AMOK-Lauf in Berlin

Antimilitaristische Lach-Parade in Berlin am 3. Oktober 1996

von Gerold Hildebrand
aus telegraph 1/1996 (#92)

„Das Volk lacht das Militär aus!“, hieß die seit einem Jahr ausgegebene Parole, unter der sich bald ein Anti-Militaristisches Oberjubel-K.O.M.I.T.E.E. zusammenfand, ein breites politisches Bündnis aus linken MilitärgegnerInnen. Ziel: Ein phantasievoller Umzug gegen die zunehmende Präsenz des Militärs (erstmals) am 3. Oktober 1996. Anlaß war u.a. der offizielle Aufmarsch der Bundeswehr mit Fackeln usw. durch das Brandenburger Tor zum „Tag der Einheit“. Dies sollte sich nicht noch einmal wiederholen. Befürchtet wurde, daß in diesem Jahr ein öffentliches Gelöbnis an diesem Ort zelebriert würde. Immerhin: Das Bundeswehrgelöbnis wurde auf Mai vorverlegt und fand am Charlottenburger Schloß statt – begleitet von massiven Protesten*. Der Fackelaufmarsch fand diesmal nicht statt. Aber ganz so kampflos wurde den AntimilitaristInnen das Feld nicht überlassen. Obwohl die bereits Anfang des Jahres die Demo anmeldeten, wurde kurzfristig einem andern Umzug der Vorrang gegeben.

AMOK war also statt an der Siegessäule bzw. am Brandenburger Tor vom Alexanderplatz aus gestartet. Die Jubelparade zog auf der Straße, wo noch sieben Jahre zuvor ostdeutsche Militaristen martialisch paradierten, über den Platz der Vereinten Nationen zum Märchenbrunnen. Mehr oder minder passend zum schwarzen Humor der AMOKlerInnen war zeitgleich am Alex eine Waffenbörse eröffnet worden. Doch die Demokarawane zog weiter. Dabei war alles vertreten: Kriegerwitwen, hosenscheißende und -pissende Offiziere, Schafsbataillone: „Rühe befiehl, wir folgen“. Die KPD/RZ (Kreuzberger Patriotische Demokraten/Realistisches Zentrum) machte in einem Flugi auf die Vorzüge des Krieges aufmerksam: Krieg ist gesund. „Fuß e.V.“ forderte gar „Schluß mit dem Krieg auf den Straßen – Personenschutz für jeden Fußgänger“. Gefeiert wurde dann am Märchenbrunnen mit Kabarett, Ska & Techno 1. Klasse und vielen Ständen.

Die Lach-Parade könnte künftig zur herbstlichen Konkurrenz von CSD und Loveparade werden. Hätte die Demoroute nicht kurzfristig wegen der Verwaltungsgerichtsentscheidung zugunsten des Deutschland-Fest-Umzuges verlegt werden müssen, wären locker 10.000 dabeigewesen. Viele hatten von der kurzfristigen Verlegung nichts erfahren und irrten durch die Berliner Innenstadt.

* Wegen der Gelöbnix-Demo laufen noch verschiedene Gerichtsverfahren. Betroffene sollten sich unbedingt melden bei der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär, Oranienstr. 25, Berlin-Kreuzberg, Tel. 030-615 00 530.

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