THINK TANKS, TREFFEN UND MEDAILLEN

von Georg Young
aus telegraph #111

Ich verfüge über die zuverlässige Information, dass Sinn Fein und die Irisch-Republikanische Armee „Think Tanks“ ins Leben rufen wollen, um zu diskutieren, wie es für die Leute weitergehen soll, die demnächst zu Ex-Freiwilligen werden, sobald der finale Akt der Dekommissionierung vollzogen und die IRA aufgelöst wurde. 

Mir wurde zugetragen, dass sie viel Geld ausgeben wollen, um in Hotels im ganzen Land Zusammenkünfte von Ex- und Noch-Mitgliedern einzuberufen und deren Meinung zu hören über die Entscheidung der Führung, die „Privatarmee“ aufzulösen und somit den Unionisten keinerlei Vorwand mehr zu liefern, die Diskussion über den Friedensprozess nicht fortzusetzen.

Den mir vorliegenden Berichten zufolge sollen diese Treffen in einer riesigen gesamtirischen Versammlung aller ehemaligen Gefangenen aus der IRA kulminieren, was die Frage aufwirft, warum ausschließlich ehemalige Gefangene? (Ich frage mich sowieso, wo das ganze Geld herkommt, Öl vielleicht?) Ist es so, dass einer, der zu Unrecht inhaftiert war (was bei vielen der Fall war) oder während einer militärischen Operation festgenommen wurde, höheres Ansehen genießt als jemand, der nie festgenommen und inhaftiert wurde? (Merkwürdiges Kriterium?)

Es gehen auch Gerüchte um, wonach alle Ex-Freiwilligen, die zwischen 1970 und heute im aktiven Dienst waren, eine Medaille bekommen sollen. Auch dies wirft ein paar Fragen auf. Was soll die Qualifikation für eine Medaille außer der eines Ex-Gefangenen sein?

Werden die Medaillen nach der unterschiedlichen Rangordnung vergeben werden? Heißt das, dass Martin McGuinness eine Medaille bekommt, Gerry Adams aber nicht, weil er stets geleugnet hat, ein Mitglied nämlicher Armee gewesen zu sein? Hier kommt der Gefangenenaspekt ins Spiel, denn Gerry kann nicht leugnen, dass er Gefangener war.

Was ist mit denjenigen, die von den Sicherheitskräften im aktiven Dienst getötet wurden oder gar mit jenen, die nicht an einer Aktion beteiligt, aber im Rahmen der britischen „Shoot-to-Kill“-Politik erschossen wurden? Werden sie posthum geehrt werden?

Was ist mit den Familien der „Ten Men Dead“ (den während des Hungerstreiks des Jahres 1981 gestorbenen Gefangenen; d. Ü.)? Wird es eine besondere Medaille für Frauen, Mütter, Väter, Brüder und Schwestern geben, die zusehen und leiden mussten, während ihre Liebsten einen qualvollen Tod starben?

Wird es eine besondere Auszeichnung für Paddy Magee geben? Hat doch, wie Paddy während seiner jährlichen Tour anlässlich des Jahrestages des Bombenanschlags von Brighton (auf Ex-Premierministerin Maggie Thatcher & Co., d. Ü.) immer wieder verkündet, seine Aktion mehr zum Friedensprozess beigetragen als die aller anderen. (Ist die Antwort eine Sünde?)

Wird es Medaillen für die Freiwillen von Sinn Fein geben, für Mary Lou McDonald, Bairbre de Brun und den Freiwilligen der Royal Ulster Constabulary (dessen Name mir gerade entfallen ist, was nur zeigt, wie sehr mich die Sinn Fein-Mitgliedschaft interessiert). Ich meine, der Typ von der RUC war doch im aktiven Dienst, wenn er auch damals auf uns geschossen hat. Aber spielt das wirklich eine Rolle?

Was ist mit Scap (Freddie Scappaticci, Deckname: Stakeknife, IRA-Mitglied und vermeintlicher Kollaborateur mit der Force Research Unit des britischen Geheimdienstes; d. Ü.)? Wird es ihm ermöglicht werden, aus seinem Versteck irgendwo in Europa zurückzukehren, begeistert begrüßt von den anwesenden treuen Anhängern? Hat er doch ganz sicher neben anderen in den höheren Rängen der republikanischen Bewegung mehr für die Niederlage der IRA getan als andere und somit das Karfreitagsabkommen ermöglicht.

Oder Raymond Gilmour (ein Informant der Briten in der IRA; d. Ü.), hätte er nicht eine Medaille verdient? Nun, er diente schließlich in der IRA, war für sie aktiv. Warum sollte Ray nicht erscheinen und seine Auszeichnung entgegen nehmen?

Ich darf hoffentlich sagen, dass die Leute von Sinn Fein eine Menge von den Briten gelernt haben in den zehn Jahren, in denen sie die Reste von deren Tisch essen durften. Erstens haben sie gelernt, dass die Menschen, die zu repräsentieren sie gewählt werden, nur zählen, wenn eine Wiederwahl ansteht. Und zweitens gibt es nichts, was die Massen mehr erregt als eine gute altmodische Preisverleihungszeremonie. Man schaue sich nur die Oscar-Preisverleihung oder die der British Academy of Film and Television Arts an.

Pomp und Prunk, nationalistischer Trubel und Rummel, es ist egal, ob man gewinnt oder verliert, dabei sein ist alles. Selbst wenn du verlierst, gestehe es nicht ein, genieße deine Riesenparty und verhalte dich, wenn es auch so aussieht, als hättest du verloren, allen gegenüber so, als hättest du gewonnen, und um den Mythos zu bekräftigen, verleihe allen eine Medaille, so dass sie diese in den kommenden Jahren ihre Enkeln zeigen und sagen können: „Ich habe im Krieg gekämpft, und wir haben gewonnen, hier, sieh dir die Medaille an, die ich bekommen habe. Man bekommt keine Medaille, wenn man verloren hat.“

Glaubt mir, wenn ich sage, wir haben den Krieg verloren, und wir haben ihn dank einer Führung (nicht deren in toto) verloren, die Deals mit dem Feind aushandelte, lange bevor überhaupt eine Diskussion der Basis stattfand, darüber, ob wir überhaupt Diskussionen über einen Waffenstillstand akzeptieren würden.

Zum Schluss eine Frage, die meines Erachtens gestellt werden muss. Wie viele, Hand aufs Herz, Republikaner, glaubt ihr, werden eine Einladung zu ihrer gekünstelten Ordensverleihung annehmen?
Ich kenne einen, der sie definitiv nicht annehmen wird.
Tiocfaidh-Ar-La!

Übersetzung von Jürgen Schneider.

(The Blanket, 7. Oktober 2004)

© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph