DICHTER NEBEL UM DAS VERSCHWINDEN DER INDYMEDIA-SERVER

von Jens Steiner
aus telegraph #111

Es klingt wie ein schlechter Polit-Thriller. Ende Mai 2003 demonstrieren tausende Menschen in Genf gegen den G8-Gipfel im benachbarten Evian. Die Schweizer Polizei versucht die Proteste mit aller Gewalt zu unterbinden. In einer illegalen Aktion stürmen vermummte Schweizer Polizistinnen und Polizisten in Zivil das unabhängige Medienzentrum im Genfer Kulturhaus l’Usine1. Zwei Beamte lassen sich vor der Erstürmung des Hauses fotografieren. Wie ihre Kollegen führen sie einen Motorradhelm und Halstücher mit sich. Bald taucht dieses Bild im Internet auf. Alles deutet darauf hin, dass die beiden zu den vermummten Polizisten gehören, die an der Razzia im Kulturhaus beteiligt waren und Ausschreitungen provoziert haben. Das Foto erscheint auf einer der französischen Seiten des weltweiten Indymedia-Netzwerkes. Illegal ist das nicht. Doch nicht die Beamten sondern die französische Website nantes.indymedia.org rückt in den Mittelpunkt der Untersuchungen der Staatsanwälte in der Schweiz und Italien2. 

16 Monate später
Am Mittwoch, dem 22. September 2004, tritt das FBI erstmals mit der Firma Rackspace Managed Hosting in Kontakt. Rackspace ist ein Hosting Provider mit Filialen in San Antonio, Texas und London Heathrow. Laut Rackspace behaupten die Geheimdienstler, dass die auf den „AHIMSA“-Servern gelegene Seite nantes.indymedia.org persönliche Informationen über zwei Schweizer Undercover-Polizisten enthält, aber auch Anschuldigungen gegen sie. Daraufhin prüft der zuständige System-Administrator die betreffenden Artikel. Diese enthalten aber nur Fotos. Keine Namen, keine Anschuldigungen und auch sonst keine persönlichen Informationen. Auf den Bildern sind die beiden Männer nicht von anderen Protestierenden oder normalen Einwohnern der Stadt zu unterscheiden.

Nachdem die Schweizer Behörden mit nantes. indymedia.org in Kontakt treten, werden die Gesichter der Männer auf den Fotos unkenntlich gemacht.3

Am Freitag, dem 01. Oktober 2004, besucht das FBI den Verantwortlichen der Seite seattle. indymedia.org, Devin Theriot-Orr. Wieder behaupten die FBI-Agenten, auf nantes. indymedia. org seien Anschuldigungen und persönliche Informationen über Genfer Zivilpolizisten und deren Adressen und Telefonnummern zu finden. Während dieses Treffens stellt der FBI-Agent Eric Mueller klar, dass mit den Fotos alles in Ordnung sei und kein Gesetz verletzt wurde. Man handele lediglich im Auftrag der Schweizer Regierung. Theriot-Orr macht die FBI-Leute darauf aufmerksam, dass Indymedia Seattle keinen Einfluss auf Indymedia Nantes hat und sie sich schon direkt dorthin wenden müssten.

Jennifer O’Connell ist Managerin bei Rackspace. Vier Tage später, am Dienstag den 05. Oktober, schreibt sie in einer Erklärung an Indymedia: „Weder vom FBI noch von den Behörden in der Schweiz habe ich weitere Nachrichten erhalten. Ich denke, wir können die Sache abschließen.“

Nachdem nun die Gesichter der Männer unkenntlich gemacht sind und bewiesen ist, dass die Artikel keine persönlichen Informationen oder Anschuldigungen enthalten, scheint das FBI das Interesse verloren zu haben. Auch bei Indymedia gilt der Fall als erledigt.4 Der Schein trügt. Am Morgen des 07. Oktober 2004 verschwinden bei Rackspace Managed Hosting in London Heathrow zwei Großrechner.

