NOWOSTI

aus telegraph 1/1999

Antifa 1

Sind nach Pristina und Belgrad demnächst auch NATO-Luftangriffe auf Schwedt und Guben zu erwarten? Das New Yorker TIME-Magazin wagt sich zumindest schon mal an das Thema heran: Es beschäftigte sich jüngst mit rechter Gewalt in Ostdeutschland und stufte dabei Brandenburg als europäischen Konfliktherd vergleichbar mit Bosnien oder der türkischen Kurdenregion ein. Time kam zu dem Ergebnis, daß die rechte Gewalt im Land Brandenburg so gefährlich ist, daß Frankfurt/O, Schwedt und Fürstenwalde künftig zum Einsatzgebiet für NATO-Friedenstruppen werden kön-nten.

Antifa 2

Zur Wachsamkeit gegenüber vermeintlichen ¸¸Antifaschisten“ mahnt dagegen der Verfassungsschutz: Unter diesem Deckmantel betrieben Linksextremisten zunehmend „handfeste staatsfeindliche Agitation“. Weil antifaschistisches Engagement allgemein begrüßt werde, nutzten Linksextremisten es als Vehikel, um bis in bürgerliche Kreise hinein Unterstützung zu gewinnen; Zielgruppe seien dabei vor allem politisch formbare junge Leute, die „einer guten Sache“ dienen wollten. Auf absehbare Zeit bleibe der Antifaschismus das entscheidende „Zugpferd“ von Linksextremisten, mit dem es zunehmend gelinge, wieder „linke“ Politikinhalte in die Gesellschaft zu tragen. Also Vorsicht!!

Menschenrechte

Erhebliche Kritik an der Umsetzung der Menschenrechte in der Bundesrepublik Deutschland hat das UNO-Komitee für ökonomische, soziale und kulturelle Rechte geübt. Insbesondere rügte das Komitee die Behandlung ehemaliger DDR-Bürger. Mit „tiefer Besorgnis“ werde so gesehen, daß nur zwölf Prozent der Angestellten im Wissenschafts- und Technologiebereich der früheren DDR, dazu gehören Lehrer, Wissenschaftler und andere qualifizierte Berufszweige, erneut Anstellung gefunden haben und der Rest weiterhin ohne Anstellung, angemessene Entschädigung oder zufriedenstellenden Rentenanspruch ist. Das Komitee befürchte, daß die Mehrheit der Betroffenen nicht aus beruflichen oder wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen aus ihren Anstellungen entlassen wurde. Das stelle eine Verletzung des Artikels 2 (2) der Konvention über die ökonomischen, sozialen und kulturellen Rechte vom 16. Dezember 1966 dar. Also Bomben auf Bonn?

Keine Ausbildung

Generell arbeitet in Ostdeutschland nicht einmal jeder zweite Jugendliche in seinem erlernten Beruf. Jeder Vierte wurde innerhalb von zwei Jahren mindestens einmal arbeitslos, im Durchschnitt acht Monate. Gut ausgebildete junge Frauen sind unter den Jugendlichen besonders von Arbeitslosigkeit betroffen. Das zeigt eine Umfrage des Bundesinstituts für Berufsbildung.

Weniger Geld

Auch fast ein Jahrzehnt nach ihrer Unterwerfung bekommen die Ostler nicht den gleichen Lohn wie die Westdeutschen. So verdienen westdeutsche Werktätige im produzierenden Gewerbe durchschnittlich 5283 Mark brutto im Monat, die Kollegen im Osten kommen nur auf 3852 Mark: Im Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe stiegen die Gehälter der Angestellten bundesweit um 2,6 Prozent auf 4821 Mark: Im Westen lagen sie bei 4915 Mark (plus 2,5 Prozent), im Osten bei 3713 Mark (plus 3,3 Prozent).

Schulden Rund

2,6 Millionen und damit sieben Prozent aller Privathaushalte stehen vor einem Schuldenberg, den sie aus ihrem Einkommen nicht mehr abtragen können. Die Überschuldung in Deutschland entwickle sich dramatisch, stellten Verbraucher- und Wohlfahrtsverbände bei der Vorstellung ihres „Schuldenreports 1999“ fest. Allein von 1994 bis 1997 sei die Zahl der überschuldeten Haushalte um über 30 Prozent gestiegen. Rund zwei Prozent der deutschen Haushalte mußten im selben Zeitraum einen Offenbarungseid leisten. Der Zuwachs in Ostdeutschland war mit rund 72 Prozent besonders deutlich.

Wohnungslos

Die Zahl der Menschen ohne eigene Wohnung hat 1998 in Ostdeutschland deutlich zugenommen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe schätzt, daß ihre Zahl um 15 Prozent auf 76000 gestiegen ist.

Platte o.k.

