Polens dorniger Weg in den Kapitalismus

von Tadeusz Kowalik
aus telegraph #118/119

Innere Bedingungen

Polen hat die politische Konjunktur des Umbruchs zwischen den Achtziger und Neunziger Jahren ganz gut genutzt. Das sowjetische Imperium neigte sich mit dem liberalen Michael Gorbatschow an der Spitze dem Niedergang zu. Dies eröffnete die Chance sich aus der Abhängigkeit zu befreien und das morsche System abzustreifen, das Polen zur fortwährenden Stagnation und politischen Konvulsionen verurteilte. Eine sehr gute Grundlage dafür bildete die Kultur von Verhandlungen und gesellschaftlichen Übereinkommen, die 1980/81 erprobt wurden. Das Übereinkommen des Runden Tisches vom Frühjahr 1989 bildete die Grundlage für Polens friedlichen Wechsel vom bürokratischen Sozialismus. Auf diese Weise wurden auch Grundlagen für friedliche Veränderungen in den anderen postkommunistischen Ländern1 geschaffen.

Die eingeschlagene Richtung der Veränderungen schien dabei jedoch in Einklang mit dem Program der „Selbstverwalteten Republik“ zu stehen, welches beim 1. Delegiertenkongress der Solidarniość beschlossen wurde. Weitaus schwieriger waren die ökonomischen Bedingungen, weil die Veränderungen in Zeiten der Hochblüte des marktwirtschaftlichen Reaganismus und Thatcherismus durchgeführt werden sollten.

Alle anderen Versionen des Kapitalismus wurden ohne jegliche Reflexion verworfen, obwohl bis zur ersten Hälfte des Jahres 1989 zahlreiche Anzeichen darauf hindeuteten, dass es auch in eine andere Richtung gehen konnte. Es war der Triumph einer Ideologie und Politik des freien Marktes über die Rechte der abhängig Beschäftigten. Dies führte zu einer steigenden Polarisierung zwischen Einkommen und Eigentum in der Gesellschaft.

Ungünstig waren auch die Verschiebungen im Kräftegleichgewicht, verursacht durch die schwächelnden Sozialdemokratischen Parteien in Westeuropa. In den wichtigsten Ländern haben über viele Jahre konservative Befürworter des freien Marktes das Sagen gehabt. Vielen Politikern, Ökonomen und Forschern schien es, dass die ganze Welt unweigerlich einem Prozess der „Amerikanisierung“ – also einer globalen freien Marktwirtschaft – ausgesetzt wurde.

Ein weiterer sehr ungünstiger Umstand war die ausländische „Schuldenfalle“, in der sich Polen wegen der unglücklichen Wirtschaftspolitik der Mannschaft des ZK-Vorsitzenden Edward Gierek befand. Diese hatte versucht eine Modernisierung durchzusetzen, die an ausländische Kredite angelehnt war. Die Schulden wuchsen ständig an, weil die Rückzahlungen seit Verhängung des Kriegszustandes ausgesetzt wurden. Dies führte unweigerlich zu einer Abhängigkeit Polens von ihren Gläubigern.

Die inneren Schwierigkeiten Deutschlands brachten zugleich auch eine weitere ungünstige Voraussetzung für Polen. Die über einige Jahrzehnte währende imponierende Wirtschaftsdynamik Deutschlands ging einher mit einem relativ hohem Grad an Gewährung von Arbeitnehmerrechten (Mitbestimmung der Arbeitnehmer). Das führte dazu, dass das west-deutsche Verfassungs-System über viele Jahre als modellhaft in Europa galt und auch in Polen sehr populär gewesen ist. Die Ökonomen Charles Hampden-Turner und Fons Trompenaars 2 haben in ihrem bekannten Buch: „Die sieben Kulturen des Kapitalismus“ den Vorzügen dieser Wirtschaftsform viel Enthusiasmus entgegengebracht. Sie gingen davon aus, dass deren Merkmale – niedrige Inflationsrate, starke Währung und Wirtschafts-Wachstum verbunden mit einer hohen sozialen Absicherung – sich über die gesamte Europäische Union ausgebreitet haben.

