WAS DÜRFEN WIR NACH ZEHN JAHREN HOFFEN?

von Thomas Koch
aus telegraph #102/103

Fokus: Rückkopplung
Ich verfolge damit ein dezidiert außerwis-senschaftliches Interesse: Was ich nämlich an Vorhersagen für Ostdeutschland spannend finde, ist nicht so sehr ihre wissenschaftliche Seriosität oder gar ihre „politische Korrektheit“, sondern es geht mir um ihre möglichen Rückkopplungseffekte auf die ostdeutsche Gesellschaft.

Prognosen/Szenarien/Leitbilder wirken sich in der Regel auf jene Akteure und sozialen Strukturen aus, auf die sie sich beziehen. Sie können so ihre eigene Geltung beeinflussen, sei es als „sich selbst zerstörende“, sei es als „sich selbst bestätigende Prophezeiung“. Im ersten Falle kommt es zu dem vorhergesagten Ergebnis gerade deshalb nicht, weil die Vorhersage bekannt, publik wurde; im zweiten Falle wird das vorhergesagte Ergebnis teilweise oder gänzlich durch die Veröffentlichung erst hervorgerufen.

Geleitet von der Maxime: „Man muss den wirklichen Druck noch drückender machen, indem man ihm das Bewusstsein des Drucks hinzufügt, die Schmach noch schmachvoller, indem man sie publiziert.“ [Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, S. 8. Digitale Bibliothek Band 11: Marx/Engels, S. 547 (vgl. MEW Bd. 1, S. 381)], erwarte ich, dass die Bekanntschaft mit Vorhersagen für Ostdeutschland in der ostdeutschen Gesellschaft selbst endlich eine Verständigung darüber, wie man/ frau eigentlich leben möchte, befördern und eingreifendes Handeln auslösen könnte.

Drei Vorfragen
Freilich bewege ich mich mit diesem Thema auf schwankendem Terrain, weil ich schon im Vorfeld Flagge in mindestens drei kontrovers diskutierten Fragen zeigen muss.
Die erste Frage lautet: Warum sollen Ihnen Entwicklungsszenarien vorgestellt werden, wo doch selbst prominente und sehr selbstbewusste Sozialwissenschaftler äußerst bescheiden, ja nahezu kleinlaut werden, wenn sie sich über die Prognosefähigkeit ihrer Zunft äußern?

Hier sind Zweifel sehr wohl angebracht. Dies setzte nämlich die Kenntnis des „Gesetzes“ ebenso voraus wie der Randbedingungen, nicht zuletzt die Stärke und das Agieren der sozialen Kräfte. Gleichwohl sind Prognosen mit sozialwissenschaftlichem Anspruch in Grenzen sehr wohl möglich und sie werden auch trotz aller Rückversicherung unverdrossen getätigt.

Wenn aber schon sozialwissenschaftliche Szenarien in den Blick rücken, weshalb dann noch die politische Publizistik mit ins Boot und ins Visier nehmen? Ist es nicht unzulässig, sie zusammenzuspannen, so die zweite Vorfrage. Meine Antwort: Politische Publizisten agieren zwar in anderen Feldern als Sozialwissenschaftler, doch sie exekutieren und popularisieren sozialwissenschaftliche Deutungsmuster und Annahmen. Daher halte ich ein solches Vorgehen für zulässig.

Schließlich die dritte Vorfrage. Sie problematisiert die Absicht, nach Entwicklungsszenarien für Ostdeutschland zu fragen – einmal als kleinkariertes Interesse ostdeutscher Nationalisten (wenn schon nicht das Weltganze, dann gelte es doch zumindest Europa in den Blick zu nehmen). Sodann ist zu vernehmen, „nach zehn Jahren Einheit sollte man nicht nach Ost oder West fragen“. Anders formuliert: Reproduziert sich überhaupt Ostdeutschland als relative Einheit im Rahmen der Bundesrepublik wie der EU nach 10 Jahren Transformation ungeachtet aller Ausdifferenzierungen oder löst es sich nicht vielmehr sukzessive in Teilräume mit unterschiedlichen Interessen, Zugehörigkeiten , Identitäten auf? Denn nur im Falle der Reproduktion hat es Sinn, nach Szenarien für Ostdeutschland zu fragen. In Hinsicht auf die dritte Vorfrage stehen sich zwei Positionen gegenüber –die Ausdifferenzierungshypothese und die Reproduktionshypothese.

