NOWOSTI

(Aus telegraph 3/4 1998)

Bonzen wieder in Wandlitz

Wandlitz hat seine Anziehungskraft auf Funktionäre aller Couleur nicht eingebüßt. Ausgerechnet in der bekannten „Waldsiedlung“ will die 170 Mitglieder umfassende Sportgemeinschaft des Deutschen Bundestags ihr neues Refugium beziehen. Vom Frühjahr 1999 wartet hier die Tennisakademie von Günter Bosch, dem Ex-Trainer von Boris Becker mit einer Sechsfelderhalle, acht Sandplätzen sowie Schwimmbad und einer Mehrzweckhalle (für 19 Millionen Mark) auf Kunden.

5 Sorten Ossis

Auch als Forschungsfeld sorgt die DDR für immer neue Überraschungen. So bringt derzeit gerade im fernen Passau eine neue anthropologische Studie über das Ossi neues Licht an den akademischen Himmel. Sie kommt zu dem Ergebnis, daß die Ostdeutschen allgemein pessimistischer und unflexibler als die Westdeutschen seien – dafür aber auch gründlicher, bescheidener und verläßlicher. Doch auch hier muß differenziert werden _ denn nach Ergebnissen der Studie gibt es derzeit immerhin fünf verschiedene Ossi-Typen, die fein unterschieden werden müssen.

Die gößte Gruppe von Ossis sind „die perspektivlos Resignierten“. Immerhin 33 Prozent zählen sich zu dieser Gruppe, sehen sich als Verlierer der Einheit, wollen vom Staat versorgt werden. Erfreulicherweise gibt es zwischen Oder und Elbe aber auch „aktive Realisten“, die hoffnungmachende 25 Prozent der Gesamtpopulation ausmachen. Sie sind anpassungsfähig, einsatzbereit und lernfähig. Ihr Leben nehmen sie selbst in die Hand und nutzen die neuen „Freiräume“. Hauptvertreter sind Unternehmer, Politiker, höhere Angestellte und frühere Funktionäre, die einen neuen Start erfolgreich gemeistert haben. Aber auch die Anarchie feiert in Ostelbien fröhliche Urstände: Der dritte Ossi-Typ ist mit 20 Prozent die „Gruppe der unangepaßten Idealisten“, junge Leute um die 30, die von einer neuen linken Gesellschaft träumen und äußerst kritisch und politisch aktiv sind. Ganz anders die vierte Gruppe: Die „konsumorientierten Materialisten“ (16 Prozent) lieben das Shopping über alles, wollen etwas erleben, Spaß haben. Politik ist für sie ein Fremdwort, sie verdienen ausgezeichnet. Der letzte Ossi-Typ, den die Studie erwähnt: Ordnungsliebende Konventionalisten (6 Prozent)- alte Leute, denen traditionelle Werte wie Ordnung und Tugend besonders wertvoll sind.

Zwischen Anarchie, Erlebnisshopping und Blockwartsyndrom ist also im Osten alles dabei. Nur: Wer erklärt uns jetzt das Wessi?

Biermann unter Alzheimer

Nach den Puhdys (telegraph 2/98) muß sich jetzt auch Wolf Biermann sein Altenteil bei der herrschenden Klasse der BRD verdienen. Immerhin zweieinhalb Stunden lang gab der 61jährige Liedermacher neulich im Leipziger Gewandhaus gemeinsam mit dem Schriftsteller Jürgen_Auschwitz_in_den_Seelen – Fuchs ein Benefizkonzert für die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung. Schon im Januar war Biermann auf der CSU-Klausurtagung in Wildbad Kreuth aufgetreten.

Das eigene Eintreten gegen die Haftbedingungen von Gefangenen aus der RAF in den 70er Jahren scheint unserem Barden völlig aus dem Gedächtnis gefallen zu sein „Das ist das Schöne an der Demokratie, daß man mit Leuten streiten kann, die anderer Meinung sind und nicht im Hintergrund Gefängnisse haben.“ sagte Biermann auf Nachfragen der Presse über das Verhältnis zu seinen Auftraggebern.

Der Honeymoon ist vorbei

Auch in Berlin werden Beziehungen zwischen Ossis und Wessis immer mehr zu einer Rarität, während der Wunsch nach einem Partner aus dem gleichen Teil des Landes zunimmt.

