„Sieben Jahre nach dem Fall des Kommunismus hat die Tschechische Republik ihren Übergang zu Demokratie und Marktwirtschaft so gut wie abgeschlossen. Der Kapitalismus und und die Logik der `Gewinnmaximierung`, die dem ultraliberalen Premierminister Vaslav Klaus so teuer sind, scheinen zu triumphieren. Überall? Nicht ganz, denn eine kleine Stadt in Südböhmen leistet dem Appetit kanadischer Goldsucher erbitterten Widerstand, die im Begriff sind, wegen einiger Tonnen Edelmetalle Erde und Himmel umzustürzen:“
So begann der Beitrag in Le Monde vom 18.12.1996, der uns inspirierte, während eines kurzen Urlaubs in Südböhmen dem Städtchen Kasperske Hory einen Besuch abzustatten.
Bürgermeister Frantisek Stibal, promovierter Geologe, ist sofort gesprächsbereit, und was er zu erzählen hat, ist erschreckend: Der kanadische Bergbaumulti TVX will über eine tschechische Tochterfirma in Kasperske Hory Gold gewinnen. Das würde für dieses Städtchen am Rande des Nationalparks Sumava, zusammen mit dem Bayrischen Wald das größte zusammenhängende Waldgebiet Mitteleuropas, von weithin unberührter Schönheit und dabei, sich dem sanften Tourismus zu öffnen, folgendes bedeuten: Täglich werden 2 1/2 – 3000 t Gestein abgebaut, zerkleinert, zu Staub zermahlen, mit Wasser vermischt und mit Zyanid, einem tödlichen Gift, versetzt; über ein zwar aufwendiges, aber für Unternehmen doch profitables Verfahren würden am Tag 2kg Gold ( Platte 10x10x1 cm) gewonnen werden. Der anfallende Schlamm soll hinter zwei noch zu errichtenden Staumauern (50m hoch) in bisher noch idyllischen Tälern deponiert werden – für unabsehbare Zeiten.
Wieviel Blausäure durch die Verbindung von Saurem Regen mit den Zyanidresten im Schlamm freigesetzt wird…? Ob die Dämme halten (-anders als in Guyana, wo kürzlich eine ökologische Katastrophe die Folge war-)? Immerhin gehören die Fließgewässer um Kasperske Hory zum Flusssystem der Elbe … „Wir geben unser Gebiet wie unseren Körper“, sagt Bürgermeister Stibal.
Schließlich würde aber nicht einmal die Tschechische Republik von dem Goldabbau wirtschaftlich profitieren. Die Erinnerung an den sowjetischen Uranabbau drängt sich ebenso auf wie die Nachrichten vom Raubbau der Bergbaukonzerne in Ländern der „3. Welt“. In 10 Jahren wäre alles vorbei, d. h. mit dem Goldabbau. Die Landschaft aber wäre unwiederbringlich ruiniert. Dann könnten die Bewohner des Städtchens von dem ihnen zugedachten 0,25 % Gewinn versuchen, ein Horrortourismus – Projekt zu starten. Kasperske Hory ist nicht der einzige Ort, der zum Opfer eines neuen Goldrauschs in der Region werden soll. An wenigsten 17 weiteren Stellen wird probegebohrt.
Perverser weise gedenkt auch in der Tschechischen Republik eine westliche Firma von den Gesetzen des „Realsozialismus“ zu profitieren, die den betroffenen Kommunen keine Mitsprache beim Abbau von Bodenschätzen einräumt. Ein kanadischer Manager soll sich verwundert darüber geäußert haben, dass die ansässige Bevölkerung nach 40 Jahren Diktatur nicht auch diese Zumutung widerspruchslos hinnehme. Denn Widerstand hat sich organisiert. Die Bürgerinitiative „Sumava nad Zlato“ („Böhmerwald über Gold“ im Sinne von: … ist wichtiger als Gold“) hat sich gebildet und hat inzwischen auch über die Grenzen der Tschechischen Republik hinaus gute Arbeit geleistet. Erfolge sind sichtbar, bis hinein in die Regierung. Doch noch besteht kein Grund für Siegesfeiern. Weitere Unterstützung ist nötig.
Für alle, die mithelfen wollen, hier die Anschrift des Bürgermeisters:
RN Dr. Frantisek Stibal
Namesti 1
34192 Kasperske Hory
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