aus telegraph 11/1990
von Wolfgang Rüddenklau
Am Freitag, den 8. Juni, wurde die Ostberliner spanische Botschaft von einer Anzahl Westberlinerinnen besetzt Gewollt oder ungewollt hat dies in der ost- und westdeutschen Presse zu einer Reihe von Mißverständnissen geführt. Es ging nicht, wie die „TAZ“ meint, um „Freunde der GRAPO“ oder um eine „Aktion spanischer Extremisten“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ meinte. Auch die verhältnismäßig wohlmeinende „Berliner Zeitung hat nicht recht, wenn sie glaubt daß „spanische Studenten die Botschaft besetzten“.
Vielmehr handelte es sich um einen-Protest gegen die Einführung inhumaner Haftbedingungen in Spanien, Haftbedingungen, die zugeben, von der BRD ausgehend schon allgemein in Westeuropa Sitte sind. Das kann aber nichts an der grundsätzlichen Inhumanität von Regeln ändern, die Isolationshaft und Zwangsernährung zur Normalität erklären.
Es ging den Besetzern als nicht um die Verteidigung von spanischen Terroristen, GRAPO und PCER. Sie wissen wenig über diese beiden Gruppen, interessieren sich auch nicht sonderlich dafür. Es geht ihnen einzig darum, dagegen zu protestieren, daß Gefangene in Spanien und anderswo (und demnächst auch bei uns) unter inhumanen Bedingungen eingesperrt werden.
Zum weiteren Verlauf ist zu sagen, daß die Besetzerinnen gegen 11.15 Uhr von der Polizei geräumt wurden. Sie wurden nach Pankow gebracht. Dort wurden sie nach eigenen Aussagen von der Kriminalpolizei provozierend behandelt. Ein Telefongespräch und der Kontakt mit dem Anwalt wurde verweigert. Die Besetzerinnen verweigerten ihrerseits Einzelverhöre und forderten den Stadtrat für Inneres als Vermittler. Nach fünf Stunden wurden sie freigelassen. r.l.