Unterdessen haben die gigantischen Schwierigkeiten bei der Vereinigung Deutschlands dieses Land aus der politischen Szene Europas ausgeschlossen. Es fehlte ihm an Energie und an Möglichkeiten, um auf der internationalen Ebene größere Initiativen und Aktivitäten einzubringen. Über dies hinaus haben sie eine Form der Vereinigung gewählt, die überaus kostspielig und wenig attraktiv war. Dies war vielmehr ein Ausverkauf oder eine Annexion denn eine partnerschaftliche Kooperation. Es ist schon paradox, dass eine damals am stärksten vergesellschaftete Ökonomie der Welt und die stärkste Volkswirtschaft in Europa, mit Ost-Deutschland, der ganzen Welt ein abschreckendes Beispiel für eine System-Transformation lieferte.

Zudem betrat Deutschland den Weg einer langjährigen Quasi-Stagnation, bei dem sie den Glauben an ihr eigenes Sozial-Modell verloren hat. In der Innen- und Außenpolitik hat Deutschland eine drastische Währungspolitik und den Abbau von sozialen Leistungen betrieben. Im Hinblick darauf gab es keinen Unterschied zwischen Theo Waigel, dem Finanzminister unter Helmut Kohl und dem sozialdemokratischen Minister Hans Eichel. Viele Beobachter vertreten die Auffassung, dass die deutsche Wirtschaft als Ergebnis dieser Politik unter einer ansteckenden „Eurosklerose“ 3 leidet. Der deutsche Sozialstaat, der in Zeiten der Hochkonjunktur aufgebaut worden war, kam ins Wanken.

Ein anderes Beispiel, das in Polen äußerst beliebt gewesen ist – das schwedische Modell – ist weniger eindeutig. Auch dieses hat in einem entscheidenden Moment seinen Glanz verloren. Die schwedische Wirtschaft hat in den ersten Jahren der vorhergehenden Dekade die tiefste Krise nach der großen Repression der Dreißiger Jahre erlebt. Das schwedische Modell kam unter ein starkes Feuer der Kritik. Und es war nicht abzusehen, ob dies eine vorübergehende Krise bleiben wird.

Offensichtlich kann nur vor diesem Hintergrund das sonderbare Schicksal einer Expertise polnischer Ökonomen erklärt werden.

Es war im Jahr 1989 während dessen sich diese Ökonomen daran machten das populäre schwedische Modell in eine verständliche Sprache zu übertragen 4. Sie bemühten sich herauszufinden, was vom schwedischen Modell auf Polen übertragen werden könnte. Eine Studiengruppe von neun Ökonomen begab sich auf Initiative des Wirtschaftlichen Konsultationsrates (Konsultacyjna Rada Gospodarcza), eines Beratungsgremiums der Regierung, bereits zwischen Ende Januar und Anfang Februar 1989 nach Stockholm. Als Ergebnis der Reise entstand ein umfangreicher 70-Seiten langer Bericht, in dem ziemlich detailliert die Bedeutung des schwedischen Modells für unser Land beschrieben wurde. Wenn auch der Bericht den Eindruck erweckt, dass er mit einer heißen Feder geschrieben wurde, stellt sich doch die Frage, warum er nur in Form von Kopien und das auch erst im Juni 1989 – also nach Beendigung der Verhandlungen des Runden Tisches – veröffentlicht wurde. Es ist nicht bekannt, ob und welche Teilnehmer der Verhandlungen des Rundes Tisches diesen zu Gesicht bekamen, obwohl deren Autoren an den Verhandlungen aktiv teilnahmen. Genauso wenig wissen wir, ob er vorher auf andere Weise zugänglich war. Die Einigung beinhaltete die Anerkennung des ersten Programms der Solidarność und des reformerischen Flügels der Polnischen Arbeiterpartei (PVAP). Dies spiegelte sich auch in den damaligen Wahlslogans wieder. Doch aufgrund des Zusammentreffens unterschiedlicher Bedingungen fiel die Wahl zu Gunsten des „Washington Consensus“.

Zugleich wurde deutlich, dass jegliche Versuche zumindest eines Dritten Weges, also einer sozialen Marktwirtschaft oder eines schwedischen Modells abgelehnt wurden. Zu dieser Wirtschaftsform bekannte sich deklarativ Tadeusz Mazowiecki. Diese Situation vermochte auch die polnische Verfassung nicht zu verändern, die sich nicht nur auf eine soziale Marktwirtschaft beruft, sondern auch eine lange Liste ihrer Eigenschaften aufzählt.

Schock ohne Therapie 

Im Herbst und Winter 1989 fielen die grundlegenden Entscheidungen, die eine abrupte Abkehr von den gesellschaftlich-ökonomischen Entscheidungen des Runden Tisches darstellten. Sie werden als der polnische Big-Bang – oder vielmehr als Schocktherapie bezeichnet.