Ich vertrete hier die Reproduktionshypothese und präsentiere von ihr geleitete Szenarien. Wobei ich gleich hinzusetzen möchte, dass sich deren Anhänger in der Problemwahrnehmung von ihren Kontrahenten gar nicht so sehr unterscheiden. Erst die Einbettung, Akzentsetzung und die Schlüsse machen die Differenz.

Die Reproduktionshypothese besagt, dass Ostdeutschland auf Jahrzehnte ein Raum eigener Prägung im Rahmen der Bundesrepublik bleiben und sich als solcher trotz wachsender Differenzierung immer wieder neu zur Geltung bringen wird. Strategien, Konzepte, Visionen für Ostdeutschland heben dabei auf im Status quo der ostdeutschen Gesellschaft angelegte Konstellationen ab, die dann in spezifischer Weise zu einander an- wie einander ausschließenden Entwicklungsszenarien für Ostdeutschland akzentuiert werden.

Für Konstrukteure bedeutsame Konstellationen der ostdeutschen Gesellschaft.
Die gemeinsame politische und Wirtschaftsgeschichte der ostdeutschen Bundesländer in einem Staat sowie die nachfolgende Verunsicherung und tiefgreifende Erschütterung der ostdeutschen Gesellschaft im Zuge des Zusammenbruchs und der Transformation ihres tragenden institutionellen Gefüges. Auch wenn DDR-Geschichte wie Transformation von den Betroffen recht unterschiedlich erlebt, verarbeitet wurden und werden, verbindet sich mit diesen Ereignissen ein Set von abrufbaren Erfahrungen, Wissensbeständen, Prägungen.

Die ostdeutschen Bundesländer agieren unter differierenden wie unter ähnlichen, vergleichbaren Rahmenbedingungen und Konstellationen, auch wenn ihre politischen Eliten anderes behaupten. Sie haben ähnliche Probleme und auch Interessenlagen, die neben der Konkurrenz Kooperation erheischen, die freilich unterentwickelt ist.

In Ostdeutschland gibt es kein selbsttragendes Wirtschaftswachstum.1 Die neuen Bundesländer haben bislang dieses Ziel deutlich verfehlt. Daher besteht ein besonderes Interesse an der Fortsetzung des Länderfinanzausgleiches und Transfers nach Auslauf der bisherigen Regelungen.

Die neuen Bundesländer inklusive Berlin sehen sich mit einer zugespitzten Lage am Arbeitsmarkt konfrontiert und einer in höherem Maße eigentumslosen Bevölkerung. Die Abwanderung von jungen Leuten und Fachkräften in die alten Bundesländer hält an. Die ostdeutsche ist in höherem Maße als die westdeutsche eine „alternde Gesellschaft“. Für wirksame Gegenstrategie sind die Ostländer (jedes für sich allein) zu klein. Wenn überhaupt, hätte nur Ostdeutschland als Ganzes eine Chance.

Vor dem Hintergrund einer flächendeckenden Neugestaltung der Wirtschaftstrukturen und Verflechtungen spielen KMU in Wirtschaft und Gesellschaft eine besondere Rolle und größere Rolle als in den alten Ländern.

Im Vergleich zu den alten Bundesländern sind die Chancen für eine indirekte Steuerung geringer, ist der Staat stärker gefordert. (In Berlin, wo es alles mindestens zweimal gibt, kann der Westberliner Zoo im Vergleich zum Ostberliner Tierpark mit der zehnfachen Spendensumme von Sponsoren rechnen, obwohl der Tierpark keineswegs weniger beliebt ist). Schwache Zivilgesellschaft/ „soziale und kulturelle Wüste Ost/ lauten daher gängige Diagnosen. In Anlehnung an Sztompka ist allgemeiner von „zivilisatorischer Inkompetenz“ die Rede, die sich im Fehlen einer Unternehmens-, Diskurs-, Staatsbürger- und Alltagskultur zeige, die Modernisierung im westlichen Sinne trage.

„Im Grunde bis heute schwebt das neue System oberhalb der ostdeutschen Gesellschaft und ist mit ihr erst lose vertäut“ (Patzelt 1995 :77). Aus diesem Grunde haben Deregulierer des rheinischen Kapitalismus ein leichteres Spiel.

