KNEIPEN & SO’N ZEUGS

aus telegraph #104
von Lothar Feix

SCHABEN
Schaben an sich sind gemein.
Die gemeine Küchenschabe wird unfair auch ‘gemeine deutsche Küchenschabe’ genannt.
Nur weil sie braun ist?
Anders als etwa ihre amerikanischen Verwandten ist sie gemeinhin zwar gemein, aber selten aggressiv.
Ich kannte einst eine gemeine alte deutsche Schabe in der Werner – Seelenbinder – Halle. Sie schien mir weise & am Zeitgeschehen interessiert zu sein. Der Stasi-Mann, der die Abwäsche vor Rio Reiser schützen sollte, ekelte & fürchtete sich. So ein System konnte ja nicht bestehen.
Schaben aber, die werden noch den Kapitalismus überleben & mit der Globalisierung werden auch die aggressiven Amerikaner kommen. Wir hatten schon welche in den Chili Bohnen.
Es ist unterhaltsam, wie seltsam sich Gäste fürchten & ekeln können. Alles Stasi?
Man wird sie nicht los & bislang gab es auch keine wirklich erfolgreichen Methoden der Dressur. Jagen & töten, das kann man sie. Das ist nicht besonders schwierig. Letztens las ich, Schaben seien deshalb schwer zu fangen, weil sie jeden Luftzug mit den Hinterbeinen spüren. Die Presse lügt.
Aber das Jagen & Töten sollte aufhören dürfen! Daß ich jeder getöteten Schabe ein kurzes Bittgebet murmele, das ist irgendwie zu wenig. Der Ernst geht flöten. Was für einen Sinn hat das dann noch? Nur noch Geste. Kein Gedanke mehr, der einen Begriff vermittelt. Welchen auch?
Ja, wenn sie endlich zurück schlagen würden!
Schaben können Baudelaire vermutlich nicht leiden.
Ihr Tod ist peinlich.

KAPUTTE WELT
Wenn irgend etwas nicht geht ist es oft kaputt.
Zum Beispiel die Kaffeemaschine, die eigentlich gar nicht kaputt ist. Vielleicht ist es nur der Motor. Oder die Pumpe.
Manchmal ist es aber auch so, daß etwas nicht geht, weil etwas leer ist. Wenn zum Beispiel kein Bier aus dem Hahn kommt, dann kann das Faß leer sein. Oder die Druckflasche. Kaputt ist das eigentlich nicht. Obwohl so etwas die Kneipe ziemlich kaputt machen kann. Auch wenn fast alle Gläser noch ganz sind.
Toiletten andrerseits können schon mal nicht gehen, weil sie zu voll sind. Toiletten stehen den Menschen näher als Druckflaschen. Manche Gäste können auch nicht gehen, weil sie kaputt sind. Deshalb trinken sie manchmal zu viel. Es gibt also Unterschiede. Toiletten sind erst kaputt wenn sie zu voll sind. Man kann das auch Funktionieren nennen.
Oder eben nicht.
Manche Gäste gehen überhaupt nicht. Aber wenn sie sich ordentlich verhalten, geht das schon mal.
Manchmal kommen überhaupt keine Gäste. Dann geht die Kneipe kaputt. Weil sie ist leer. Wie die Druckflasche. Aber das merkt man dann auch nicht mehr.
Schaben gehen natürlich auch nicht. Sie laufen meistens. Würden sie gehen, könnte man sie leichter kaputt machen. Aber gehen würden sie trotzdem nicht. Das sagt die Hygiene.
Mir geht’s manchmal ja auch nicht. Dann trinke ich einen Schnaps & schon geht’s wieder. Manchmal lasse ich anschreiben. Das geht schon mal. Im Grunde aber geht das natürlich nicht. Denn wenn ich dann voll bin & die Kasse bleibt leer, weil meine Kasse leer ist, weshalb ich mich ja betrinken muß, denn ein Leben mit leerer Kasse ist ein irgendwie kaputtes, – dann geht auch irgendwann die Kneipe kaputt.
Oder die Pumpe.