Die programmatischen Grundlagen der neuen Regierung wurden im Oktober 1989 (als Beilage der Tageszeitung „Rzeczpospolita“) veröffentlicht und beruhten auf folgenden Aussagen: Die polnische Wirtschaft erfordert grundlegende Systemveränderungen. Das Ziel ist der Aufbau einer Marktwirtschaft in Annäherung an solche, die in hoch entwickelten Ländern existieren. Dies muss schnell und mit Hilfe von radikalen Maßnahmen erfolgen. Damit soll das für die Gesellschaft schwierige Übergangs-Stadium bedeutend verkürzt werden (Ministerium, 1989). Die Radikalität der Veränderungen durch die Mannschaft von Premierminister Leszek Balcerowicz zeigt sich schon allein durch die Art der Formulierung der grundlegenden Systemveränderungen in diesem Dokument. Hier die wichtigsten:

• Änderungen der Eigentumsverhältnisse in Anpassung an die Eigentumsstrukturen der hoch entwickelten Länder

• Vergrößerung der Selbstständigkeit der staatlichen Betriebe

• Volle Einführung der Mechanismen der Marktwirtschaft, besonders in der Form der Abschaffung der Preisbindung und jeglicher Reglementierung und obligatorischen Vermittlung

• Schaffung von Bedingungen für eine binnenwirtschaftliche Konkurrenz, durch eine gegen Monopole gerichtete Politik und völlige Freiheit bei der Neugründung von Betrieben

• Öffnung der Wirtschaft auf internationaler Ebene durch die Konvertierbarkeit des Złoty

• Schaffung eines Kapitalmarktes

• Schaffung eines Arbeitsmarktes

Wie sich später zeigen sollte, war dies die einzige komplette Veröffentlichung des Programmentwurfes, der später als „Balcerowicz – Plan“ bekannt wurde. Ende Dezember 1989 hat das polnische Parlament – der Sejm, in dem die Parteien des alten Systems die Mehrheit besaßen – fast einstimmig dem durch die Regierung vorgestellten Plan zugestimmt. Er trat am 1. Januar 1990 in Kraft. Die Art der Präsentation des „Balcerowicz – Plans“ und die Eile bei seiner Implementierung, haben es der Öffentlichkeit unmöglich gemacht die wesentliche Punkte und vor allen Dingen den Schock-Charakter  dieser Operation zu erfassen. Die endgültige Fassung dieses Programms konnte unter diesen Umständen öffentlich nicht diskutiert werden. Dies wiegt umso schwerer, als damit wichtigste Entscheidungen von historischer Tragweite gefällt wurden.

Viele Jahre später drückte es der damalige Vizepräsident des polnischen Parlaments (Sejm) Aleksander Małachowski (2001) lapidar folgendermaßen aus: „Wir waren wie Schafe, die zur Schlachtbank geführt wurden und ließen uns leicht durch die Versprechen der Politiker beeinflussen, die einen entscheidenden Einfluss bei der praktischen Einführung dieser schädlichen Lösungen hatten. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir uns während des sog. Übergangs-Parlamentes (Sejm Kontraktowy) mit der Schocktherapie Balcerowicz einverstanden erklärten (…) Balcerowicz (…) und sein Mentor [Prof. Jeffrey] Sachs haben uns Abgeordnete, die über keine Erfahrungen verfügten, einfach betrogen (…)“(5) Es war nur noch eine reine Formsache die Gewerkschaften zu benachrichtigen. Dabei weist sogar vieles darauf hin, dass Wałęsa – damals noch Vorsitzender der Gewerkschaft „Solidarność” – diesen Plan akzeptierte, bevor seine endgültige Version erarbeitet war6. Das überwältigende Vertrauen der Bevölkerung gegenüber der ersten Nichtkommunistischen Regierung wurde mißbraucht.