Nach Informationen des Statistischen Landesamtes Berlin fanden 1997 ganze 405 Eheschließungen zwischen Partnern aus Berlin-Ost und Berlin-West statt. Das sind nur 2,6 Prozent aller Trauungen in Berlin. Die Scheu vor dem Partner von „drüben“ scheint zu wachsen. So stieg zwar die Quote der Ost- West-Trauungen von 1991 mit 2,6 auf 3,4 Prozent 1995, seitdem sank sie aber wieder, und zwar auf 3,2 (1996) und 2,6 (1997) Prozent. Zehnmal mehr Eheschließungen gibt es zwischen Deutschen und Ausländern in Ber
lin. Und die Zahlen steigen – im Gegensatz zur Ost-West-Quote – kontinuierlich an: von 14 auf 26 Prozent in nur sechs Jahren.

Zusammenwachsen out…

Die Mehrheit der Ostdeutschen ist überzeugt, daß es auch außerhalb des Bettes mit dem „Zusammenwachsen“ nichts mehr wird. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie. Der These, daß Ost und West im Grunde immer zwei getrennte Staaten bleiben werden, stimmten 37 Prozent der Bevölkerung in den neuen Bundesländern und 27 Prozent der Westdeutschen zu. Im Jahr zuvor waren im Osten nur 30 und im Westen 23 Prozent dieser Ansicht. Diese Meinung wird weitgehend von den Führungskräften in Wirtschaft, Politik und Verwaltung geteilt: 36 Prozent der „Topleute“ in den westdeutschen Chefetagen glauben, daß Ost- und Westdeutschland sich voneinander entfernen. Von ihren ostdeutschen Kollegen stimmten sogar 45 Prozent dieser These zu. Daran, daß Ost- und Westdeutsche sich näherkommen, mag von der Elite in Ost wie West nur eine Minderheit glauben: 49 Prozent in den alten und sogar nur 39 Prozent in den neuen Ländern.

…Demokratie auch

Fast zwei Drittel der Bundesbürger sind mit der Demokratie als Regierungssystem unzufrieden. Zu diesem Schluß kommt eine vorgelegte Studie des Wahl- und Parteienforschers Richard Stöss von der Freien Universtität Berlin. Besonders unzufrieden sind wieder einmal die Ossis. Hier fanden nur 21 Prozent der Befragten die Demokratie in Ordnung, während 29 Prozent ihre politische Praxis und 43 Prozent sie grundsätzlich negativ bewerteten. Damit übertrifft der Anteil der Systemverdrossenen im Osten denjenigen in der Altbundesrepublik (27 Prozent) um mehr als das Eineinhalbfache.

Dshihad in Suhl

Daß der „große Satan“ McDonalds gerade in Suhl seine weltweit erste entscheidende Niederlage hinnehmen muß, hätte wohl niemand erwartet. In der Heimat der Thüringer Klöße mußte neulich die erste Filiale des Konzerns aufgrund von Gästemangel schließen _ und das, ohne daß das tapfere Bergvölkchen die Erzeugnisse der berühmten Suhler Jagdwaffenproduktion zu Hilfe hätte nehmen müssen. Die Berliner „tageszeitung“ sieht´s mit Grausen. „Wenn McDonalds in Suhl kapitulieren muß, bleibt nur der Schluß, daß jede Filiale des Konzerns eine zivilisatorische Errungenschaft ist.“ heißt es in einem Kommentar.

Ost- und Westdeutsche geben sich gegenseitig Schuld an Krise

Ost- und Westdeutsche geben sich gegenseitig die Schuld an der Krise des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Während 78 Prozent der Westdeutschen den ihrer Meinung nach zu teuren Aufbau Ost als Ursache für die Standortkrise sehen, liegt das Hauptproblem für die Ostdeutschen in teuren Beamten (89 Prozent) sowie der Macht der Banken und des Großkapitals (79 Prozent). Immerhin einig ist man sich, die Zuwanderung von Ausländern zu begrenzen (48 Prozent/54 Prozent). Bei der Bewertung von Institutionen steht der Bundespräsident in ganz Deutschland mit 69 Prozent an der Spitze. Danach folgen Greenpeace, karitative Einrichtungen und
Wohlfahrtsverbände, die jeweilige Tageszeitung der Befragten sowie der ADAC. Insgesamt kommen die Medien in Ostdeutschland besser weg als in den alten Bundesländern.