HUNDE
Hunde gibt es solche & solche. Das sagen sogar Hundehasser. Man kann das nämlich auch sehen.
Große Hunde sehen anders aus als kleinere. Bei ganz kleinen Hunden weiß man oft nicht, ob es Hunde sind. Vielleicht sind es verkommene Fledermäuse. Die sind so clever, alte Frauen für ihre Ernährung sorgen zu lassen. Also für ihre eigene. Die alten Frauen sind ihnen schnurz. Nicht nur ihnen. So geht das. Aber Rehpinscher gibt’s kaum noch. Irgendwie schade.
Kleine & mittlere Hunde rennen überall rum. Ihre Inhaber müssen dann rufen: Komm her!, oder: Laß das! Alle Menschen in der Kneipe nehmen an dieser Kommunikation teil. Einige fühlen sich manchmal angesprochen. Aber folgen tut keiner. Meist nicht mal der Hund. Wäre er ein Gast, bekäme er Hausverbot & müßte Trinkgeld geben.
Oder umgekehrt.
Richtig große Hunde sind oft sehr diszipliniert. Wenn nicht, dann wird: Sitz! Gerufen, oder: Platz! Weil ich mal Buchmacher war, habe ich das manchmal falsch verstanden. Sieg oder Platz! Es gibt aber auch Einläufe. Doch das hat in der Kneipe nichts zu suchen. Menschen sind oft nicht so diszipliniert. Und wenn man Sitz! sagt oder Platz, dann gehorchen sie selten. Außer es sind Idioten, was ja vorkommt. Oft. Und eins ist beiden gemeinsam, Hunden & Menschen: Sie tun einem nichts. Außer man kommt ihnen zu nahe. Irgendwie jedenfalls. Die Natur hat bestimmt, daß der Mensch dem Menschen nahe sei. Irgendwie jedenfalls. Vermutlich hat sie sich was Böses gedacht. Das mit den Hunden ist unklar.
Wenn ein Mensch in einen Hundezwinger geht, ist er blöd. Da kann er niedlich & brav sein, wie er will. Der Mensch. Das nutzt wenig. Kein Kasten Bier wird ihm hingestellt. In der Kneipe konnte es schon mal passieren, daß die Gläser alle sind. Wasserschüsseln für Hunde sind immer da. Hunde manchmal nicht.
Man möchte ein Hundeleben führen.

KÜNSTLER
Gäste gibt es gelegentlich schon. Das ist oft sogar gut so. Schließlich heißt das ja Gastwirtschaft. Schon vom Prinzip her also. Ohne Gäste keine Wirtschaft. Wirtschaft lebt von Wirtschaftlichkeit. Mancher kapiert es nie.
Kunst ist erstmal nicht wirtschaftlich. Kultur manchmal auch. Da gibt es Unterschiede & Gemeinsamkeiten. Sowohl als auch. Sowieso sowieso. Man muß die Interessen zusammenführen. Kulturwirtschaft & Wirtschaftskultur. Das sollen so Künste sein. Beziehungsweise Wissenschaften. Sagt man so. Na ja. So hat halt auch die Kunst ihren Platz.
Wenn Künstler Gäste sind, hat’s auch die Wirtschaft gut. Außer sie zahlen nicht. Wovon auch? Und der Kultur geht es da manchmal auch nicht gut. Künstler sind halt eigen. Einige. Sie denken, sie müssen das sein. Oft denken sie auch an das Geld von anderen. An das der Wirtschaft z.B.. Besonders wenn sie kein eigenes haben. So eigen sind Künstler nun doch nicht. Oft aber feige & rechtsbewußt. Immerhin wird Kunst zu probieren nicht als tödliche Bedrohung gewertet. Leider. Ein Revolver wird als Bedrohung anerkannt. Oder hundsgemeine Erpressung. Aber Künstler sind ja außerdem blöd. Die Kneipe ist eine Gastwirtschaft. Die Wirtschaft selbst ist etwas anderes. Ihr geht es auch nicht so gut. Sagt sie. Aber macht sie deshalb gleich Kunst? Nein. Sie hat bloß nichts mehr zu verschenken. Im Gegenteil; sie will Geschenke haben.
Und was machen diese Künstler? Die wollen von der Gastwirtschaft Freibier haben. Oder schlimmeres. Was ja keine Kunst wäre, wenn man einen Revolver hat. Oder etwas ähnliches. Irgendetwas strafbares. Kunst ist das leider nicht. Obwohl man Revolver ja besser verstehen kann. Aber so leicht kommt man da nicht ran. Kunst ist leichter. Besonders schwere Kunst versteht man nicht. Also gilt man für blöd.
Das alles ist ziemlich dumm.