„AHIMSA 1“ und „AHIMSA 2“ sind Server des Indymedia-Netzwerks, die von Rackspace zur Verfügung gestellt und eigenständig von Indymedia betrieben werden. Der erste Server wurde im September 2001 in Betrieb genommen, der Zweite im April 2003. Die Firma erklärt später, die Hardware sei vom FBI beschlagnahmt worden. Auf den Rechnern könnten sich Log-Daten des Urhebers des Polizisten-Fotos befinden. Außerdem habe das Gericht im Western District von Texas eine Nachrichtensperre über die Firma verhängt. Absolute Schweigepflicht für alle Rackspace-Mitarbeiter. Keine Informationen an Betroffene und Presse. „Gag Order“ heißt das im Fachjargon. Konsequenz der Operation: der Internet-Radiostream radio. uk1. indymedia.org mit seinen 10 Programmen und zwanzig Websites des Nachrichtennetzwerks Indymedia gehen offline. Betroffen sind auch syndicate.uk.org, die Seite des Flüchtlingsnetzwerks For Refugees www.foref.org und die Hauptseite der Linux-Distribution BLAG der Brixton Linux Action Group. Tausende Indymedia-Artikel und e-mails gehen verloren.

Die Indymedia-Nachrichtenseiten in England, den USA, Brasilien, Italien, Tschechien, Portugal, Spanien, Frankreich, Uruguay, Nizza, Kamerun, Polen, Serbien und Montenegro sind nicht mehr erreichbar.5 Auf der deutschen Indymedia-Seite fehlen plötzlich alle Fotos. Kurz vor Beginn des Europäischen Sozialforums in London bricht das wichtigste Standbein unabhängiger Berichterstattung außerhalb der Mainstream-Medien weg. Fachpresse, linke Zeitungen und Journalisten-Organisationen protestieren.6 „Ein Paradebeispiel für die Globalisierung der Strafverfolgung“, „Ein schwerer Schlag gegen die Pressefreiheit“, so die Schlagzeilen vieler Zeitungen und Online-Magazine. Eine Woche später tauchen die Server wieder auf.7

Wer in London die Stecker zog, wo die Rechner gewesen sind und was mit ihnen geschah, bleibt unklar. Das FBI, das britische Home Office und die Staatsanwaltschaften Italiens sowie der Schweiz distanzieren sich von dem Vorfall. Soviel zum Storyboard.

„Ich kann nur bestätigen, dass keine Strafverfolgungsbehörden aus dem Vereinigten Königreich an dieser Sache beteiligt waren.“, sagt Caroline Flint, Ministerin des englischen Home Office8. Der FBI-Sprecher Joe Parris gibt an, von AFP falsch zitiert worden zu sein, als er sagte, dass die Sache keine reine FBI-Operation gewesen sei und nur durchgeführt worden wäre, um der Schweiz und Italien einen Gefallen zu tun. Nun will das FBI gar nichts mehr mit der Sache zu tun gehabt haben. Im Vorfeld hatte die US-Behörde jedoch die Entfernung der Bilder gefordert, da sie „persönliche Informationen beinhalten“ würden9. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Genf schiebt die Schuld auf die italienische Amtskollegin Marina Plazzi. Die konservative Staatsanwältin aus Bologna ist bis zum 12. Oktober 2004 jedoch nicht bereit, den Vorfall weiter zu kommentieren. Seit einiger Zeit ermittelt sie gegen die „FAI“, die informelle Föderation der Anarchisten. Sie versuche einer Bombendrohung gegen EU-Kommissionspräsident Romano Prodi auf die Spur zu kommen, heißt es. Plazzi erhielt die Anweisung, Log-Dateien der auf italy.indymedia.org veröffentlichten Artikel zu besorgen10. Diese Daten lassen Rückschlüsse auf die Identität von Internet-Nutzern zu11. Deshalb habe man das FBI um Amtshilfe gebeten, sagte FBI-Vertreter Joe Parris jedoch in seiner ersten Stellungnahme. Italienische Indymedia-Aktivisten erklären, dass ein Anschlag auf Prodi nie Thema auf deren Website war und die FAI Indymedia nicht als Medium für Bekennerschreiben benutzt12. Eine Anfrage an Staatsanwältin Marina Plazzi zur rechtlichen Grundlage und Indizien für eine solche Operation blieb bislang unbeantwortet. Auch das britische Home Office und das US Department of State hüllen sich seit dem Auftauchen der Server in Schweigen.

Warum richtet sich das Augenmerk der Behörden gezielt auf das Indymedia-Netzwerk? Ein kurzer Blick auf die Geschichte der Independent Media Center (IMC), der unabhängigen Medienzentren. Alles begann 1999 während der Proteste gegen die Welthandelsorganisation (WTO) in Seattle. Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstrationen schilderten im Internet ihre Eindrücke und Erlebnisse beim „Battle of Seattle“. So wie sich die Menschen bei Reclaim-The-Street-Partys die Strasse zurückeroberten, bemächtigten sie sich nun auch der Medien. Das Internet erlaubte eine schnelle, transparente und hierarchiefreie Veröffentlichung von Nachrichten, Fotos, Videos und Radiobeiträgen. Keine Zensur, keine Redaktion, keine Schere im Kopf. Kein Bangen um Marktwert, Aktualität, Unterhaltungswert und Zielgruppenrelevanz der Nachrichten und Bilder.

