Träume vom polnischen Pinochet

„Man muss diesen Augiasstall endlich durchlüften. Dieses Orchester spielt immer noch und es ist immer noch keine polnische Musik“
aus telegraph #101 
von Kamil Majchrzak

Der General mag es, wenn die Zeitungen ihn als den echten Polen oder ungezogenen General bezeichnen. General Tadeusz Wilecki, das derzeitige Vorzeigeobjekt der rechtsradikalen National-Demokratischen Partei [Stronnictwo Narodowo Demokratyczne] und Präsidentschaftskandidat für die im Herbst anberaumten Wahlen, ist ja auch kein Newcomer auf der politischen Szene Polens. Es ist schon interessant, wie man als ehemaliges Mitglied der Polnischen Vereinigten Arbeiter Partei [PZPR] und Zögling sowjetischer Militärakademien Favorit der radikalen Rechten werden konnte. Seine Ausbildung erhielt Wilecki noch in der Sowjetunion. Das war wohl der Grund, weshalb er so stark Polens Beitritt zur NATO kritisierte. Dies konnte nämlich nur eine Reform des polnischen Militärs bedeuten, gleichzeitig das Aus für Generäle der alten Waffenbrüderschaft. Als Generalstabschef der Polnischen Armee in den Jahren 1992 – 96 wurde er vor allem 1994 bekannt, als er zusammen mit Lech Walesa, dem damaligen Präsidenten während des sog. Mittagessens in Drawsko den Offiziersstab zum öffentlichen Ungehorsam gegen die zivile Führung unter Verteidigungsminister Kolodziejczyk aufrief. Trotz seiner kritischen Haltung zum NATO-Beitritt nahm er als Generalstabschef an den Beitrittsgesprächen in Brüssel teil.

Derzeit ist er Vorsitzender des Bürgerkomitees zur Verbesserung der Verteidigung und seit 1999 Vorstandsmitglied der größten polnischen Waffenfabrik „Lucznik“ in Radom. Die National-Demokratische Partei, die die Kandidatur von Wilecki betreibt, wurde 1991 gegründet und knüpft in ihrem Programm an die Ideologie der Nationalen der Vorkriegszeit an. Das Presseorgan der Partei „Der Polnische Gedanke“ [Mysl polska] scheut weder vor fundamentalistischem Nationalkatholizismus noch vor Antisemitismus zurück. Im Zeichen dieser Kontinuität war Wilecki Mitglied des Komitees zur Erbauung eines Denkmals zu Ehren von Roman Dmowski (eine Vorkriegszeit – Taschenausgabe von Hitler). Dmowski war Begründer der extrem antisemitischen und antideutschen National-Demokraten und bekannte sich öffentlich zu seiner Faszination für den italienischen Faschismus. Dmowski schrieb damals: „wenn wir doch eine Ähnlichkeit mit dem heutigen Italien aufweisen könnten, wenn wir doch solch eine Organisation wie der Faschismus hätten, wenn wir doch auch einen Mussolini hätten, unzweifelhaft den größten Staatsmann des heutigen Europas: wir würden darüber hinaus nichts mehr brauchen“.

Die größte polnische antifaschistische Organisation Nigdy Wiecej [Niemals Wieder] deckte auf, dass es im Frühjahr des vorherigen Jahres zu einem Treffen zwischen der Führung der National-Demokratischen Partei und den Nationalen unter dem Vorsitz von Maciej Giertych kam. Bei letzterer handelt es sich um eine chauvinistische Gruppierung, die an eine geheime Absprache zwischen Juden und Deutschen glaubt, die die wirtschaftliche Macht in Polen an sich reißen wollen. Ziel des Treffens sollte sein, ein Nationales Bündnis zu etablieren, das eine Plattform zum Schutze der Identität und polnischer Interessen bieten sollte. Obwohl dieses Treffen unfruchtbar endete, ist nunmehr klar, dass die National-Demokraten für breitere Unterstützung in der rechten Szene werben, um einen eventuellen Sieg in den kommenden Präsidentschaftswahlen davonzutragen.

Wilecki löste eine Welle von Protesten aus, als er im August letzten Jahres in einer in Polen sehr populären Talk-Show des staatlichen Fernsehens General Augusto Pinochet vergöttert hat. Er meinte damals: Gen. Augusto Pinochet hat sein Examen [in der Staatsführung – Anm. K. M.] bestanden und hatte auch Erfolge. Der Staat ist oberster Wert und man kann nicht alles in weißen Handschuhen durchführen. Der Skandal hing damit zusammen, dass Wilecki sich damit brüstete, als Präsident notfalls dasselbe zu tun wie der Diktator.

Am 11. November 1999 nahm das Allpolnische Wahlkomitee von General Wilecki zum Präsidenten seine Tätigkeit auf. Der Vorstandsvorsitzende der National-Demokraten, Kowalski, begründete diese Kandidatur damit, dass Wilecki der beste Kandidat für dieses Amt sei, da er auf nationalistische Traditionen aufbaut, sich der Allmacht des Kapitalismus entgegensetzt und Befürworter einer Politik „der starken Hand“ ist. Wilecki selbst kritisierte die derzeitige Regierung: „Man muss diesen Augiasstall endlich durchlüften. Dieses Orchester spielt immer noch und es ist immer noch keine polnische Musik“.

Die Gefahr dieser Kandidatur besteht vor allem darin, dass die extreme Rechte es geschafft hat, einen Kandidaten aufzustellen, der mit dem politischen Establishment (wie z.b. Walesa) und einflussreichen Wirtschaftskreisen der Rüstungsindustrie in Polen verbunden ist. Gleichzeitig aber ist die polnische Gesellschaft nicht zu einem entschiedenen Protest in der Lage. In dieser Weise schaffen es rechtsextreme Politiker, ihr chauvinistisches und antisemitisches Gedankengut in einer salonfähigen Form einem breiten Publikum zu präsentieren.

Kamil Majchrzak studiert an der Europa-Universität in Frankfurt/O.

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