KINDER
Viele Frauen haben Kinder.
Männer manchmal auch. Aber die lassen das nicht so oft raushängen. Und wenn doch, dann haben sie entweder ihre feminine Seite entdeckt oder sind bloß so bescheuert. Muß das sein?
Kinder sind laut. Fast alles, was man von Hunden, Schaben & Besoffenen sagen kann, trifft auch auf Kinder zu. Keine Ahnung von angemessenem Benehmen. Z.B. haben sie ein Interesse daran, Dinge zu Boden zu schmeißen. Bierdeckel etwa. Oder Schachfiguren. Sie meinen damit gar nichts. Das macht es nicht besser.
Wo Kinder sind ist jede Kommunikation schon gelaufen. Vermutlich ist das der Reiz. Einfach auch so blöd sein zu können, wie man ist. Kinder muß man lieben. Das ist ein Gesetz. Dagegen kann man nichts machen. Sowenig wie gegen Schaben. Nicht einmal Kinder können da was tun. Einige versuchen es. Es nutzt nichts. Kinder sind halt nutzlos. Außer die debile Kellnerschaft spendiert ihnen eine Brause. Oder ein Törtchen. Da kann man sich als Eltern schon mal ein Bier zusammensparen.
Kinder stören. Das ist bekannt. Aber man muß sie lieben. Das ist so ein Zwang von überall. Hunde muß man nicht lieben. Nicht alle jedenfalls. Nur fast so. Der Berliner ist ein Hundefreund. Ich kenne mindestens drei. Oder fünf. Seltsame Menschen das. Die meisten haben gerade keine Kinder. Einige aber doch. Schiere Unerschöpflichkeit. Leicht zu verstehen ist das nicht. Mir sowieso. Ich mag Schaben. Das ist nicht erlaubt. Na und?
Anders als bei Hunden & Schaben kann man bei Kindern hoffen, daß sie groß werden.
Dann darf man sie endlich aus der Kneipe schmeißen.

MUSIK
Musik ist etwas, das man hören muß. Manchmal auch nicht. Musik in der Kneipe ist etwas, damit man das Gequatsche der Gäste nicht hören muß. Die Ohren der Menschen sind wunderlich. Die von Schaben auch. Die befinden sich an den Hinterbeinen. Beim Menschen ist das eigentlich nicht so. Dafür reden sie ständig. Obwohl doch die Ohren in der Nähe des Mundes sind. Alles Masochisten? Ohne Musik müßte man alles mit anhören. Oder die Hinterbeine zum Weglaufen benutzen.
Die meiste Musik, die man in der Kneipe hört, kennt man. Oder es ist keine Musik. Das kennt man ja auch zur Genüge. Das Meiste was man die Leute reden hört, kennt man auch. Oder es sind keine Leute. Beides klingt wie alles Beides. Musik & Leute. CD’s & MC’s sind irgendwann zu Ende. Hoffnung besteht da schon. Meist nur wenig, aber immerhin. Leute werden auch einmal zu Ende sein. Das ist ziemlich gewiß. Aber das dauert dann doch noch länger als ein Bier. Außerdem löst Musik manchmal Emotionen aus. Falls man grad welche hat. Dann fragt man, ob das lauter gemacht werden könne. Oder etwas anderes. Aber das ist auch bloß Gequassel. Das Gequassel von Gästen löst auch oft Emotionen aus. Meist solche, die man nicht mitbringen wollte. Also fragt man, ob das nicht leiser ginge. Oder einfach gar nicht. Manchmal wird’s dann erst recht laut. Manchmal wird dann auch nur die Musik beschimpft, obwohl die sich nicht selbst aufgelegt hat.
Manchmal konnte man hier in der Kneipe gregorianische Gesänge hören. Die Akustik war gut. Leere Räume haben einen guten Klang. Nicht nur bei Maklern.