Zudem stehen wichtige Komponenten des 1990 installierten neuen institutionellen Gefüges, der übernommenen und modifizierten Infrastrukturen und der für den Osten gültigen Regelungen teils aus politischen, teils aus demographischen, teils aus Finanzierungsgründen oder infolge mangelnder zahlungsfähiger Nachfrage zehn Jahre später erneut zur Disposition: die Höhe der künftig zu erwartenden Transfers, die Ländergliederung, Kreis- und Gemeindegrenzen, das System der Kinderbetreuung, Schulstandorte und das Schulsystem, Eisenbahnlinien… Bevor steht überdies die EU-Osterweiterung.

Wenn man von Teilräumen absieht, besitzt keine politisch oder soziale Kraft in und über Ostdeutschland so etwas wie politisch-kulturelle Hegemonie. Andere sprechen von „geistiger Heimatlosigkeit“ bzw. vom geistigen „Niemandsland“. In Ostdeutschland sind zum einen sozialistische Wertvorstellungen von beträchtlichen Einfluss, die freilich verschiedenen Zeitaltern angehören und darum wenig kompatibel sind. Zum anderen bestehen für Fremdenfeindlichkeit, Ausländerhass, Gewaltakte und rechtsextremistische Deutungsschemata besondere Rahmenbedingungen.

Ostdeutschland ist kein Subjekt, kein Akteur, es ist ohne Instanzen, die es repräsentieren. Das war politisch gewollt. Einigkeit besteht auch darin, dass das Vermögen, eigene oder Gruppeninteressen offen zu vertreten in Ostdeutschland nicht gewachsen bzw. suboptimal ausgebildet ist. Während die einen das vor allem auf die Erbschaft der DDR zurückführen, hat etwa Rainer Geißler auf die entschärfenden, umlenkenden Effekte des institutionellen Gefüges aufmerksam gemacht. Der Ost-West-Konflikt wird im wesentlichen nicht zwischen verschiedenen Institutionen, die unterschiedliche Interessen artikulieren und bündeln, ausgetragen, sondern innerhalb der Untergliederungen gesamtdeutscher Institutionen, die sich am Übergreifenden, Nationalen, d.h. im Zweifelsfalle am Westdeutschen orientieren oder einer offenkundigen „Landesrationalität.“ Dadurch werden Ost-West-Konflikte vielfach institutionell gebrochen und entschärft, zuweilen auch für obsolet erklärt. Es gibt wenig Ostverbände, keine Ostgewerkschaften, keine starke Ostpartei, kein Ostfernsehen, keine entfalte Ostpresse, keine überregionale ostdeutsche Öffentlichkeit. Dies mag für die „Durchherrschung“ der ostdeutschen Gesellschaft gut sein, verhindert aber, dass große Teile der Bevölkerung ihre Lage, Interessen und Perspektiven angemessen kulturell verarbeiten und bearbeiten können.

Szenarien, Leitbilder, Visionen im Diskurs
Welche einander an- wie einander ausschließenden Entwicklungsszenarien für Ostdeutschland, die ich zu Staffeln zusammenfasse, sind nun im Diskurs präsent?

Prognosen der ersten Staffel
Zur ersten Staffel gehören vier Szenarien, die die Zukunft der ostdeutschen Gesellschaft im Lichte von Entscheidungen sehen, deren Konsequenzen vorerst unumkehrbar sind (Baring; anders Ettrich und wieder anders Aly) bzw. gelassen als Ausdruck des Operierens historisch angelegter regionaler Entwicklungsmuster (von Beyme) fassen.

Die erste Prognose dieser Staffel sieht die Zukunft Ostdeutschland als eine Art Mezzogiorno. Vom italienischen Urtyp hebe sich Ostdeutschland indes durch eine gebildetere Bevölkerung ab. Und es müsse vorerst offen bleiben, was zwischen Oder und Werra als funktionales Äquivalent für die Mafia stehen könnte. „Mezzogiorno Deutschlands“ meint „Modernisierung ohne Entwicklung“ plus „Überlagerung“. Obwohl durchaus ein Zuwachs an Wohlfahrt für viele eintritt, reproduziert sich das Gefälle in der Produktivität und in den Wirtschaftsdaten ebenso wie sich differente normative Grundlagen zwischen den beiden Teilgesellschaften verstetigen. (vgl. Ettrich 1993).

