aus telegraph #104
von Bert Papenfuß
Red Sun Rising In The Sky
Sleeping Village Cock’rels Cry
Soft Breeze Blowing In The Trees
Peace Of Mind Feel At Ease
Black Sabbath: Sleeping Village, 1970.
1. Der langhaarige Schwanz
Halbwüchsige, in der Regel hochwüchsige, Latschen mit Hang zum Treter rotten sich zusammen, um Feingeist, Gespür und Witterung nicht verklumpen zu lassen, sondern zusammenzuballen. „Revolution in their minds“ sondern sie sich ab und frönen dem Haarwuchs. Sie kleiden sich in Farben der ländlichen Umgebung, in den Städten jedoch in nächtliches Schwarz. Entfremdung kompensierend, ihr erbärmliches Selbst schützend, verwolfen sie sozial, antisozial und ggf. ratzekahl. Der zivilisationskritische Moment ist um. Ein Leitwolf steht dem Pulk vor, einsame Wölfe straucheln im Abseits. Die Bierseele des Bottenwolfs lechzt nach Doom & Gloom. Glatzen sind Langhaarige im Schafspelz, ausrasierte und frisierte hingegen zwar kupierte und domestizierte Schoßtölen, haben aber die schöneren Freundinnen. Mattenwolf hängt am Staat und hält sich Füchse für Laufdienste. (1)
Der Wolfspulk bäumt sich auf, sträubt sich – umsonst, er tümelt vor sich hin und entbehrt des Entwurfes. Wölfe mischen nicht mit, mischen sich nicht ein, „sondern sie verzweifeln nur völlig daran, ihre eigene Persönlichkeit zum Ausreifen zu bringen, und verzetteln ihre Kräfte in einer unterwertigen Opposition“. (2) Der Erzfeind des Mattenwolfs ist der Klappenstrolch. Im wölfischen Dünkel halbschwulen Hausens kommt Mutterzweifel auf und artet in Stammfrevel aus, von dort ist es nur noch ein Traps bis zum Klapperstorch. Auf Mattenwolf lastet Badelatsch. Die Mutter der Soldaten ist „die Frau“, die da mitspielt.
Der Vorgesetzte der Mattenwölfe ist allerdings Mischka, ahnende Ringelpietzler suchen dies zu honorieren, indem sie sich nicht rasieren. Die Pranke wird durch die Tatze gebrochen. Der Sibirische Tiger ist nun mal der Sieger. Die Chefin von’s Janze ist aber der Drachen, den man steigen lassen soll, wenn man sich stark genug dünkt und das Fell schwer juckt. Der Drach’, die Hex’ ist die transzendierte Mutter, das Schiff, der Panzer, das U-Boot, der Düsenjäger – das Drachenschiff, der Stahldrach’, der Unterwasserdrachen, der Strahldrachen. Von Vätern keine Spur, außer vielleicht Odin, Graf Zeppelin oder Herta Däumler-Gmelin, äh Quatsch, Julian Nida-Rümelin mein ich natürlich, oder auch nich’. Erkenntnis verschafft ein Halsgericht, Strangulierspiele jedoch nicht. Die Erhaltung erworbener Eigenschaften (3) tradiert Wissen in Kenningen, die zu entschlüsseln wir uns lang schon beflissen. Den Sinn im Gegenstand (4) gibt man nicht aus der Hand.
Wie aufwendige Recherchen in Volkspolen ergaben, wurde im damaligen Bauchwitz bei Meseritz im Anschluß an die letzte Wolfsjagd eine Pyramide errichtet. Sie trägt die Inschrift: Bauchwitzer Wolfsjagd den 18. Juli 1852. Hinzugefügt sind die Verse:
„Hier endete der Kommunist,
der andrer Leute Lämmer frißt.“ (5)
Um das politische Verwirrspiel abzurunden: Der „Wolf als solcher“ scheint dem DDR-Bürger zu gleichen, d. h. er wird gleichzeitig als Faschist und Kommunist angesehen, und seiner füchsischen Hinterhältigkeit wegen wohl auch als Stasist. Zur Strecke wurde er gebracht durch aufrechten Patriotismus, neuerdings zu „Deutschlandliebe“ mutiert, und durch einen ominösen Moralinismus, den Fangschuß setzte ihm die freie Marktwirtschaft. Im Zuge der Nahrungsreform wird der „Wolf als solcher“ jetzt mit einer Diät aus Lupine, Wolfstrappe, Bärlapp und Weihnachtsstern behandelt. Man glaubt, damit der anarcho-kommunistischen Lykanthropie vorzubeugen. Na denn bückt euch schon mal vor. Draußen auf dem Duschraumflur steht ein Trog voll Kaltschale mit Rindfleisch.