JULI, NACHMITTAG
Kirchen sind meist sehr ruhige & leere Orte. Da kann man gut nachdenken. Z.B. über Nichts. Außer der Pfarrer kommt & fragt, was man eigentlich so wolle.
Kneipen sind manchmal auch schön leer & ruhig. Manchmal kommt dann auch keiner & fragt, was man will. Das ist dann allerdings ärgerlich. Außer man darf sich selbst bedienen. Sonst muß man warten bis noch einer kommt, der das auch nicht darf. Vielleicht daß der ein Glück hat. Aber dann ist es nicht mehr schön leer & ruhig. Es sei denn, er setzt sich nach draußen. Da sitzt schon der Inhaber mit der Kellnerin. Sie täuschen vor, Gäste zu haben. Sich selbst. Aber die Kellnerin hat sowieso keine Lust. Das ist allgemein ein gut verbürgtes Recht. Billig ist es nicht. Strom & Miete jedenfalls. Und umsonst sitzt auch keine Kellnerin. Egal ob sie was getan hat oder nicht. Recht ist oft schwer zu verstehen. Alles liegt an den Verhältnissen. Scheiß Kapitalismus. Der Inhaber meint’s nur gut. Die Kellnerin auch. Irgendwas jedenfalls. Oder es liegt doch an mir. Weil ich der einzige Gast bin. Aber ich sitze ja drinnen. Da sieht mich keiner. Nicht einmal die Kellnerin. Würde ich draußen sitzen, wär’s etwas anderes. Aber da müßte ich ja vielleicht mit der Kellnerin & dem Inhaber quatschen. Man kennt sich ja irgendwie. Da darf man nicht brüskieren. Doch wenn ich quatschen soll, dann könnte ich auch in die Kirche gehen. Pfarrer meinen es auch nur gut. Und etwas zu trinken kriegt man da auch nur selten.
Wenn man in der Kneipe allein & ungestört bleiben will, muß man so tun, als hätte man wichtiges zu tun. Etwa an Nichts zu denken. Oder man kritzelt einen blöden Text wie diesen hier. Das gilt als Entschuldigung. Außer man schreibt Schlechtes oder Wahres über den Inhaber & die Kellnerin.
Aber dann kann man ja immer noch in die Kirche gehen.

POLITIK
Eigentlich ist Politik in Kneipen anrüchig. Meist sollte es reichen so Plakate an die Wand hängen zu lassen. Nur solche, wo man meint, daß das okay sei. Oder was man dafür hält. Damit ist dann meist einiges klar gestellt. Irgendwie irgendwas. Gäste kapieren das schon mal. Falls welche hinschauen. Falls welche da sind. Einige verstehen alles falsch. Alle verstehen einiges manchmal falsch. Wenn überhaupt. Manche benehmen sich dann albern & Scheiße. Als wollten sie in einem Kampfhundezwinger frühstücken. Was ja blöd ist, denn es gibt hier keine chinesische Küche. Nicht in dieser Kneipe. Vorerst nicht. Hunde gibt es manchmal schon. Aber was hat das mit Politik zu tun? Schlimmstenfalls gar nichts. Oder umgekehrt.
Es ist alles schon schlimm genug geworden. Deshalb denken Leute sich Politik aus. Vermute ich mal. Es muß nämlich anders werden. Irgendwas irgendwie. Oder so ähnlich. Genau wissen kann man das Ganze sowieso nicht. Aber es stimmt. Das Bier z.B.. Manchmal auch die Rechnung. Wer weiß denn da noch, was sich diese Figuren so ausrechnen? Unerfindlichkeit. Aber wozu? Heutzutage bescheißt doch jede Pizza. Gibt hier keine Pizza? Beschiß!

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