Glückwunsch an Grünau, Marzahn, Lütten-Klein und Lobeda: Nach einer Untersuchung der Dresdner Soziologin Helga Gantz ist die ganze Miesmache über unsere Neubau-Gebiete Blödsinn. 85 Prozent der Platten-Bewohner fühlen sich dort wohl, wo sie sind und wollen überhaupt nicht woanders hin ziehen. Die „Welt“ sieht darin jedoch den Untergang abendländischer Zivilisation. „Homo Platte ist ein neuer Mensch, und seine Heimat ist ein neuer Typ Stadt. Mit der alteuropäischen Polis hat sie nichts gemein. Es ist eine Stadt ohne Mitte, ohne Politik, ohne Kultur, ohne Kirche, ohne Eitelkeit, ohne Differenz, ohne Stadtneurotiker. Es ist der vegetarische Sonntagsbraten, die Jungfrauengeburt in vitro. Die stadtfreie Stadt.“ heißt es in einer Besprechung der Untersuchung.

Dshihad!

Nicht nur in Suhl (telegraph berichtete) feiert der heilige Krieg gegen den „großen Satan“ glorreiche Erfolge: In der ganzen DDR erlitt McDonalds schwere Verluste, rund ein Drittel aller Ostfilialen sind nicht mehr rentabel. Die Bilanzen für 1997 weisen etwa für Läden in Brandenburg oder Schwerin Verluste von bis zu 242000 Mark aus. Bei einigen Berliner Filialen fehlten am Jahresende jeweils über 300000 Mark in der Kasse. In Pößneck reichten die Einkünfte nicht mal mehr, um die Miete zu zahlen. Wie zuvor in Suhl mußte eine McDonalds-Filiale geschlossen werden.

Mit dem „McFarmer“ wirft der US-Konzern jetzt die letzten Reserven in den Kampf, um in einer beispiellosen „Ramschaktion“ (so ein Thüringer Filialleiter) zu retten, was noch zu retten ist.

Menschenkette für NATO

Fast so gut, wie die deutschen Grünen: Zeitgleich zur Aufnahme von Polen, Tschechien und Ungarn in die NATO, haben ukrainische „Bürgerrechtler“ in Kiew eine Menschenkette gebildet, die die Botschaften der drei Staaten miteinander verbinden sollte. Damit wollten sie verdeutlichen, wie sie sich über die Ost-Erweiterung der NATO freuen, und unterstreichen, daß auch die Ukraine mittel- und längerfristig den euro-atlantischen Strukturen beitreten möchte.

Zechpreller

Pech hatte ein Zechpreller in der niederländischen Stadt Bant: Der unliebsame Gast durfte das Lokal erst verlassen, nachdem er seine falschen Zähne auf den Tisch gelegt hatte. Wie unsere Amsterdamer Filiale „De Telegraaf“ berichtete, hatte der Wirt den Mann aufgefordert, eine alte Rechnung von 23 Gulden (20 Mark) zu begleichen. Als der Gast sich weigerte, nahm ihm der Wirt zunächst die Schuhe und den Mantel ab. Anschließend bat er telefonisch die Polizei um Hilfe, die es aber ablehnte zu kommen. Weil er den Gast schlecht ohne Kleidung wegschicken konnte, kam dem Inhaber dann die Idee, ihm sein Gebiß abzunehmen. Ohne Zähne werde der Zechpreller wohl nicht essen können, hoffte der Gastronom.

Demokratie-Feinde

Auf die „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus“ in Berlin wurde nach Aussagen der Betreiber ein Anschlag verübt. Unbekannte hätten in den über der Bibliothek liegenden Räumen Wasser auslaufen lassen, das durch die Decke tropfte und mehrere Bücher und Dokumente beschädigte. „Das waren Demokratie-Feinde.“, vermutet die Leiterin der Bibliothek, Ursula Popiolek. Vielleicht waren es sogar die PDS und die Stasi. Denn deren ehemaliger Chef hatte kurz zuvor vom PDS geleiteten Berliner Bezirksamt Hohenschönhausen zu seinem 90.Geburtstag ein Blumengebinde im Wert von acht Mark auf Kosten der Steuerzahler erhalten. Für Ursula Popiolek ein weiterer Beweis für die rote Diktatur in unserem Land: „1989 glaubten viele, der Kommunismus sei tot. Das war ein Irrtum.“, erklärte sie gegenüber der Presse. Popiolek kam zu „Ruhm“, als sie einer ehemaligen KZ-Aufseherin zu einer 64.000 DM-Haft-Entschädigung verhalf und dafür selbst kräftig abkassierte.

Flirt po russki

Eine sympathischere Art, sich bei Wessis anzubiedern, erfand eine 20 Jahre alte Frau aus dem fernen Chabarowsk im Osten Rußlands. Um reiche Männer kennenzulernen, wirft sie sich vor Nobelkarossen.

Schröder lernt Zivilcourage

Am ehesten begeistert man sich immer für das, was man nicht hat. Wohl aus diesem Grund soll ausgerechnet Bundeskanzler Gerhard Schröder am 9. Oktober – zehn Jahre nach den Leipziger Montagsdemonstrationen – in Leipzig eine neue Ausstellung über Zivilcourage zur Zeit der SED-Herrschaft eröffnen. Ob ihm das bei der Auseinandersetzung mit der Atom-Mafia hilft, darf bezweifelt werden.

