehrheit unserer Genossen sektiererisch eingestellt ist, und daß möglichst bald die Zusammensetzung der Partei geändert werden muß durch die die Hereinnahme aktiver Antifaschisten, die sich in der Arbeit bewähren.“ /2/

Die KPD-Führung drängte verstärkt auf die Umsetzung ihrer Konzepte und somit auf eine rasche Auflösung der Antifa-Ausschüsse. In einem Brief an Georgi Dimitroff schreibt Ulbricht: Die spontan geschaffenen KPD-Büros, die Volksausschüsse, die Komitees der Bewegung ´Freies Deutschland´ und die Ausschüsse der Leute des 20.Juli, die vorher illegal arbeiteten, treten jetzt offen auf. Wir haben die Büros geschlossen und den Genossen klargemacht, daß jetzt alle Kräfte auf die Arbeit in den Stadtverwaltungen konzentriert werden müssen. Die Mitglieder der Ausschüsse müssen ebenfalls zur Arbeit in die Stadtverwaltungen übergeführt und die Ausschüsse selbst liquidiert werden.“ /3/

Diese Überführung bereitete aber offensichtlich Schwierigkeiten, da viele ihre Arbeit in den Ausschüssen nicht aufgeben wollten. Noch Ende Juni 1945 sah sich Ulbricht bei einer Instruktion der KPD-Führung Berlin/Brandenburg genötigt, die andauernde „Rummurkserei mit der Antifa“ zu kritisieren. Er erklärte: „Wir sind nicht für solche Organe. Wenn die Partei eine richtige Politik betreibt,
dann bleibt für antifaschistische Sekten kein Platz mehr.“ /4/

Der Aufbau erster neuer Verwaltungen und die Konsolidierung der KPD bedeutete dann auch das Ende der Antifa – Ausschüsse. Sie wurden 1948 endgültig zerschlagen.

Die Bildung der Verwaltungsorgane in der SBZ wurde dann im wesentlichen durch die jeweiligen Organisationsebenen der Blockparteien vollzogen. Die Bestätigung der Bürgermeister erfolgte durch den Militärkommandanten bzw. durch die Sowjetische Militäradministration.

Die verschieden antifaschistischen Organisationen, Komitees und Ausschüsse, als direkte Nachfolger der deutschen Widerstandsbewegung verkörperten das Potential, auf das sich eine echte antifaschistische Umwälzung hätte stützen können. Zudem hatte die Bewegung mit dem Einmarsch der alliierten Streitkräfte tatsächlich Massencharakter angenommen. Insofern war die Haltung der KPD-Führung gegenüber den Ausschüssen, die faktisch auf ein Abwürgen dieser Bewegung zielte, nicht geeignet, die selbständige Initiative der Menschen in der SBZ zu fördern und ihr antifaschistisches Potential zu entwickeln.

Quellen:

1 Staat und Recht, Nr. 5/65, S.674

2 W. Ulbricht, Zur Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 2, Berlin (DDR) 1966, S.205

3 W. Ulbricht, Zur Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 2, Berlin (DDR) 1966, S.417

4 W. Ulbricht, Zur Geschichte der Deutschen Arbeiterbewegung, Bd. 2, Berlin (DDR) 1966, S.233

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