Plötzlich waren alle Journalisten. Texte und Bilder im Internet zu publizieren war nun nicht mehr schwerer als eine e-mail zu verschicken. Die Grenze zwischen Medienmachern und Konsumenten verschwamm immer mehr13. Ein Stück von Brecht’s Utopie vom Arbeiter-Radio wurde Realität14. Die Idee des unabhängigen Medienzentrums verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Erst über die anderen US-Bundesstaaten, dann bis nach Afrika, Australien, Asien und Europa. Über 160 Indymedia-Center gibt es bereits. Manche decken kleine Regionen und Städte ab, andere ganze Länder. Sie arbeiten basisdemokratisch, unkommerziell, mit freier Software und fairen Lizenzmodellen.

Seit 2001 gibt es auch einen Indymedia-Ableger in Deutschland – als Website, Zeitung und Radiosendung. Politische und soziale Gerechtigkeit bilden den Themenschwerpunkt der Berichterstattung. Besonders bei wichtigen Ereignissen ist die unabhängige Berichterstattung der Aktivistinnen und Aktivisten auf der Straße den Mainstream-Medien um Meilen voraus. Der Aktualität und Vielfalt der Blickwinkel können die großen Agenturen und Produktionsfirmen wenig entgegensetzen15. Mit solch einem Konzept macht man sich so viele Feinde wie Freunde.

So ermittelt seit August 2004 der amerikanische Secret Service gegen Indymedia, da in einem Artikel die Hoteladressen verschiedener Delegierter des Republikaner-Parteitags in New York erwähnt wurden16. War der Sicherheitsdienst des US-Präsidenten der Initiator der Beschlagnahme von „AHIMSA 1+2“? Ausgeschlossen ist es nicht. Anwälte der American Civil Liberties Union (ACLU) wurden verpflichtet, dem Secret Service die e-mail-Adressen der Indymedia-Systemadministratoren, die von ihnen vertreten werden, auszuhändigen.17

„Diese Ermittlungsmethoden sind ein Mittel der Einschüchterung. Sie sollen den Aktivisten zeigen, dass sie einen hohen Preis dafür zahlen, wenn sie die Stimme erheben. Das Veröffentlichen von frei verfügbaren Informationen sollte kein Grund für Ermittlungen sein.“, sagte ACLU -Anwältin Ann Beeson im August 2004 gegenüber der USA Today18. Die amerikanischen Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste sahen das etwas anders. Ein Bundesgericht in New York City hatte im Spätsommer 2004 einen Vertreter des Webhosting Servers Calyx Internet vorgeladen. Dieser sollte Kontakt zu Indymedia-Aktivisten herstellen, nachdem Calyx-Präsident Nicholas Merril sich weigerte, Nutzerdaten zu bestimmten Indymedia-Artikeln offenzulegen. Schließlich wurde die Privatsphäre seiner Kunden bedroht. Etwa zeitgleich versuchten amerikanische Geheimdienste Indymedia-Log-Daten von einem niederländischen Provider zu erzwingen.19

Doch wer sind die Drahtzieher der Rackspace-Operation? Eine kurze Zusammenfassung. Das britische Innenministerium will von nichts gewusst haben. Das FBI wollte der Schweiz und Italien eine Gefälligkeit erweisen, hatte aber auch selbst ein Interesse daran, dass die Fotos der Zivilpolizisten verschwinden. Ein Gericht in Texas ordnete an, die Server beschlagnahmen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft in Genf will die Server nicht angefordert haben. Eine klare Spur führt ins rechtskonservative Italien.