Mattenwolf hingegen, der hier lediglich für die Rockschweinvariante herhalten muß, endet als Bettvorleger, Bottenwolf als „unpolitische“ Seuchenmatte. Die Klangschaft des Niedergangs besteht aus Bummsgrunz und Steißkreisch.
Verg deg for nord
Vokt deg for den urskog
Skapninger i ulvens ham
Fenris har blod på tann (6)
Helheim: Jernskogen, 2000.
2. Der Schwarze Subbotnik
In Metallbetrachtung dumpft eine Weltanschauung. Ein Tritt auf Metall bringt Turbulenz in den körpereigenen Magnetismus. Ein Marsch über eine Brücke kann das körpereigene Eisen rosten machen. Rock muß man aus dem Boden stampfen, notfalls ein Beben erregen. Rock is’n Klopper im Vergleich zum Klopapier der Unterhaltungskunst. Black Sabbath war flachkrötig verechst, eine Mischung aus Quastenflosser und Waran; Motörhead ist immer noch außer Konkurrenz; die sog. New Wave of British Heavy Metal war eine Eidechse ohne Schwanz; Death Metal ein Riesenwaran in Panik und Black Metal eine heisere Blindschleiche. Verbohrtheit kann man nicht rauskitzeln, beharrliche Sturheit erwirbt man beim Abklappern von Irrwegen.
Black Sabbath verkörpert den waffenstarren Weltfrieden einschließlich partieller Kriegsherde an den Blocksrändern. War Pigs war schwach und mutig, vergleichsweise beherzt im Gegensatz zur mehr oder minder ironischen Söldnerverherrlichung des Schwachmatenmetalls, der von den „wahren“ Bewahrern für das einzig Wahre gehalten wird, aber eine ganz normale Ware ist, wie jede andere Waffe.
Vor mir das „Nichts nachher“
bleibt wohl leer -.
Reich mir mal das Schrapnell,
kommt „straight from hell“.
Stein weiß Bescheid. Rock knows everything. Petrus, Petrarca, Petruschka; Ballspiele geben keine Auskunft außer des Standes, der keine Rolle spielt, weil er keine Klasse hat. Steinöl ist der Ausfluß des Inneseins. Öl ist der Balsam der Heilung, Bild das Bild des Bildes, das schrumpft. Stein wünscht, wächst und wechselt. Stein ist so gut wie jede Fut, so böse wie jede Möse. Hurry up – and wait!
3. Das fehlende Glied
Das fehlende Glied hat vom süßen Löffel (7) genascht, steht unter Strom, ist ständig bzw. hängend auf Achse in den Gefilden der sozialen Irrelevanz. Für den friedlosen Unterhaltungskünstler ist immer Vorkrieg. Kopp voll Nüllenkäse, spielt er nach außen hin mit, geht niemandem auf die Nüsse. Gemeinhin ist er Hobbykoch, und auf diese Weise Freizeitrassist. Wenn er zu sich käme, müßte er sich erschießen und würde somit fehlen – wem, ist mir egal. Man kann den Rockisten aber auch mit einem Spritzer Antigermitismus wegwischen.
Totgelacht am Unvergnügen,
müssen wir uns selbst genügen.
Unter Wahrung der Haltung
könn’ wir uns nicht vergnügen.
Jeder Staat ist ein Schurke,
jeder Schröder eine Wruke.
Es ist gänzlich uninteressant, wie die Produktionsbedingungen der letzten Scheibe waren, es wissen sowieso alle, daß ihr auf Socken in einem Nichtraucherstudio an einer Brause genuckelt habt, und „von der Sache her“ keine Zeit mehr war, dem Endprodukt den letzten Schliff zu geben, nachdem ihr eure teure Studiozeit tapfer verwartet habt, weil euch die Produktionsverhältnisse nichts angehen.
