aus telegraph 1/1989 (#01)
„Wir wollen damit ein Hoffnungszeichen setzen in der Unruhe und Spannung dieser Tage und Wochen. Es soll ein Zeichen sein des beginnenden Endes einer entmündigenden Herrschaft und des notwendigen Anfangs einer wirklich demokratischen deutschen Republik.“
So heißt es in einer Erklärung jener Initiativgruppe zur Gründung einer Sozialdemokratischen Partei, die sich an 26. August 1989 mit ihrem Anliegen in einem Aufruf an die Öffentlichkeit gewandt hatte, zur Gründung der SDP am 7. Oktober. Besagte Erklärung wurde von den ca. 80 µnwesenden der Gründungsversammlung auch als vorläufige programmatische Grundlage der Parteiarbeit bis zum 1. Parteitag, der dann über ein ordentliches Programm abstimmen soll, angenommen. Hiernach versteht sich die SDP in der Traditionslinie der deutschen Sozialdemokratie in Punkten wie z. B. dem „Eintreten für die Benachteiligten im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozeß“ oder der Bindung der „Verfolgung ihrer Ziele an demokratische Wege und Methoden“.
Sie will sich in landesweiten und regionalen Strukturen aufbauen, die „den einzelnen Mitgliedern eine verbindliche Mitarbeit ermöglicht und durch sie in fester Verbindung zur Gesamtpartei stehen“. Zu programmatischen Konzeptionen wurden in den verschiedensten politisch wichtigen Bereichen Arbeitsgruppen gebildet. Formuliert sind in der Erklärung Grundsätze der demokratischen Ordnung in Staat und Gesellschaft, öffentlicher Kontrolle der Macht und eines demokratischen Rechtsstaats. Die Notwendigkeit einer neuen Verfassung wird hervorgehoben.
Die Frage, an der sich viele Gruppierungen scheiden – die wirtschaftlichen Perspektiven – wird in dem SDP-Papier im Wesentlichen in zwei Abschnitten behandelt. In dem Abschnitt „Markt und Staat“ wird festgestellt, daß Marktmechanismen zur Steuerung der Wirtschaft nicht durch staatliche Planung ersetzt werden können, aber für den Staat sich regulierende Aufgaben in Bezug auf die soziale Sicherung, die Einbeziehung ökologischer Kosten in das Marktgeschehen und den Erhalt des Wettbewerbs durch Verhinderung von Monopolen und wirtschaftlicher Machtkonzentration ergeben. Die Verantwortung des Staates für die Infrastruktur und für notwendige Gemeinschaftsgüter wird festgestellt und ebenso, daß das Finanz- und Kreditwesen in staatlichen Händen bleiben müssen. Eine entsprechende Rahmengesetzgebung soll ein willkürliches, rein profitorientiertes Wachstum verhindern.
Es werden im nächsten Abschnitt vielfältige Eigentumsformen in einer gemischten Wirtschaftsstruktur favorisiert. Unternehmensvielfalt soll gegen Machtkonzentration wirken; Mitbestimmung, Kapitalbeteiligung und Selbstverwaltung sind Wege zur Demokratisierung der Wirtschaft, für die die Verfasser eintreten. Durch ein klares Mitbestimmungsrecht soll die breite Beteiligung „aller, die die Werte im Produktionsprozeß erarbeiten“ bei Entscheidungen auf allen Ebenen garantiert werden. Freie, starke Gewerkschaften mit Streikrecht kommen als eigentlich selbstverständliche Forderungen am Schluß dieses Abschnitts.
Auf weitere Punkte kann hier im Einzelnen nicht eingegangen werden.
Die Gründungsversammlung bestimmte verschiedene Arbeitsgruppen und wählte die vorläufige Grundwertekommission sowie den Vorstand. Man möchte von Anfang an so gut wie „unter den Bedingungen des Sozialistengesetzes“ (so ein Teilnehmer) möglich, in der Gestaltung der eigenen Strukturen an Verbindlichkeit und demokratischer Arbeitsweise festhalten.
Im Gegensatz zu den politischen Geplänkeln des „Neuen Forum“ plant die SDP nicht, sich als Vereinigung anzumelden, sondern beschränkt sich darauf, dem Ministerium des Inneren die Gründung formell mitzuteilen.
Gleich am Gründungstag verabschiedete die SDP auch einen Aufnahmeantrag in die Sozialistische Internationale und ein kurzes noch zu ergänzendes Statut.
(Alle Zitate aus: „Programmatischer Vortrag zur Gründung der Sozialdemokratischen Partei in der DDR“)
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