Augen zu und durch 

Der Balcerowicz – Plan bestand eigentlich aus zwei verschiedenen Programmen: Der Stabilisierung und der Systemveränderungen. Der erste Teil, beruhte in seiner operativen Form auf Maßnahmen zur Schaffung eines Gleichgewichtes des Marktes, insbesondere im Hinblick auf eine Reduktion der Inflation. Die wichtigste Rolle spielen dabei drei stabilisierende Anker: Die sofortige inländische Umtauschmöglichkeit des Złoty mit seiner gleichzeitigen tiefen Abwertung (es wurde ein fester Umtauschkurs von einem Dollar zu 9.500 Złoty für 16 Monate festgelegt), eine drastische Einfrierung der Löhne auf niedrigem Niveau bei gleichzeitiger Einführung einer drastischen Strafsteuer auf „übernormative“ Lohnsteigerungen (popiwek). Im Januar 1990 betrug die Höhe des diesbezüglichen Index nur 0,3 und in den späteren Monaten nur 0,2. Dies bedeutete, dass die Lohnempfänger die Inflation nur in Höhe von 30% bzw. 20% der tatsächlichen Inflation rekompensiert bekommen haben. Die Preise stiegen im ersten Monat um fast 80% und wirkten sich massiv auf die Reallöhne aus. Die sog. Popiwek-Steuer erreichte in manchen Perioden sogar 500% der Lohnsteigerungen und erschreckte die Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermassen.

Auch die Bankeinlagen wurden nicht oder nur teilweise revalorisiert, wobei zugleich ein hoher Prozentsatz bei der Kreditvergabe eingeführt wurde. Eine schwere Last waren auch die ständigen Erhöhungen der Energiepreise.

Die Auswirkungen dieses Planes waren – mit einigen Ausnahmen im ersten und zweiten Jahr- weit entfernt von den Erwartungen. Zu den Ausnahmen gehörte ein sofortiges Gleichgewicht im Warensektor. Der drastische Preisanstieg und das reale Schrumpfen der Ersparnisse führten dazu, dass sich die Geschäfte blitzartig mit Waren füllten. Ein weiteres Ergebnis war die rasante Umorientierung der Industrie vom östlichen auf den westlichen Markt. Das Wachstum des Exports in den Westen rekompensierte den Niedergang des Exports in den RWG-Raum. Ein überragender Erfolg war weniger der Ausgleich im Staatshaushalt 1990, als die Erwirtschaftung eines beachtlichen Überschusses. Die übrigen Ergebnisse des drastischen Einschnitts bei den Investitionsausgaben von staatlichen Unternehmen sollten sich erst im späteren Verlauf zeigen.

Das „Durchstarten“ zeigte kolossale Wirkungen. Die Prognosen und Schätzungen divergierten mit den Wirkungen zumeist um Hunderte von Prozent. Hier die Aufstellung der wichtigsten Abweichungen.

Die jährliche Inflationsrate sollte Ende 1990 schon einstellig sein. Dieses Ergebnis wurde erst nach neun Jahren erzielt. 1990 betrug die Inflationsrate fast 600%. Das BIP sollte in diesem Jahr um 3,5% fallen, aber es fiel im ersten Jahr um 11% und im zweiten um 7%.

Der Rückgang der Industrieproduktion wurde mit 5% geschätzt, in Wirklichkeit war dieser fünf mal höher. Dies war das Ergebnis eines drastischen Produktionsrückgangs um 30% schon im ersten Monat der Einführung dieses Programms. Die Arbeitslosigkeit sollte vorübergehend sein und nur 400.000 Personen betreffen. Sie betrug jedoch im ersten Jahr über eine Million, im zweiten bereits zwei Millionen, um sich im dritten Jahr einer Zahl von drei Millionen arbeitslosen Menschen anzunähern. Dazu müssten wir eine große Anzahl von Menschen dazuzählen, die Frührentner wurden oder den Status von Erwerbsunfähigen erhielten und so aus der Statistik heraus fielen.

Obwohl in der Wende der Jahre 1989/90 kein „wertloses“ Geld mehr auf dem Markt vorhanden war, hat die Schockoperation die Reallöhne im ersten Jahr um mehr als ein Drittel gesenkt. Bis 1994 fielen diese stetig. Infolge der relativen Preissenkung für landwirtschaftliche Produkte, u. a. im Zusammenhang mit der Flut billiger, durch die EU subventionierter Produkte, sanken – im Vergleich zu Industrieprodukten – die Einnahmen der Bauern im ersten Jahr um die Hälfte und verringerten sich anschließend weiter.7

Die Diskrepanz zwischen den Annahmen des Planes und seiner Durchführung, hatte vor allem ihre Ursache in der falschen Einschätzung der sich schnell verändernden Situation durch die Regierung und ihre Experten. Insbesondere fehlte es an der Fähigkeit bestimmte Entwicklungen vorauszusehen.