In den vergangenen Jahren steckten die USA viel Kraft in den Abschluss von Amtshilfeabkommen mit verschiedenen Ländern der Welt. Offizieller Grund war die effektivere Bekämpfung von Terrorismus, organisierter Kriminalität und Korruption. Zum Einsatz kommen diese Verträge nun auch zur Einengung von Rede- und Pressefreiheit. Rackspace-Mitarbeiter Jason Carter sagt: „Grundlage für die Beschlagnahme der Server ist das MLAT-Abkommen zwischen den USA und Italien und der Titel 28, United States Code, Section 1782 für Ermittlungen, die ihren Ursprung nicht in den USA haben. MLAT steht für Mutual Legal Assistance Treaty und sichert den Strafverfolgungsbehörden beider Länder gegenseitige Unterstützung zu. Eine gerichtliche Anordnung für die Server-Beschlagnahme soll in San Antonio, Texas, dem Hauptsitz von Rackspace, ausgestellt worden sein.“ Mehr weiß Carter nicht und mehr darf er auch nicht sagen. Die gerichtliche Anordnung aus Texas steht unter Verschluss. Rackspace weigert sich bisher, eine Kopie des Durchsuchungsbefehls zu veröffentlichen20.

Zurück zum Polit-Thriller
Im Storyboard ist viel Platz für Spekulationen.
Die Harmloseste zuerst: die Staatsanwaltschaft in Bologna sucht nach Beweisen. Sie hofft diese auf den Indymedia-Servern „AHIMSA 1“ und „AHIMSA 2“ zu finden. Sie weiß, dass die Server bei der US-Firma Rackspace untergebracht sind. Den genauen Standort kennt sie nicht. Also bittet sie die US-Behörden um Unterstützung. Das Gericht in Texas findet schnell heraus, dass die Server nicht im amerikanischen Rackspace-Hauptquartier, sondern in der Londoner Zweigstelle stehen. Trotzdem wird die Anordnung durchgedrückt und eine stille Übergabe der Server in London an unbekannte Personen eingefädelt.21

Spekulation Nummer zwei
Die italienischen Behörden wussten ganz genau, dass die Server in London zu finden sind. „Alles ging so schnell. Wir hatten keine andere Wahl als die Server auszuhändigen.“, geben Rackspace-Mitarbeiter kurz nach dem Verschwinden der Rechner an. Die Zusammenarbeit Italiens mit US-Behörden erscheint bequemer als eine Kooperation mit England. Würde man das britische Home Office um Hilfe bitten, würde nicht das MLAT-Abkommen, sondern der Crime International Act 2003 gelten22. Die italienische Staatsanwaltschaft hätte den Stand der eigenen Ermittlungen, die Beweislage und Indizien gegenüber der Home Office Abteilung für Amtshilfe offen legen müssen. Doch wer will sich schon genauer auf den Zahn fühlen lassen, wenn die Ermittlungen eher ein politisches Ziel durchsetzen sollen als eine Straftat aufzudecken? Damit wäre aufgeflogen, dass italy.indymedia.org in keinem Zusammenhang mit der FAI oder Anschlagsplänen auf EU-Politiker steht und auf der Seite auch nicht darüber berichtet wurde.

Eine andere Sache wäre ins Rampenlicht gerückt worden. Die Server enthielten Daten des e-mail-Verkehrs mit Anwälten bezüglich der Ermittlungen gegen das Vorgehen der italienischen Polizei während des G8-Gipfels in Genua 200121/3. Es gibt genügend Personen und Instanzen, die ein großes Interesse daran haben, solche Informationen verschwinden zu lassen. Nur zu verständlich erscheint es, dass die italienische Staatsanwaltschaft, die unter Erfolgsdruck steht, sich in diesem Fall nicht mit dem britischen Home Office in Verbindung setzt. Schließlich wäre dies auch noch ein Verstoß gegen den Vertrag zur Regulierung von Ermittlungskräften (RIPA: Regulation of Investigatory Powers Act). Ein „Dazwischenfunken“ hatte man in den USA weniger zu befürchten als im Vereinigten Königreich.

