aus telegraph 11/1990
von Wolfgang Rüddenklau
Es ist derzeit üblich, Parteien, Organisationen und
Zeitschriftenredaktionen mit allerlei Zeugs zu beschicken, von
neuartigen religiösen Wahngebilden bis zu solchen politischen und
kommerziellen Charakters. Auch die Berufssoldaten der Grenztruppen
der DDR sind nun auf die Idee verfallen, ihre Überflüssigkeit mit
neuen und zündenden Ideen wegzuerklären. Das wäre ansich nicht
berichtenswert, wenn dieser Wahnsinn nicht Methode hätte und zudem
noch regierungsamtliche Unterstützung fände.
Der neue „Grenzschutzbund“ nämlich, der auf seinem ersten
Verbandstag am 2. Februar in Leipzig „geheim und demokratisch“ ein
Präsidium gewählt hat, will die Grenztruppen als eine
„länderübergreifende Bundespolizei deckungsgleich wie der
Bundesgrenzschutz“ installieren. Neben dem „Schutz und der
Überwachung der zukünftigen EG-Aussengrenzen“ (beispielsweise zur
„Bekämpfung der Kriminalitätsentwicklung unserer östlichen
Nachbarn“) und der Sicherung von Flug- und Seehäfen soll der
„Grenzschutzbund“ sich mit dem Pass- und Fahndungswesen, der
Bekäpfung von Kriminalität und der rechtsfreien Räume auf dem
Gebiet der DDR beschäftigen. „Die zu begrüssende Abrüstung der
Volksarmee“, heisst es, „unterstreicht die Notwendigkeit,
Polizeiverbände für die innere Sicherheit zur Verfügung zu
haben.“ Dafür sind die Herrschaften bereit zu schlucken, dass der
Grenzschutz an der innerdeutschen Grenze abgebaut wird.
Begrüsst wird, dass die Grenztruppen (zu denen sich bis
Jahresende noch 6.600 Stasi-Leute gesellen) ab dem 31.12. dem
Innenministerium unterstellt werden, bedauert, dass das so spät
geschieht, da dadurch die „äusserst enge Zusammenarbeit mit dem
Bundesgrenzschutz-Verband“ behindert würde und nicht die
Möglichkeit bestehe, einer „Deutschen Polizeiunion“ beizutreten,
ebenso der „EUROFEDOP“.
Leider neigt ja Öffentlichkeit inzwischen zur Vergesslichkeit.
Daher ist es vielleicht doch nicht überflüssig, daran zu
erinnern, dass eben jene so schön gewendeten Berufssoldaten
Schreibtischmörder sind, die über Jahrzehnte „Menschen wie Hasen
schiessen liessen“, wenn man mal die Äusserung zitieren darf, wegen
der seinerzeit der ZDF-Korrespondent Löwe aus der DDR ausgewiesen
wurde. Diese willfährigen Diener des vergangenen Staatsterrors also
wollen, analog den Stasi-Leuten, die schon wieder das Innenmini-
sterium der DDR beleben, künftig die Aufgaben einer
länderübergreifenden DDR-Polizei übernehmen. Wir dürfen ruhig
annehmen, dass diese Staatsterroristen zu jeder Schandtat bereit
sind, von der Anlegung von zentralen Karteien unter Verletzung des
Datenschutzes bis zur Abschiessung von Menschen, die als „staats-
feindliche Terroristen“ verdächtigt werden.
Auch davon abgesehen bleibt anzumerken, dass der zum Vorbild
gewählte Bundesgrenzschutz als Bundespolizei keine ganz
unumstrittene Angelegenheit ist. Streng genommen widerspricht er dem
Grundgesetz der Bundesrepublik, das ganz bewusst die Polizeihoheit
den Ländern übergab, nämlich um dem Bund nicht allzuviel
Machtmittel und Verfügungsrechte in die Hände zu geben. Ebenso
wie das auch in der Schweiz geschehen ist, hat die Klientel des
Zentralstaates im Verein mit dem Bundesverfassungsgericht diese
Position im Lauf der Jahrzehnte so weit ausgehöhlt, dass jetzt nur
noch schwache Gesetzesvorbehalte auf dem Weg zum Orwell-Staat stehen.
Es wäre aber der Gipfel der Absurdität, den Mördern an
tausenden DDR-Bürgern jetzt auch noch gewissermassen zum Lohn für
ihre jahrelangen Blutdienste die Kompetenzen einer landesweiten
Polizei zu geben. Diese Leute gehören hinter Gitter, mindestens
aber müssen sie abgerüstet und entwaffnet werden bis zum letzten
Hosenknopf. r.l.