Daß ihr dem Gruftiegesäusel, Peacer-Geschlabber und Tekkno-Tremor mit Heidenkaracho in den Arsch getreten und nach der Session noch ein Riesending abgezogen habt, glaubt euch ohnehin jeder dörfliche Mittelständler. Rock druckst, wo er drücken sollte. Rock stockt, weil keiner stinken wollte. Hosen runter, Rock hoch. Eure Tittenphantasien haben keinen Arsch geschweige Schwanz in der Hose. Is’ noch Koks in der Dose, regt sich kein Aufbegehr – was wollt ihr mehr!
Stupor an stupender Stelle. Wahrheit wohnt im Wörterbuch. Wahrheit ist der Inhalt der Sprache. Mattenwolf ist Wahrheitssucher, ihm gebricht lediglich der, zugegeben ausgetüftelte, organische Abrufmechanismus. Die Fangfrage der dialektisch geschulten Materialisten, ob es wohl dumme Fragen gäbe, hat sich im Zuge der Untergänge selbst beantwortet – sehr wohl und fast nur. Die wahre Frage lautet „Warum“! Warum gilt keinem Gegner außer dem Selbst. Der Trichter der Findung ist Mühsal. Warum ist das Volk. Stroh ist „Darum“. Warum gilt mir selbst. Warum ist schlaflos. Warum ist der Motor des fehlenden Gliedes, das ist ja gerade der Schlitz. Gießt Öl ins Feuer, möge die Wärme der Antwort mit euch sein. Und nicht vergessen, gleich nach dem Essen – zurück hinter Lenin.
4. Der rußige Bruder
Dem Teufel sein rußiger Bruder riß seine Zeit in der Hölle ab, kehrte den Dreck hinter die Tür, heizte seinen ehemaligen Vorgesetzten mächtig ein und ließ sich unterdessen ein augenfälliges Äußeres wachsen. Im Pfuhl zum Musikus gereift, garnierte er seine Gesänge mit ausgefallenen Ausfallenheiten. Sein merkantiles Ungeschick war seiner notgedrungenen Weltabgewandtheit geschuldet, zahlte sich jedoch nach Verbüßung durch Brautgewinnung aus. (8)
Das Todesblei betreffend, erwarte ich von 16-jährigen nicht, daß sie altgedient sind, wenn sie aber so tun, haben sie für die „Sache“ ausgedient. Mittelalterliche Studenten schleppen sich in eine Milchreiserwachsenheit, und dann fitnessgestählt, wellnessgestriegelt und hochglanzgefönt in eine versiegende Ausgewachsenheit, die abgehalftert auskrebst.
Stinkend brodelt das Moor,
Arschwisch huscht über die Pampe.
Zuckend flockt Ruß empor,
schlägt auf die Energiesparlampe.
Es dröhnt der Gral:
Ihr könnt mich mal.
Die Probleme der Radikalen bleiben die Extreme. Es gilt, Extreme an der gehörigen Oberfläche zu entschärfen, Stumpfsinn mit Widersinn zu erschöpfen. Radikale schürfen tiefer, da bleibt Spaß auf der Strecke, möchte man meinen, und sich biegen vor Gewieher.
Total lustig z. B. ist nichts, trieftraurig fast alles. Menschtum stinkt zum Himmel, der die Hölle ist. Gezüchtigte Tiere stehen dem Stahlhelm der Schöpfung Schmiere. Hängt die Fötte neben die Köter. Das Licht wird uns umbringen, im Höhlengleichnis ist Hoffnung. Weiter geht’s mit Klargesang.
Gesetzt, ich büke Gelichter mit Grind,
büßte jedwede Lücke, schösse in den Wind,
verwünschte den Keks, wendete das Blatt,
schickte euch Schecks und setzte euch matt,
käm doch locker, risse euch das vom Hocker?
Wir glaum wohl kaum, knarrten die Daumschraum.
