Informationsstelle Militarisierung
aus telegraph #115
In den letzten Monaten sah sich die Informationsstelle Militarisierung (IMI) einer existenziellen Bedrohung ausgesetzt. Die Schwierigkeiten fingen bereits im Februar 2006 an, als das Finanzamt Tübingen die Ausstellung eines Freistellungsbescheids und hiermit die Anerkennung der Gemeinnützigkeit verweigerte. Als Grund wurde genannt, eine seinerzeit noch nicht näher spezifizierte Behörde hätte Zweifel an der Verfassungstreue des Vereins erhoben.
Trotz mehrmaliger Aufforderung, diese Vorwürfe näher zu konkretisieren, herrschte lange Schweigen im Walde, bis das Tübinger Finanzamt mit einem Schreiben vom 11.5.2007 mitteilte, es beabsichtige der IMI die Gemeinnützigkeit für die Jahre ab 2001 zu versagen. Als Begründung diente nunmehr nicht mehr der – haltlose – Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit, sondern es wurde argumentiert, die Arbeit des Vereins sei zu stark von allgemeinen tagespolitischen Themen dominiert und deshalb nicht gemeinnützig. Darüber hinaus drohte das Finanzamt, den Verein für die entgangenen Steuern mit 40% auf alle Spendeneinnahmen seit 2001 haftbar zu machen, was faktisch das finanzielle Aus bedeutet hätte.
Dass dabei eine – bis dahin weiterhin ungenannte – Behörde den Anstoß für einen solchen Prozess geben kann, war nur ein problematischer Aspekt unter Vielen. Denn darüber hinaus bestand die Gefahr, dass hiermit ein Präzedenzfall hätte geschaffen werden können, der besagt hätte, dass innerhalb friedenspolitischer Tätigkeiten bei tagespolitischen Äußerungen der Verlust der Gemeinnützigkeit droht. Hätte dies Schule gemacht, wäre es eine Keule, die nahezu beliebig gegen weitere zivilgesellschaftliche Gruppen gezogen werden könnte.
Der Argumentation des Finanzamts wurde entgegnet, dass sämtliche von IMI veröffentlichten Texte einen Bezug zu den – als gemeinnützig anerkannten – Satzungszwecken Frieden und Völkerverständigung haben, also keineswegs „allgemeiner“ Natur sind – IMI äußert sich bspws. nicht zu Krippenplätzen o.ä.. Da diese Ziele darüber hinaus durch tagespolitische Entscheidungen in Gefahr sind, ist es sogar zwingend notwendig, hierzu auch aktuell Stellung zu nehmen. Dies ist im Übrigen auch explizit zulässig, solange es der Verwirklichung der Satzungsziele dient.
Vor diesem Hintergrund starteten wir eine Kampagne, um die Öffentlichkeit über unsere Situation zu informieren, was erfreulicherweise zu sehr vielen Solidaritätserklärungen und Presseartikeln führte, die u.a. auch dem Tübinger Finanzamt zugingen. Diese Unterstützung blieb offensichtlich nicht ohne Wirkung, denn mittlerweile hat das Tübinger Finanzamt die Gemeinnützigkeit wiedererteilt. Dem vorausgegangen war ein Gespräch mit dem Leiter des Finanzamtes und den zuständigen Mitarbeitern, zu dem es wohl insbesondere aufgrund der Flut von Schreiben in unserer Sache an das Finanzamt kam. Auf diesem Treffen wurde uns mitgeteilt, dass es das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg war, welches den ursprünglichen Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit gegen uns in den Raum gestellt hatte, allerdings ohne diesen in irgendeiner Weise erhärten zu können. Auch wurde bestätigt, dass es ohne diesen Vorwurf nicht zu einer Überprüfung unserer Gemeinnützigkeit aufgrund unserer vermeintlich zu häufigen tagespolitischen Äußerungen gekommen wäre. In dem Gespräch ließen sich die Vertreter des Finanzamts dann erfreulicherweise davon überzeugen, dass die IMI die Kriterien für die Gemeinnützigkeit erfüllt.
Auch wenn dieser Angriff auf uns letztendlich fehlgeschlagen ist, sehen wir ihn als Bestätigung dessen, vor dem wir seit längerem warnen: Unser letzter Kongress trug den Titel: „Staat im Krieg – Krieg im Staat. Wie der neue Kolonialismus den Krieg nach Hause bringt“. Hier haben wir den Abbau von Grund- und Menschenrechten sowie den zunehmenden Einsatz des Militärs im Inneren als logische Konsequenz der Militarisierung der Außenpolitik dargestellt. Ein Staat, der nach Außen gegen das Völkerrecht verstößt und sich an der Aufrechterhaltung von Protektoraten beteiligt, in denen unter militärischer Kontrolle und mit anti-demokratischen Strukturen neue Staaten aufgebaut werden sollen, wird auch im Inneren immer mehr Machtmittel gegen die eigene Bevölkerung mobilisieren. Die zunehmende Vernetzung zwischen Polizei und Geheimdiensten, das ausufernde Engagement der Bundesanwaltschaft sowie den Aufbau kaum kontrollierbarer zwischenstaatlicher Agenturen der Inneren und Äußeren Sicherheit werten wir als Symptome eines
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