Infolge der tiefen Rezession auf der einen und der übermäßigen Expansion des privaten Sektors auf der anderen Seite kam es in den Jahren 1990 bis 1993 zu einer „echten Revolution der Einnahmen“ (Ausdruck von Czesław Bywalec)8.

Angesichts dieser Tatsachen wird es niemanden verwundern, dass sich schon Mitte 1990 eine Soziologin und Politologin in der Zeitung „Tygodnik Solidarność” ernsthafte Sorgen gemacht hat: „Warum die Regierung Mazowiecki scheitern könnte?“(1990). Die Autorin ging davon aus, dass „die Bürger der Republik Polen soweit an der Restaurierung des Kapitalismus interessiert sind, insofern seine polnische Version der Gesellschaft als ganze oder zumindest seiner beträchtlichen Mehrheit, in einer verhältnismäßig kurzen Zeit, einen Zivilisations-Fortschritt gewährleistet … Ein Konzept, indem das Aufsteigen nur ein Angebot für wenige bedeutet, kann nicht mit einer anhaltenden Unterstützung rechnen“.9

Im Herbst 1990 hat Lech Wałęsa die wachsende Protestwelle geschickt für seinen Präsidentschafts-Wahlkampf ausgenutzt und dadurch den Premier Tadeusz Mazowiecki besiegt, als den gefährlicheren und wenig bekannten Emigranten Stan Tyminński.

Als Präsident hat Wałęsa politische Krisen oft durch zahlreiche Wechsel der Regierung gelöst. (Wałęsa bezeichnete Premierminister als „Stossstangen“, die des Öfteren auszuwechseln seien und so als ein Substitut des Politikwechsels herhalten müssen.) In gerade einmal sechs Jahren hatte Polen sechs Premierminister und nicht weniger Finanzminister.

Im Licht dessen scheint die Auffassung begründet, dass die Schockoperation, welche hauptsächlich die Wirtschaft stabilisieren sollte, zu einem Mittel des Aufbaus einer neuen Struktur der Gesellschaft avancierte. Sie wurde ein effektives Instrument zur primären Akkumulation des Kapitals. In die Verarmung wurden zwei grundsätzliche gesellschaftliche Klassen gestürzt– die Lohnempfänger und die Landwirte.

Die neue Klasse der Eigentümer entstand nicht entsprechend dem Lehrbuch-Kanon dank schwerer Arbeit, Steigerung der Produktivität, einer puritanischen Sparsamkeit oder durch die Akkumulation von Kapital- Überschüssen.10

Die Anzahl der privaten Firmen verdoppelte sich. Doch, wie dies Henryk Domański11 untersucht hat, beteiligten sich bei den neuen privaten Betrieben bis zu 38% Arbeiter (davon 21% ungelernte und 17% qualifizierte). Dies war die Geburtsstunde einer Mittelschicht mit einem äußerst unterentwickelten Gesicht. Dies erklärt u. a. die massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im privaten Sektor. Da die Gewerkschaften, vor allem die „Solidarność”, ihren Schutzschirm über diesen gesellschaftlich empfindlichen Bereich ausbreitete, hat die Rezession die Arbeitervertretung drastisch geschwächt.

Unabhängig also von den tatsächlichen Intentionen der Schöpfer und an der Durchführung des Programms beteiligter Personen, handelte es sich dabei nicht nur um eine transformatorische Rezession – die nach János Kornai als unvermeidlicher Kostenfaktor von großen Veränderungen bezeichnet wird – sondern vielmehr eine rezessionistische Transformation. Die große gesellschaftliche Veränderung wurde mit Hilfe einer Rezession durchgeführt, die unbeabsichtigt zu einem Mittel der Polarisierung der Gesellschaft wurde. Der weitere Prozess der polnischen Transformation beruhte eher auf der Konsolidierung dieser Gesellschaftsform als einer Wiedergutmachung der Folgen des „Durchstartens“.12

Die Linke als Fortführerin

Warum wurden die oben erwähnten und in Polen sehr populären Optionen – die deutsche und die schwedische – durch die polnische Regierung ignoriert? Dies hatte viele Gründe. Eine große Rolle hatte dabei der „Exodus“ von Funktionären aus der gewerkschaftlichen „Solidarność“ zur Besetzung zentraler Regierungsposten und der Administration gespielt.

