„DREI MANN SIND EINE BANDE“

von Knofo
aus telegraph #115

Mit diesem Satz begann die Beschreibung des Tatbestandes im Vorgänger des Paragraphen 129 im Reichsgesetzbuch von 1871. Damit konnte Bismarck vortrefflich Jagd auf Sozialdemokraten und anderes linksradikales Gesindel machen. Mittlerweile gibt es auch den 129a, und wer „a“ sagt, muss auch „b“ sagen usw. So weit, so schlecht. Kommen wir zur Sache.

Natürlich ist es wichtig, sich zu Zehntausenden auf dem Alex zu versammeln, um zu deklamieren: Nöö, wir wollen lieber etwas weniger bespitzelt werden. Aber was bringt es?
Der rote Faden in der Geschichte der sogenannten westlichen Demokratien wird von den Besitzenden und ihren korrupten Lakaien in den Parlamenten gesponnen. Ohne größere „Sicherheit“ kein größeres Geld. Also können Zehn- oder Hunderttausende auf die Straße gehen, das kratzt die nicht und geht sowieso vorbei. Egal ob eine Million Leute im Bonner Hofgarten gegen den Nato-Doppelbeschluss demonstrieren – er kam. Egal ob Zehntausende 1969 gegen die Notstandsgesetze demonstrierten – wir haben sie. „Großer Lauschangriff“, „Kontaktsperregesetz“, „Gedankenpolizei“, „der gläserne Bürger“ – alles bereits vorhanden. 1970 war offi ziell in Westberlin die Rede von 200 abgehörten Telephonen – in Wirklichkeit waren es knapp 4000. Immerhin sind wohl 200 davon mit richterlicher Erlaubnis gesegnet gewesen. Heute ist in Berlin von 1.800 (oder waren´s 180?) abgehörten Anschlüssen die Rede – gähn. Warum hatte die Westberliner Polizei schon ab Mitte der Sechziger Nato-Sturmgewehre und Handgranaten und Maschinengewehre in ihren Arsenalen, nebst detaillierten Lageund Einsatzplänen für die großen Fabriken im Schrank – Jahre vor dem Inkrafttreten der Notstandsgesetze? Warum hatte jeder Westberliner Bereitschaftsbulle einen Stahlhelm im Spind (Wehrmachtsmodell)? Woher kamen am 1. Mai 1987 auf einmal die mit Wurfbecher versehenen G1-Gewehre, mit denen dann die CN- und CS-Granaten verfeuert wurden, nachdem den „normalen“ polizeilichen Teilen (Smith & Wesson, M 40) die Munition ausgegangen war? Derweilen saßen die französischen Soldaten (die waren den Monat „in charge“) in Tegeler Kasernen auf Lastwagen, bereit zum Abrücken, jeder Mann mit 60 Schuss scharfer Munition versehen (darüber gibt es eine eidestattliche Versicherung zweier Poilus).

Internetbespitzelung? Satellitenortung? Richtmikrophone? Miniwanzen und Kameras hinter der Tapete? – Kinderkram. „You don´t have to be a paranoid to know that they are out there to get you“. Und wahrscheinlich ist die Fiktion schon längst von der Realität eingeholt worden. Alles, was technisch machbar ist, IST bereits im Einsatz, ob mit oder ohne gesetzliche Grundlage. Das ist einfach mal Sache. Und damit sind wir am Kern des 50 telegraph 115 2007 Pudels.

Wer sein „Handy“ immer noch nicht in der Spree versenkt hat, sollte wissen, dass es auch ausgeschaltet zu orten ist. Und Schlaumeier, die auch noch den Akku rausnehmen, sollten wissen, dass das Ding – entsprechend präpariert – auch dann noch zu orten ist.

Jedes Festnetztelephon (das gilt natürlich heute auch für Mobiltelephone) ist durch winzige Manipulationen – auch von außerhalb – in ein perfektes Raumüberwachungsmikro zu verwandeln. Das dumme Ding sieht dann nur so aus, als ob es aus wäre. Solche Tricks habe ich schon vor fast 40 Jahren als Fernmeldelehrling bei der Post gelernt.

Wanzen und Minikameras in Räumlichkeiten sind eigentlich nur noch von Profi s mit High-Tech-Geräten zu orten. Ein normales Feldmeter reicht höchstens für das Equipment aus dem letzten Jahrtausend.
Post wird mitgelesen. Deine Bankkarte hinterläßt Spuren mit Schuhgröße 54. Dein Rechner kotzt sein gesamtes Innenleben auf den Seziertisch der Spitzel, wenn die das wollen. Und Deine Mails kannst Du auch gleich an eine Litfaßsäule nageln.

„Sprecht leise, haltet Euch zurück, ihr seid belauscht mit Ohr und Blick.“
(der Gefangenenchor in „Fidelio“)

Was tun?
Wenn Du etwas wirklich Heimliches mitzuteilen hast, also z.B. den Eröffnungszug von Kasparow in dem legendären Spiel 1969 gegen Dingsbums in Samarkand, dann vergiss alle modernen Kommunikationsmittel. Halte Deine Festplatte schlank, geh´ zum Surfen ins´s Internetcafe. Oder mach´ mal wieder einen schönen Spaziergang oder eine Bergwanderung. Das ist auch gesünder für Euch Stubenhocker.

Aber als unbescholtene Bürger, die nichts zu verbergen haben, kann der Spieß auch umgedreht werden. Informationen müssen letztendlich immer noch von Menschen ausgewertet werden. Von der Menge der Informationen hängt es ab, wie effektiv die Auswertung sein kann. Lasst uns die Spitzel ergo mit Informationen zuscheißen. Das lässt sich sowohl beim Mailen als auch beim Telephonieren vorzüglich arrangieren. Dazu muss man/frau wissen, wie die Spitzelei funktioniert. Früher hießen die Maschinen „Ampex“, das waren Stimmaktivierte Sprachcomputer im Fernmeldeamt 1 in der Winterfeldstraße, die hunderte von Gesprächen parallel überwachen konnten – fi el eins der hundert schlimmen Wörter, schaltete das Ding das Band ein. Und das muss dann ausgewertet werden. Du willst also mit Deiner Süßen/Deinem Süßen einen längeren Plausch führen. Das Bier ist geöffnet, die Kippen gedreht, los geht´s. „Also, meine Liebste, Al Quaida hat schon wieder zu wenig Bomben geliefert und die Munition für das Maschinengewehr ist fast alle. Hast Du das Ammoniumnitrat kühlgestellt? Welchen Hauptbahnhof wollten wir eigentlich zuerst sprengen? Den Bielefelder oder den in Sindelfingen? Achso. Naja, ich bring Dir auf jeden Fall morgen die Zeitzünder mit, sei ja pünktlich um 17.31 Uhr an der Weltzeituhr. Erschrick nicht, ich werde ein rosanes Hawaihemd anhaben!“

So´ne kleine Overtüre dauert kaum 10 Sekunden, dann könnt Ihr Euch auf das Sechseinhalbstundengespräch über Omas Rheuma, den Keuchhusten von Sittich Alfons und die Sonderangebote bei Aldi konzentrieren. telegraph 115 2007 51 Wozu die ellenlangen Elaborate über Schimären wie „Staatsrecht“, „parlamentarische Kontrolle“, „Grundgesetz“ etc. Die Machthaber heißen Machthaber, weil sie Macht haben und deshalb alles machen können.

Überlegt Euch lieber, was WIR machen können.

Knofo ist Autor in Berlin, er ist Gründungsmitglied der „Bewegung 2. Juni“.

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