Spekulation Nummer drei
Caroline Flint vom britischen Home Office sagt, dass keine englische Polizeibehörde in Ermittlungen gegen Indymedia verwickelt sei 8. Wer waren nun die unbekannten Personen, die die Verbindung von „AHIMSA 1+2“ gekappt haben? Welche britische Institution hat in England polizeiliche Befugnisse, gilt aber nicht als Polizeibehörde? Das könnte auf die bereits erwähnte Mutual Legal Assistance Einheit zutreffen22. Diese Einheit kann allerdings auch ohne Anfrage aus den USA, Italien oder der Schweiz agieren. Wie die britische Zeitung The Register berichtet, wäre es theoretisch auch möglich gewesen, auf alle Informationen, die auf den Servern in London gespeichert waren, auch von den USA aus zuzugreifen3. Stattdessen wurden die „AHIMSA“-Server in London übergeben oder entfernt. Wenn es sich um eine Übergabe gehandelt haben sollte, bewegte man sich in einer rechtlichen Grauzone. Wenn sie ohne Kenntnis von Rackspace verschwunden sein sollten, handelt es sich eindeutig um Einbruch und schweren Diebstahl. Eine Straftat unter staatlichem Deckmantel? Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Rechner von britischen Behörden entfernt und zum FBI in die USA gebracht wurden. Dort ging man dem Auftrag der italienischen Staatsanwaltschaft nach und durchforschte die Daten auf den Computern. Die gewünschten IP-Adressen der Indymedia-User waren aber nicht aufzufinden. Wie auch, wenn die IMC’s keine Log-Dateien speichern?

Eine Genehmigung der Beschlagnahme gab es weder in England noch in Italien oder der Schweiz. Also kehrten die Server nach einer Woche erfolgloser Suche wieder zurück ins Londoner Rackspace Office. Es ist die wahrscheinlichste aller Thesen, denn am 13. Oktober 2004 soll Staatsanwältin Plazzi in Italien zugegeben haben, dass sie das FBI mit der Beschaffung von IP-Adressen auf dem Server beauftragt, jedoch keine Beschlagnahme von Hardware verlangt habe.

Das FBI erklärte, der Serverausfall sei zustande gekommen, als Rackspace die Rechnerdaten auf „AHIMSA 1+2“ kopierte. Ermittlungen gegen Indymedia würden das FBI oder andere US-Behörden jedoch nicht führen22.

Vielleicht liegen auch alle bisherigen Spekulationen fern ab der Realität. Wer auch immer für das Verschwinden von „AHIMSA 1+2“ verantwortlich ist, ist zu weit gegangen. Die Operation ist eindeutig ein Angriff auf die Pressefreiheit, freie Meinungsäußerung und Privatsphäre. Klare Gesetzeswege werden verwischt, Zivilrechte untergraben und Kommunikationsrechte beschnitten. Diese Ansicht teilen auch 12.500 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner auf solidarity. indymedia.org.

Sie fordern volle Aufklärung über die Namen der an der Beschlagnahmung beteiligten Organisationen und Einzelpersonen, eine Kopie des Strafbefehls und eine Untersuchung über die Legalität der Aktion durch unabhängige Gremien. Weiterhin fordern sie, das alle Kopien der beschlagnahmten Daten gelöscht oder an Indymedia zurückgegeben werden und das Indymedia eine Liste derjenigen Personen erhält, die Zugriff auf die Daten der Festplatten hatten23. Nachdem die Server wieder auftauchen, behandelt Rackspace sie als gehackte Rechner und entschuldigt sich bei Indymedia. Die Electronic Frontier Foundation (EFF) untersucht die Computer auf Sicherheitslücken und Eingriffe. In England wird nun gegen Rackspace London ermittelt. Es soll geprüft werden, ob die Firma gegen das britische Datenschutzgesetz verstoßen hat. Medienaktivisten haben bereits zu einem Boykott gegen Rackspace aufgerufen.

Vielleicht lässt sich das Storyboard später, wenn viel Gras darüber gewachsen ist, doch noch als spannender „Whodunnit“-Politthriller ausschlachten. Bis dahin sollten uns die Worte des EFF-Anwalts Kevin Bankston zu denken geben:

„Wenn sich eine Regierung oder eine Behörde in einem solchen Fall über geltendes Recht hinwegsetzen kann, sollte jede Nachrichtenagentur und jeder Verlag die Ohren spitzen. Wer ist der Nächste?“

Jens Steiner ist als Musiker, Buchautor, freier Journalist und Medienaktivist in Deutschland, Russland, Belarus tätig.

