Mediales

Und? Das Fest der Triebe gut überstanden? Und hoffentlich noch ein paar Mark übriggelassen, um sich das eine oder andere gute Buch noch zu besorgen. Eigentlich tauchen hier ja nur Bücher auf, die ich unbedingt empfehle, aber diesmal kommen zum Anfang mal zwei Bücher, die ihr Geld nicht wert sind: Hans Diefenbacher (Hrsg.); Anarchismus – Zur Geschichte und Idee der herrschaftsfreien Gesellschaft (Primus-Verlag, Darmstadt / 228 S. / 49,80 DM !). Abgesehen von dem Preis, der Wucher ist, haben sich hier AkademikerInnen der Evangelischen Studiengemeinschaft e.V. Heidelberg mal eben ins Thema eingelesen und abgelassen. Die Frage, warum sich Theologen, Ökonomen, Physiker, Rechts- und Sozialwissenschaftler den des Themas annehmen, sollte uns stutzig machen. Und das andere Buch ist: Günter Bartsch; Wer die Freiheit nicht lebt, dem tötet sie – Porträts einiger Denker und Täter (Noûs Verlag, Tübingen / 144 S. / 32,–DM). Hier gilt auch der Preiswucher für dieses Schmalbrüstige Bändchen. Aber schlimmernoch ist, daß Bartsch neben den Anarchisten Proudhon, Bakunin, Kropotkin, Rocker und den umstrittenen Netschajew den Nationalrevolutionär August Winnig setzt ist schon ein dolles Ding. Das ganze Buch scheint eine Resteverwertung des Bartsch´schen Zettelkasten zu sein. Beim letzten Satz fällt mir noch ein ärgerliches Buch ein, nämlich das von Jutta Ditfuth; Entspannt in die Barbarei – Esoterik, (Öko-) Faschismus und Biozentrismus (Konkret Literatur Verlag, Hamburg / 224 S. / 28,–DM). Da schreiben sich die Redaktöre der ÖkolinX die Finger wund und die Chefin verbrät dann das ganze nochmal zu einem Buch, und tut auch noch so, als wäre sie überall dabei gewesen (vor allem bei der S. Gesell-Debatte) und mein Name ist nicht mal im Namensregister, pfui deibel. Dafür hat sie es nach Jahren endlich mal wieder geschafft von den esoterischen- und konservativen Verlagen in einem linken (?) zu publizieren.

Weg von den Ärgerlichkeiten, hin zu den interessanten Büchern: Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft und zum Jahresende erschien noch: Durruti 1896 – 1936 (für Deutschland: Nautilus Vlg., Hamburg / 190 S. / 39,80 DM). Zum 100. Geburtstag des spanischen Anarchisten liegt jetzt ein fünfsprachiges Fotoband vor. Dieser Durruti-Bildband ist gleichzeitig eine Dokumentation des Spanischen Bürgerkriegs. Ein schönes Buch, welches man/frau sich schenken lassen sollte.

Bei dem Preis muß hier allerdings auch geschluckt werden: Manfred Burazerovic; Max Nettlau – Der lange Weg zur Freiheit (Oppo Vlg., Berlin / 212 S. / 48,–DM !). Wobei hier vielleicht die kleine Auflage (schätzungsweise 300 Exemplare) eine Rolle spielt, aber ärgerlich ist er trotzdem. Diese Dissertation über den großen Historiker (1865-1944) des Anarchismus ist eine Auswertung des über 6000 seitigen Memoirenmanuskriptes von Nettlau und hochinteressant für Menschen, die tiefer in die historischen Katakomben steigen möchten.

Einen weiteren „Querkopf“ stellt Siegbert Wolf in seinem Buch Von der Verwundbarkeit des Humanismus – Über Jean Améry (dipa-Verlag, Frankfurt/M. 166 S. / 32,–DM) vor. Améry, Holocaust-Überlebender hatte als Publizist und Kulturkritiker keinen leichten Stand in der (West-) Deutschen Gesellschaft. Als bedingungsloser Humanist fühlte er sich der Aufklärung verpflichtet, derer wir wohl bis heute noch bedürfen.

Vom interresanten Buch mit einem ärgerlichen Thema: Verleger sind ja nicht nur grosartige Menschen, die uns (manchmal) mit hervorragenden Büchern versorgen, sondern -insbesondere in unserem System- eben manchmal auch Blutsauger. Einen derartigen (erneuten) Fall zeigt das Buch von Werner Gotzmann; Uwe Johnsons Testamente oder Wie der Suhrkamp Verlag Erbe wird (Edition Lit.europe, Berlin / 155 S. / 24,–DM). Erben können ja schon fürchterlich sein, wenn es um die Werke von SchriftstellerInnen geht (wie bei R. D. Brinkmann, Brecht oder W. Benjamin) aber inzwischen werden mitunter eben die Erben vorher ausgebootet und der Verlag bzw. VerlegerInnen mutieren zu leichenschänderischen Raffhälse. Das Buch ist eine schöne Dokumentation über die Machenschaften des angesehenen Suhrkamp Verlages bzw. seines Besitzers Dr. Siegfried Unseld, geeignet für alle JungautorInnen, die vielleicht mal etwas in einem „großen“ Verlag veröffentlichen möchten. Verleger als Mafiosi – wäre einen Krimi wert.

Für alle, die noch auf den „anarchistischen KALENDA“ von Ralf Landmesser warten: Der ist vielleicht schon draußen, wenn der Telegraph erscheint. Ralf mußte sich einer erneuten Herzoperation unterziehen, und konnte sich daher nicht ganz so dem Kalenda widmen, aber Ende Januar soll er ja dann erscheinen. Was solls, Ralf, das Zählen von Tagen ist doch eh nur eine Sache von Pedanten, da die meisten Menschen doch wissen, daß ein Jahr 365 Tage hat, aber auf die Beiträge sind wir doch alle gespannt.

Bakunin zu Gruße
knobi