Oppositionelle Bewegung in der CSSR

aus telegraph 4/1989 (#04)

In Prag hat die Polizei am 14. Oktober eine oppositionelle Kundgebung verhindert. Mit der Demon­stration sollte gegen die anhaltende Inhaftierung mehrerer Bürgerrechtler protestiert werden, die Anfang Januar anläßlich einer Gedenkkundgebung zum 10. Todesjahr von Jan Pallach festgenommen wurden. Wie das Parteiorgan „Rude Pravo“ von der Sitzung des Zentralkommitees berichtete, will die tschechoslowakische Regierung auch zum bevorstehenden Unabhängigkeitstag am 28. Oktober keine unabhängigen Demonstration zulassen. Verschiedene illegale Gruppen wollten selbst den kommenden Unabhängigkeitstag zu einer Konfrontation mit der Staatsmacht mißbrauchen, hieß es in dem Bericht.

Der Tschoslowake Stanislaw Devati, einer der Autoren einer Petition, in der demokratische Rechte gefordert wurden und bereits im August wegen „aufrührerischer Tätigkeit“ verurteilt, weigerte sich in der vergangenen Woche an einer erneuten Verhandlung gegen ihn in Brno teilzunehmen. Während der Anhörung wurde dem Richter ein Brief von Devati überreicht, in dem dieser seinen Zweifel an einer fairen Gerichtsverhandlung zum Ausdruck brachte. Daraufhin wurde die Anhörung auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben.

Der diesjährige Friedenspreisträger des BRD-Buchhandels, Vaclaw Havel, spendete sein Preisgeld in Höhe von 25.000 D-Mark für einen Verein zur Unterstützung eines freien Verlagswesens in Osteuropa. Havel hat inzwischen bei den tschoslowakischen Behörden den Antrag gestellt, die Gründung eines Genossenschaftsverlags mit dem Namen „Atlantis“ in Brno zu genehmigen. An dem Projekt beteiligen sich fast alle unabhängigen Autoren, die in der CSSR mit einem Publikationsverbot belegt sind.

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