[1] v2v Team: „Einmal Genf und zurück“. indy.de 03.06.03. http://de.indymedia.org//2003/06/55030.shtml Videos: http://www.geneva03.org/static/live.ram http://www.kanalb.de [2] yetzt: „FBI beschlagnahmt Festplatten von IMC-Server“. 14.10.04 http://de.indymedia.org/2004/10/96036.shtml. [3] John Lettice: „The Tale of the servers that nobody seized“. The Register. London 22.10.04. http://www.theregister.co.uk/2004/10/21/indymedia_home_office_denial/page2.html John Lettice: „Indymedia seizures: a trawl for Genoa G8 trial cover-up?“ The Register. London 14.10.04. http://www.theregister.co.uk/2004/10/14/ indymedia_seizure genoa_connection/ [4] „FBI Seizes IndyMedia Servers. Reasons Unknown“. PhillyIMC 08.10.04. http://www.phillyimc.org/article.pl?op= Print&sid=04/10/08/1818236& amp; mode= thread [5] „FBI seizes Indymedia Servers in UK“. Indymedia.org 15.10.04, http://www.indymedia.org/de/static/fbi.shtml [6] Harald Neuber: „FBI schaltet Indymedia weltweit ab“. Junge Welt 09.10.04 http://www.jungewelt.de/2004/10-09/006.php [7] Harald Neuber: „Internationaler Schlag gegen die Pressefreiheit“. Telepolis.de 11.10.04 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/18534/1.html Indymedia: „Beschlagnahmte Festplatten zurück, Hintergründe unklar“. Heise.de 14.10.04. http://www.heise.de/newsticker/meldung/52130 Florian Rötzer: „Im internationalem rechtlichen Niemandsland“. Telepolis.de 28.10.04 [8] Antwort auf eine Nachfrage des britischen Parlamentariers Richard Allen, http://www.richardallan.org.uk/ [9] Cecilia Frank: „20 „Indymedia“-Dienste abgeschaltet. Betreiber des unabhängigen Netzwerks befürchten Auftakt einer Repressionswelle“. rbi-aktuell.de 20.10.04 [10] z.: „Offizielles und Gegenkräfte“. Indy.de 15.10.04 http://germany.indymedia.org/2004/10/96308.shtml [11] http://de.wikipedia.org/wiki/IP-Adresse [12] passenger: „Bekennerschreiben der FAI“. indy.de .11.01.04., http://de.indymedia.org/2004/01/71608.shtml „Repression in Süditalien: 42 Ermittlungsverfahren wegen ‚Subversion’“. Nadir 17.11.04 http://www.nadir.org/nadir/aktuell/2002/11/17/13147.html [13] Mission Statement von de.indymedia.org http://germany.indymedia.org/static/ms.shtml Confirmed Bologna’s ties and FBI excess. Milwaukee IMC 14.10.04. http://milwaukee.indymedia.org/en/2004/10/201920.shtml [14] Bertolt Brecht: „Radiotheorie. 1927 bis 1932. Gesammelte Werke.“ Frankfurt am Main. 1967. S.177 ff. [15] Beispiel für aktuelle Berichterstattung auf indymedia: Tag X in Gorleben.04.11.04 http://de.indymedia.org/2004/11/97357.shtml [16] Robert Mc Millen: „Feds sting Movie“. Washington Post 01.07.04., http://www.washingtonpost.com/ac2/wp-dyn/A52080-2004Sep1?language=printer. Susann Schmidt: „Publication of Personal Information Probed“. Washington Post 31.08.04. S. A08. http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/articles/A47761-2004Aug30.html [17] „Gov’t Attempts Subpoena For Indymedia Logs – Service Provider Refuses“. indy.org 31.08.04. http://www.indymedia.org/en/2004/08/111732.shtml [18] Curt Anderson: „Posting of GOP delegate data investigated.“ USA today. 31.08.04. http://www.usatoday.com/tech/news/internetprivacy/2004-08-31-indymedia-posts-addys_x.htm [19] Joe Figueiredo: „Public prosecutor demands log data from Indymedia Nederland“. DMeurope.com 21.10.04. http://www.dmeurope.com/default.asp?ArticleID=3947 Nicholas Merrill: Free Spreech. ACLU.org 30.08.04 http://www.aclu.org/FreeSpeech/FreeSpeech.cfm?ID= 16332&c=86 [20] „Indymedia Server Seizes Initiated in Europe“. Slashdot.org http://yro.slashdot.org/yro/04/10/10/1716256. shtml?tid=153&tid=95&tid=149&tid=103&tid=17 US State Department: „Mutual Legal Assistance in Criminal Matters Treaties and other Agreements“. http://travel.state.gov/law/mlat.html [22] Kevin Bankston: „Indymedia Server Seizures“. EFF. http://www.eff.org/Censorship/Indymedia/ [23] http://solidarity.indymedia.org.uk [24] http://nantes.indymedia.org/article.php3? id_article= 3910 [25] Florian Rötzer: „FBI forderte von Indymedia alle Logfiles“. 30.04.01. http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/on/7502/1.html

© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph