Meinungsfreiheit-voll durchgesetzt?

Aus telegraph 01/1990, vom 8. Januar

Hamburg, 31.12.89, 23.00 Uhr, Rote Flora, ein besetztes Haus in der Hamburger Innenstadt. Ca. vierhundert Personen treffen sich zu einer alljährlichen Demo, um aus Solidarität mit den politischen Gefangenen in der BRD, für die Verbesserung ihrer Haftbedingungen, sowie für ihre Zusammenlegung zu demonstrieren.Der Demozug setzt sich in Bewegung, wird aber schon am Ende der Schanzenstraße, also nach ca. fünfhundert Metern aufgehal­ten. Durch einen Lautsprecherwagen der Polizei, wird mitgeteilt, daß diese Demo nicht zulässig wäre. Jedoch wolle man diese ziehen lassen und gab eine Demoroute vor. Auf dieser Route, so die demo-internen Infos, warteten an mehreren Punkten, jeweils zweihundert bis dreihun­dert Polizisten und vor dem Knast vier Wasserwerfer. Insgesammt ca. ein­tausendfünfhundert Polizisten und Bundesgrenzschutzleute. In ganz Hamburg wurden insgesamt 12500 Polizisten zusammengezogen.Die Demo setzte sich erneut in Bewegung, wurde aber sofort auf beide Seiten von in Dreierreihen laufenden Polizisten flankiert.Sie waren ausgerü­stet mit Helmen, mit Kinn-und Nackenschützern, Gesichtsvisieren, Schildern, armlangen Schlagstöcken und Spezialkleidung.Nach weiteren dreihundert Metern wurde der Demozug restlos eingekesselt und erneut zum Stehen gebracht.Dann wurde über den Lautsprecherwagen ultimatv gefordert, die Vermummung abzulegen. Laut Polizei wäre das passive Bewaffnung, tatsächlich ist es jedoch Selbstschutz vor erkennungsdienstlichen Maßnahmen. Auf der linken Seite schlagen Polizisten ohne Grund in die Menge. Verhandlun­gen bringen sie zum Einhalten, jedoch keine Ent­schärfung der Situa­tion. Man entschließt sich umzukehren. Auf dem Weg zurück zur Roten Flora wird die Polizistengasse immer enger gemacht. Ein laufen ist kaum möglich immer wieder stolpern Leute.

Die Polizisten schlagen im Takt mit ihren Schlagstöcken auf ihre Schi­lder. Teilweise erkennt man unter ihren Visieren eine Art indiani­sche Kriegsbemalung bzw. geschwärzte Gesichter. Immer wieder wird grundlos in die Menge geknüppelt. Einem Demonstranten werden zwei Finger gebrochen. Dann vor der Roten Flora bleibt die linke Bullenkette zurück und die rechte geht in breiter Front vor. Tränen­gas kommt zum Einsatz. In den nächsten Minuten spielen sich grausige Szenen ab. Unter Schlägen versuchen die Demonstranten in den schmalen Eingang der Roten Flora zu gelangen. Eine Frau wird von drei Polizi­sten zu Boden geprügelt. als sie am Boden liegt, treten sie Ihr mit Stiefeln mehrmals ins Gesicht. Andere Demonstranten können sie nur mit Mühe wegziehen. Man sieht angstverzerrte Gesichter. Im Inneren der Roten Flora. Mehrere Leute haben Kopfverletzungen. Wenn im Nachhinein erklärt wird, die Polizei wäre angeblich gegen „Steinewer­fende Chaoten“ vorgegangen so ist das eine riesen Lüge. Es ist während der Demo nicht ein Stein geflogen, keine Scheibe zerstört worden.

d.w.

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