Zu wenig Gotteskrieger

Der Anteil der Soldaten in Ostdeutschland, die der evangelischen oder katholischen Kirche angehören, ist sehr gering. Nach Angaben von Superintendent Werner Krätschell auf der Landessynode der Evangelischen Kirche gehören nur 18,5 Prozent der Soldaten der evangelischen, 6,5 Prozent der katholischen Kirche an. 40 Pfarrer sowie acht Pfarrhelfer sollen den bedauerlich unchristlichen Zustand der Armee nunmehr auf Vordermann bringen.

Zwangsverschickung I

Wenn West-Studenten Tränen vergießen, dann haben sie vermutlich gerade einen Studienplatz in Ostdeutschland zugeteilt bekommen „Nur jeder zwanzigste Studienanfänger geht in den jeweils anderen Teil Deutschlands“, teilte das Hochschulinformationssystem in Hannover mit. Im vergangenen Wintersemester wagten sich Berlin ausgenommen nur 5000 Westdeutsche an ostdeutsche Hochschulen, und viele von ihnen nicht einmal freiwillig, sondern weil sie von der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) einen Platz im Osten zugewiesen bekommen hatten. Die ZVS hat deshalb besonders unter Medizinstudenten ihren Spitznamen weg: Zentrale Verschickungsstelle.

Zwangsverschickung II

„Die jammern und klagen“, sagte Holger Thuß vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) über die in den Osten verschickten West-Studenten, „als müßten sie eine Haftstrafe antreten“. Immer wieder meldeten sich Anrufer in der Studienplatz-Tauschbörse des RCDS, die ihren Platz im Osten gegen „irgendeinen Platz im Westen“ tauschen wollten. Solche Vorurteile wollte der unionsnahe Studentenverband nicht länger hinnehmen und startete eine Werbekampagne an westdeutschen Schulen. „Im Osten viel Neues“, verkündete eine Broschüre, die im Frühjahr an 3000 Gymnasien verschickt wurde. Die Vorzüge eines Studiums in Ostdeutschland wurden anschaulich beschrieben, und auch an ein Gewinnspiel war gedacht. Eine Postkarte genügte, um eine Fahrt an eine ostdeutsche Hochschule nach Wahl zu gewinnen, inklusive Übernachtung im Studentenwohnheim und Mitropa-Verpflegung. Zehn Fahrten wollte der RCDS verlosen, doch das war zuviel: Weniger als zehn Schüler machten überhaupt mit.

US-Präsident Clinton zum Republikgeburtstag:

Der von seiner Sex-Beziehung mit der Praktikantin Monica L. schwer gezeichnete US-Präsident Bill Clinton hat am Vortag des 49. Republikgeburtstages dazu aufgerufen, die aktuellen Finanzkrisen als Chance für die Schaffung einer „Weltwirtschaft mit menschlichem Antlitz“ zu nutzen. Wir meinen: Oh là là, Billy-Boy! (Quelle: Berliner Zeitung 07.10.1998)

Onkel Tom des Quartals

Ausgerechnet an die CIA wendeten sich neulich „Bürgerrechtler“, um die deutsche Demokratie zu retten. In einem offenen Brief an den amerikanischen Präsidenten Bill Clinton bitten u.a. Christian Führer, Freya Klier, Erhart Neubert, Gerd Poppe und Wolfgang Templin darum, die in den USA noch lagernden und unter strengem Verschluß gehaltenen Akten des Auslandsnachrichtendienstes HVA herauszugeben.

„Ohne amerikanische Unterstützung“, heißt es in dem wirren Schreiben, sei „dem Fortwirken von Geheimdienstgruppierungen aus DDR-Zeiten“ nicht mehr beizukommen. Da ein amerikanischer Präsident die „Destabilisierung der deutschen Demokratie“ nicht hinnehmen könne, wird um Eingreifen gebeten. Verdächtig „nachvollziehbar“ finden die Bürgerrechtler, daß „eine Großmacht den Überblick über geheimdienstliche Aktivitäten innerhalb eines befreundeten Landes behalten will.“ Ob dabei an die Erfahrungen mit der CIA in Chile und Nicaragua gedacht wurde, bleibt unerwähnt.

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