Bayern zu doof

In München wurden jetzt auch die letzten Rechtsabbiegepfeile wieder abmontiert. Alois Kiendl, Chef der Verkehrsabteilung im Münchner Kreisverwaltungsreferat: „Das Ding war im Westen zu wenig bekannt.“ Auch in anderen bayerischen Städten ist dem Beutepfeil nur wenig Erfolg beschieden. Es werde wohl noch mindestens 10 Jahre dauern, bis Wessis den grünen Pfeil verstehen, erklärte resigniert der Leiter des Amtes für öffentliche Ordnung und Straßenverkehr der Stadt Regensburg gegenüber der taz.

Bayern auf Wacht

Der bayerische Staatskanzleichef Erwin Huber hat erneut die Finanzhilfen für Ostdeutschland an Bedingungen geknüpft. Es müsse bei Finanzforderungen aus den neuen Ländern „genau darauf geachtet werden“, ob das Geld nicht für sozialistische Experimente verschwendet werde, erklärte der CSU-Politiker gegenüber der Tageszeitung „Die Welt“. Er sei für eine Fortsetzung des Solidarpaktes, aber seine öffentliche Kritik sei „eine gelbe Karte für sozialistische Experimente“.

Best of…

Ingolf Lück in „Die Wochenshow“ (SAT.1): „Auf die Frage ,Sind Sie für die doppelte Staatsbürgerschaft?‘ antworteten 72 Prozent: ,Bloß nicht – Ossi soll Ossi bleiben!'“

Mecker-Sachsen

Wie in alten Zeiten. Die Sachsen beschweren sich weit öfter als ihre ostdeutschen Landesleute über Mängel am Urlaubsort. Gut ein Drittel (36 Prozent) aller Beschwerden von Ostdeutschen im Urlaub hätten Bürger des Freistaates vorgebracht, ergab eine Umfrage des Leipziger Instituts für empirische Forschung (LEIF) unter 1 200 Befragten. Während ihrer Ferien im vergangenen Jahr hätten sich insgesamt nur zwölf Prozent aller ostdeutschen Touristen über Probleme bei ihrer Unterkunft und anderer Mängel beschwert. Noch weit unter diesem Durchschnitt liegen die „Fischköppe“ mit etwa acht Prozent der Reklamierer.

Ossis ohne Tee

Laut einer Umfrage des Emnid-Instituts halten Ossis nix von Tee. In Sachsen und Thüringen bevorzugten 73,3 % Kaffee. In Brandenburg soll Tee sogar völlig unbekannt sein.

Ossis sparen an Reifen

Die Mehrheit der Ostdeutschen fährt nach einer Untersuchung des Reifenherstellers „Goodyear“ auf abgenutzten Autoreifen. In Halle hätten nur 2,6 Prozent der Pneus genügend Profiltiefe, in Stralsund wären nur 15% der Reifen sicher.

Westen macht krank 1

Der westliche Lebensstil macht krank. Das belegt nach Ansicht von Experten eine auf dem Deutschen Ärztekongreß in Leipzig vorgestellte Studie an Kindern aus Leipzig und München. Danach haben Allergien in Ostdeutschland nach der Wende deutlich zugenommen, sagte Adrian Gillissen, Fachbereichsleiter Pneumologie und Allergologie an der medizinischen Universitätsklinik Bonn. Die vergleichende Studie an etwa 1100 Kindern aus Leipzig und 3000 Kindern aus München belege vor allem, daß nicht allein die Umweltverschmutzung, sondern auch veränderte Ernährungs- und Lebensgewohnheiten Ursache für Allergien sind. Die Kinder in der DDR seien im Kindergarten vielen Infektionen ausgesetzt und dadurch abgehärtet worden. In den schlecht isolierten Wohnungen fand zudem die Hausstaubmilbe, in entwickelten Ländern einer der häufigsten Allergieauslöser, kein günstiges Milieu vor. Ursache für das Anwachsen allergischer Leiden im Osten sei auch die Zunahme von Gas- und Zentralheizung, mehr Teppichböden in den Wohnungen und mehr Haustiere.

Westen macht krank 2

Einer aktuellen Studie zufolge leiden nach 1990 in Ostdeutschland geborene Kinder häufiger unter Heuschnupfen. Nach dem Forschungsbericht des Medizinischen Instituts für Umwelthygiene Düsseldorf ist auf dem Gebiet des Heuschnupfens die Angleichung der Lebensverhältnisse auf einem guten Weg. Nach dem Anschluß geborene Kinder in Ostdeutschland erkranken ähnlich oft an Heuschnupfen wie ihre Altersgefährten im Westen. Grund für das verstärkte Auftreten könnte nach Ansicht der Wissenschaftler der drastische Anstieg des Autoverkehrs und die damit verbundene Zunahme von Abgasen sein. Zudem führen die Experten ins Feld, daß der zu DDR-Zeiten typische Besuch einer Kindertageseinrichtung das Immunsystem der Mädchen und Jungen zusätzlich gestärkt haben könnte. Auch das im Vergleich zu DDR-Zeiten radikal veränderte Konsumangebot und neue Ernährungsgewohnheiten sowie neue Materialien für die Raumausstattung werden als mögliche Ursachen für vermehrten Heuschnupfen und Asthma genannt.

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