5. Der geile Drachen
„Geil, faul, hemmungslos brodelt Laich und schlammiges Getier aus der anonymen Feuchte. Schilf schießt in Büscheln auf, Röhricht; aus dem Nabel wässeriger Blumen hängen nach unten gequollene Schläuche. Hin und wieder birst eine Schleimblase in der lauen Nährflut.“ (9)
Der Drachen ist das Gegenteil des Küchenwunders und Bierverderberin nebenbei. Sie ruft Spuk an und mischt in der organisierten Kriminalität mit. Sie zertöppert uterale Gefäße und bestreicht das zerfurchte Antlitz der Natter Erde mit Butter. Sie verschwendet Käse, schickt einen Kaiser nach dem anderen zum Teufel und vernichtet Privateigentum. Sie schmeißt mit Hutzeln und vergeußt Essig, verweigert Ackerbau, verfällt in eine fruchtbare Existenzkrise und schließt sich einer terroristischen Vereinigung an. (10)
Wortsetzung, die ich meine, schürt Zweifel am Schreiben. Die Zurückhaltung des Wortes schärft Aufmerken, Nachdenken und Abwinken – und also verhält es sich mit der Tonsetzung. Wenn Musik ergötzt, ist sie so tief verletzt, daß Abhülfe zwar Ton täte, aber prompt zu spät käme. Der wahre Rock kennt keinen Entsatz.
Der geläuterte Mattenwolf steht zornig auf und geht beruhigt ins Bett. Mattenwolf hält stand, erklärt sich selbst und fließt weiter.
1 „Der Wolf (slav. Volk) ist die graue Wetterwolke, die über Steppen und Schneeöden hinjagt und alles südliche Leben anfällt und vernichtet. Er ist mit der Sonne in Feindschaft, haßt auch das Feuer, er ist seines Rudellebens wegen die Wolke, die über den Steppen hinfegt, und wird auch mit dem Volk verglichen wegen seiner starken Vermehrung, seiner Feindschaft gegen den Herrn, seiner Rudelnatur etc. Die Wölfin daher Städtebild.
Der Hund läuft hinter seinem Herrn her. Daher durchweg ein Schattentier und meistens zur Unterwelt gehörend, aber in einzelnen Kulten seiner Treue wegen sehr verehrt. Denn er ist der Wächter, der nachts leise schläft. Er sorgt dafür, daß die Sonne oder der Sonnenherr und König am Morgen hell aufgehen kann und wacht auch über den Vorräten.“
Ernst Fuhrmann in Der Sinn im Gegenstand. Nebst Beitrag über die Bedeutung der Ornamente. Verlegt bei Georg Müller in München, 1923, S. 12.
2 Ernst Fuhrmann in der Einführung zu Die Taten des Bogda Gesser Chan’s. Aus dem Mongolischen von I. J. Schmidt, Auriga Verlag, Berlin, 1925.
3 Ernst Fuhrmann: Die Erhaltung erworbener Eigenschaften. Ein neuer Grundsatz der Biologie an Tatsachen der Homöopathie dargestellt. Folkwang-Auriga-Verlag G.m.b.H., Friedrichssegen/Lahn, o. J. (1926?).
4 Ernst Fuhrmann: Der Sinn im Gegenstand. Nebst Beitrag über die Bedeutung der Ornamente. Verlegt bei Georg Müller in München, 1923.
5 Der Vollständigkeit halber gebe ich hier den weiteren Text, der jedoch in unserem Zusammenhang keine Geige spielt: „Für immer stillte seinen Hunger / Lützower Jäger Johann Unger. // Die Lehre nehmet nun daraus, / Jeder verteidige sein Haus. / In fremd Eigentum eindringen, / Niemals wird euch das gelingen. / Wolfes Schicksal könnt ihr erben / Und zuletzt als Räuber sterben.“ (Verfasser unbekannt)
6 Schütze dich vor dem Norden / Hüte dich vor dem Urwald / Geschöpfe in Wolfshaut / Fenris hat Blut geleckt.
7 „Allright now! Won’t you listen? …” (Black Sabbath: Sweet Leaf, Master of Reality, 1971)
8 Kinder- und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm, lfd. Nr. 100: Des Teufels rußiger Bruder.
9 Sir Galahad (d. i. Bertha Eckstein-Diener): Mütter und Amazonen. Ein Umriß weiblicher Reiche. Langen, München, 1932. Siehe Kapitel „Sumpf und Acker“, auf das ich hier in voller Schönheit verweise.
10 Kinder- und Hausmärchen. Gesammelt durch die Brüder Grimm, lfd. Nr. 59: Der Frieder und das Katherlieschen.
Bert Papenfuß ist Autor, Redakteur der Zeitschrift GEGNER und Mitbetreiber des Kaffee Burger in Berlin
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