Dieser Annahme ist widersprochen worden: Nicht als Mezzogiorno, sondern als funktionales Äquivalent für die 1945 verlorenen deutschen Ostgebiete lasse sich Ostdeutschlands Gegenwart und unmittelbare Zukunft denken. Das West-Ost-Gefälle habe in Deutschland Tradition, wie in anderen Ländern ein Süd-Nord-, oder ein Nord-Süd-Gefälle. Im übrigen seien die Chancen nicht schlecht – ähnlich wie die Vertriebenen – in etwa 15 Jahren das Durchschnittsniveau der Einheimischen zu erreichen. Leitend ist mithin die Position, der Osten werden hinsichtlich der Produktivität und auch normativ aufschließen (vgl. von Beyme 1996).

Anders Arnulf Baring. Angesichts der sozialen und kulturellen Wüste, die der Sozialismus in Ostdeutschland hinterlassen habe, so Baring 1991 wie 1997, brächte allein eine neue Ostkolonisation die Rettung. Aber bereits 1991 war Baring klar, das diese von ihm gewünschte neue Ostkolonisation nicht stattfinden wird. Einmal, weil die westdeutschen Leistungsträger nicht kommen und zum andern, weil sie von der ostdeutschen Gesellschaft nicht gelitten wenden. Daher lasse sich im Osten das Blatt nicht werden, werden sich die im Status quo zwischen Oder und Werra angelegten Strukturen und Tendenzen der „Verwüstung“ verstetigen.
Für Götz Aly wiederum, der so etwas wie der Chef-Ideologe der Berliner Zeitung ist und in allen seinen Artikeln über Ostdinge einem Deutungsmuster verpflichtet bleibt, ist ein solcher Verzicht auf aktives Handeln nicht hinnehmbar. Bundeszwang nach Artikel 37 GG, früher nannte man das Reichsexekution, sei angesagt. Denn: im Osten gebe es für den fortgesetzten, mehrheitlich hingenommenen Bruch des Landfriedens innere Gründe: die massenhafte Verwahrlosung der heranwachsenden Jugend, weil sich die Familien ihrer erzieherischen Pflichten entziehen. Und sie tun dies, weil sie der sozialistischen Fiktion einer Veredelung des Menschen durch den Staat anhingen, die sie von persönlicher Verantwortung freistelle. Noch gravierender wirke sich der Egalitarismus der DDR aus. Dieser verheiße für die Zukunft das Paradies sozialer Gleichheit, im Elend der Gegenwart aber richte er sich gegen die Andersartigen schlechthin. Linker und rechter Egalitarismus gingen ineinander über, weil sich Vorstellungen von sozialer und ethnisch-völkischer Homogenisierung leicht vermischten. Nach 1989 hätten sich überall die nationalistischen mit den nicht reformfähigen Kräften des Kommunismus verbunden. Die Kräfte der bürgerlichen Selbstverantwortung werden niedergedrückt. Daher könne man die Dinge nicht ihrem Lauf überlassen. Um die Situation zu wenden, so Aly, sei es nicht auszuschließen, Brandenburg, ja letztlich ganz Ostdeutschland, unter Bundeskuratel gemäß Artikel 37 GG. zu stellen (vgl. Aly 2000).

Prognosen der zweiten Staffel
Sie unterscheiden sich von denen der ersten dadurch, dass andere Essentials des Status quo der ostdeutschen Gesellschaft akzentuiert werden – gewisse Kultur- oder Startvorteile mit Blick für kommende Umbrüche in Gesamtdeutschland, einzigartige Gelegenheitsstrukturen für politische Unternehmer und /oder gar Modernisierungsvorsprünge.

Für diesen Typus stehen Stefan Hradils (1996) Artikel „Überholen ohne einzuholen? Chancen subjektiver Modernisierung in Ostdeutschland“, Lothar Späth`s Diktum „der Osten ist der Minenhund des Westens“ – beim Erproben neuer Arbeits-, Wirtschafts-, Sozial-, Tarif- und Lebensformen und Helmut Wiesenthals Vermutung, der Osten avanciere zum „modernsten, amerikanischsten Teil Deutschlands“ (Wiesenthal 1996). Eben weil im Osten die tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Verkrustungen und Überregulierungen des rheinischen Kapitalismus nicht Fuß fassen können.

