aus telegraph 6/1989, vom 27. Oktober 1989
Am Montag fand in den Räumen des Berliner Konsistoriums der Ev. Kirche eine Pressekonferenz zum Polizeiterror während der Demonstrationen um den 7. Oktober statt. Erlebnisberichte von während dieser Tage Festgenommener waren gesammelt und gedruckt worden. Stadtjugendpfarrer Hülsemann begründete die Notwendigkeit dieser Erlebnisberichte: „daß der gravierende Mißbrauch staatlicher Macht und die schrecklichen Erlebnisse der Betroffenen nur angemessen bearbeitet werden können, wenn sie rückhaltlos offengelegt werden.“ Offen sei, hieß es, ob es bei dem Vorgehen der Sicherheitsorgane Tote gegeben hätte, eine alte Frau und einen jungen Mann, die schwere Verletzungen erlitten hätten und deren Verbleib bisher ungeklärt sei. Der Vertreter der Initiative Frieden und Menschenrechte betonte: „Das waren keine Übergriffe von Einzelnen, das hatte Methode, das war angeordnet von oben!“ Reinhardt Schult, einer der Sprecher des Neuen Forum, forderte über die Wiedergutmachung hinaus politische Konsequenzen, schon am nächsten Tag in der Volkskammersitzung, nämlich einen Untersuchungsausschuß zur Überprüfung der Ergebnisse der Kommunalwahlen und einen Untersuchungsausschuß und eine Untersuchungskommission zur Untersuchung der Übergriffe bei den Demonstrationen um den 7. Oktober. Der anwesende Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft, Klaus Voß führte aus, daß die bereits früher gegebene Zusicherung, daß alle Sachverhalte, Anzeigen und Eingaben unvereineingenommen geprüft würden. Das vorgelegte Material werde in die Untersuchungen miteinbezogen. In einer späteren Stellungnahme in der Aktuellen Kamera bestätigte Voß seine Ausführungen.
Zu der Pressekonferenz von Reformgruppen, des Kontakttelefons und des Stadtjugendpfarramtes wurde der „telegraph“ nicht eingeladen. Wir protestieren gegen diese Art von Bevorzugung der offiziell existierenden Medien.
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