Deutsch-deutsch: Gemeinsam dem Müll entgegen!

Aus telegraph 01/1990, vom 8. Januar

Mitte Dezember des Jahres 1989, fand ein Treffen des ersten Geschäftsführers der Westberliner Stadtreinigung mit dem Direktor des Kombinats Stadtwirtschaft Berlin, auf Initiative des BSR-Geschäftsführers statt. Zitat:“Ich wäre schon viel früher gekommen, aber damals kam ich an der Staatskanzlei nicht vorbei.“(Ja, ja,andere Zeiten, andere Möglichkeiten.)Das Treffen fand im Hauptsitz des Ostberliner Kombinates statt.Der Grund für das Treffen war, die immer schwieriger werdende Deponierung von Hausmüll. So kam man zu folgen­der Einschät­zung:
– Beide Teile Berlins haben für die Zukunft ernsten Mangel an Deponiegelände für Hausmüll
– Einziger hinreichend wirksamer Ausweg: Müllreduzierung durch Verbrennung
Na wunderbar, wird nun der unbedarfte Bürger sagen, dann ist ja alles ganz einfach. Schließlich haben wir ja die Müllverbrennung des Heizkraftwerkes Lichtenberg.

Doch so einfach ist das dann aber doch nicht.

Die MVA des HKW Lichtenberg ist hofnungslos veraltet und verschlis­sen. Eine umfassende Rekonstruktion, welche unumgänglich ist, ver­schlingt ca. zwanzig Millionen Mark.

Jedoch reicht die Kapazität, auch nach einer Rekonstruktion, bei weitem nicht aus. Also was tun.

Es muß eine neue Müllverbrennung her.

Und wohin? Natürlich in den Osten. Denn da über Berlin vorwiegend Westwind bläst, ist die Errichtung am Ostrand Berlins, also an der Westgrenze von Frankfurt/Oder, sinnvoller. Es fragt sich nur für wen, denn mit dem eingeplanten Westwind, nimmt man also in Kauf, daß die Müllverbrennung eine Dreckschleuder wird und reichlich Gift in die Luft jagt. über Bau und Finanzierung wurde man sich schnell einig.

Den Bau übernimmt Westberlin, die Finanzierung erfolgt, wie schon bei der Sondermüllverbrennung Schöneiche, durch die DDR per Müllab­nahme. Doch auch das ist alles nicht so einfach.

Denn das große Problem wird die Verweigerung der örtlichen Organe in Frankfurt/Oder, also wie immer: der Standort!

Dies ist nur ein Fall von vielen. Müllbeseitigung sowie Stadtreini­gung geht in Berlin immer zu Lasten der Umwelt.

Da werden seit Jahren, täglich tonnenweise, Öle und Fette mit Spezial­fahrzeugen der Stadtwirtschaft auf die Hausmülldeponie Schwane­beck geschafft und dort in völlig unzureichende Becken, nach unten kaum gesichert, eingelagert.

So werden im Winter durch die Stadtwirtschaft täglich tausende Liter Salzlauge und tausende Tonnen reines Salz auf die Straßen von Berlin gekippt welche dann völlig unkontrolliert in die Gullis sowie ins Erdreich fließen kann.

Und dann stellt sich der Kombinatsdirektor der Ostberliner Stadtwirt­schaft voller Arroganz hin und äußert,Zitat:“Alle wollen Strom aus der Wand und Müllentsorgung, aber keiner will die Folgen tragen!“

Sehr richtig. Die Folgen für derartige Schweinereien müssen sie schon alleine ausbaden.

Es gibt nur eine Alternative:
Stop des Müllimports aus Westberlin, Berlin zum Müllnotstandsgebiet erklären, Reduzierung der Verpackungsindustrie auf ein absolutes Minimum, verschärfte Umweltkontrollen, höchste Bestrafungen für Umweltsünder, Aufstellung einer Sonderkommission unter Beteiligung aller Umweltgruppen, sowie ihre Ausstattung mit allen notwen­digen Befugnissen.

Dann werter „Herr“ Ewert, daß ist nämlich der Name des Kombinatsdi­rektors, können wir mal über Folgen und Verantwortung reden.

d.w.

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