Prognosen der dritten Staffel
Sie vereint, dass sie den ostdeutschen Status quo durch einen anderen Mix aus ökonomischen und außerökonomischen Zielstellungen unter Rückgriff auf externe, wie hier vorfindliche Potenziale überwinden wollen. In dieser Hinsicht sind die nachfolgenden Modelle kompatibel, in anderer hingegen nicht. Zu den Leitdifferenzen gehört zum einen die Frage, ob und inwieweit sich der Osten als Sonderterritorium im Rahmen der Bundesrepublik organisieren muss und kann. Zum andern, ob auf das bisher verfolgte Ziel der Angleichung des Ostens an den Westen verzichtet werden sollte. Mit einigem Selbstbewusstsein will ich beginnen mit dem Leitbild „Solidarische Bürgergesellschaft-Ost“. Zu den wenigen Antizipationen ostdeutscher Zukunft, die sich explizit dafür aussprechen, dass sich der Osten überhaupt und neu als Sonderterritorium in der Bundesrepublik organisieren und der Angleichungsoption nur auf ganz bestimmten Feldern anhängen sollte, gehören ab 1994 die meinen (vgl. Koch 1994; 1997,1999).

Obgleich sonst durchaus anschlussfähig heben sie sich dadurch in gewisser Hinsicht von den Visionen der PDS wie der SPD-Ost ab.

Von der PDS ist mit dem „Rostocker Manifest. Für einen zukunftsfähigen Osten in einer gerechten Republik“ 1998 ein „Pilotprojekt Ost »Gerechtigkeit und Entwicklung«“ vorgeschlagen worden, an das sich präzisierende Konzepte der AG Wirtschaft-politik beim Parteivorstand 1999 anschlossen: „Ostdeutschland – Region in Europa, das »Rostocker Manifest« europäisch diskutieren“, heißt es programmatisch. In den „Zehn Thesen der PDS-Fraktion zu zehn Jahren deutscher Vereinigung“ (2000) wird die Grundidee, den „Osten als Politprojekt für das ganze Land zu entwickeln“ weiter verfolgt und zugleich explizit der Bezug zu neuen konzeptionellen Ideen des Forums Ostdeutschland der Sozialdemokratie hergestellt ( vgl. Luft u.a. 1998; Dellheim 1999; Positionen der PDS zur Wirtschaftspolitik Analysen und Vorschläge 1999; Zehn Thesen der PDS-Fraktion 2000).

Das Forum Ostdeutschland der Sozialdemokratie hat im Juli 2000 ein neues Leitbild für Ostdeutschland gefordert und mit einiger Publizität auch präsentiert: „Vom Beitrittsgebiet zur europäischen Verbindungsregion“ (vgl. Thierse 2000). Mit diesem Leitbild wollen seine Urheber einen Perspek-tivenwechsel einleiten. Es gelte eigene Vorteile Ostdeutschlands ebenso wie den Austausch mit europäischen Regionen ins Spiel zu bringen, eigene Potenzen, die es im europäischen Vergleich, nicht aber gegenüber Westdeutschland habe. Dieser Perspektivenwechsel bedeute indes nicht den Verzicht auf die Angleichung des Ostens an den Westen, heißt es bei W. Thierse.

Damit schließt sich der Kreis. Ich habe mit dem Mut zur Lücke zehn Konstruktionen ostdeutscher Zukünfte angedeutet. Das Spektrum reichte vom „Mezzogiorno unter bzw. ohne Bundeszwang“ über „modernster, amerikanischster Teil Deutschlands“ bis hin zur demokratisch-sozialistisch organisierten „europäischen Verbindungsregion Ostdeutschland“. Was aber tatsächlich sein wird, das hängt auch von unser aller Handeln wie Unterlassen ab.

1„Das Ziel eines ’selbsttragenden Wachstums’… lässt sich in der Weise interpretieren, dass es durch Wirtschaftspolitik gelingen soll, mittel- bis längerfristig Strukturen aufzubauen, die nach den Erkenntnissen der theoretischen wie empirischen Regionalforschung im Wettbewerb der Regionen als wettbewerbsfähig einzustufen sind. Das ’selbsttragende Wachstum’ müsste sich dann in einer deutlich aufwärts gerichteten Entwicklung von Produktion und Beschäftigung in der Region zeigen – bei rückläufiger Förderintensität“ (Postleb 1999: 111)

Thomas Koch arbeitet bei BISS und lebt in Berlin.

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