Sie hatten sich dabei bereits während der Zeit der Verhängung des Kriegsrechts 1981-1983 von der Mitglieder-Basis entfernt. Schnell wurden sie Sachverwalter der Ökonomie des „freien Marktes“. Die aus dem Untergrund emporkommende Gewerkschaft war dabei stark mit sich selbst beschäftigt. Deshalb versäumte sie es schnell auf Projekte und Maßnahmen „unserer Regierung“, des Senates und des Grossteil des Sejms, zu reagieren.

Auf der anderen Seite wirkten permanente Attacken der einstigen Opposition paralysierend auf die nachkommunistische Konstellation. In den Augen vieler waren diese Kollaborateure der sowjetischen Okkupation. Auf der Tagesordnung stand die Lustration und Dekommunisierung, worauf die Postkommunisten mit einer Anpassung an die neoliberale Politik reagierten. Der damalige amerikanische Botschafter vertrat die Auffassung, dass die systematischen Attacken der Rechten auf die ehemalige Staatspartei diese zu liberalen Taten und Reformen drängten. So befand sich das alte System organisatorisch als auch moralisch im Zerfall. Wenn es kämpfte, dann nur um eine Anerkennung innerhalb der neuen politischen Szene – um die Akzeptanz seitens des „liberalen Salons“.

Auf der anderen Seite befanden sich die anderen Parteien erst im Aufbau (in statu nascendi). So könnte man auch von einem gesellschaftspolitischen Vakuum sprechen. Die neuen politischen Eliten haben erst ihre Identität gesucht, deren erste Etappe darin bestand, die bisherige Ideologie zugunsten des Neoliberalismus zu verwerfen. In der sozioökonomischen Vorstellung der neuen politischen Klasse dominierte die Überzeugung, dass Polen durch einen Prozess der primären Akkumulation des Kapitals gehen muss.13

Einige neue Politiker erklärten die Notwendigkeit des radikalen Sprungs in das neue System mit materiellen Vorteilen für das Land. So vertraten sie die Auffassung, dass umso mutiger dieser Sprung in das neue System ausfallen würde, desto größer werde die finanzielle Hilfe des Westens (besonders der USA) ausfallen. Offensichtlich hat dies die polnische Regierung dazu veranlasst in corpore die allerschärfste und am weitesten gehende der drei Varianten der Stabilisierung zu wählen, die durch den IWF vorgeschlagen wurde. Der Leiter der Expertengruppe des IWF Michael Bruno war recht überrascht, zumal ähnliche Verhandlungen mit der Dritten Welt gewöhnlich viel länger dauerten und zu den Schwierigsten gehörten.14

Eine ähnliche Auffassung scheint der damalige Chef der postkommunistischen Partei, und spätere Präsident Aleksander Kwaśniewski, vertreten zu haben. Danach wären Reformen mit sozialdemokratischem Charakter politisch gefährlich, weil sie eine assoziative Nähe zum kommunistischen Gedankengut darstellten. Auf die Frage nach der Möglichkeit „einer vorwiegenden ethisch-politischen Reform“15 antwortete Kwaśniewski: „Nein, wenn in den Neunziger Jahren mehr Ethik und weniger Pragmatismus gewesen wäre, hätten wir keinen Systemwechsel vollzogen und hätten eine große antikommunistische Revolution erlebt (…) Wir hätten weder einen reformierten Sozialismus noch eine Sozialdemokratie (…) Was bedeutet das? Einen Bolschewismus gegen den Strich, also einen antikommunistischen Ethos, der uns in der Realität nicht wieder gut zumachende Schäden beschert hätte (…) Hätten wir die Zeit von 1990 bis 2003 ideologisiert, so wäre das Ergebnis ein Neobolschewismus in seiner schlimmsten Form gewesen.“16

Nach meiner eigenen Auffassung ist dieser Deutungsversuch äußerst zweifelhaft. Dies würde bedeuten, dass die größten politischen Kräfte damals wie heute extreme Antikommunisten sind. Dies würde auch bedeuten, dass ihre Macht unabhängig gewesen ist von der sozioökonomischen Politik der Regierung, der Höhe der Arbeitslosigkeit, der Armut und dem Grad der Polarisierung durch die Einkommensschere.

Schließlich sprach sich „das Übereinkommen“ des Runden Tisches für einen evolutionären Weg der Umgestaltung aus. Dieser hätte eine gute ethische Grundlage in den beiden Gewerkschaftsformationen der OPZZ (ehemalige Staatsgewerkschaft) und der Solidarniość besessen.

Der ehemalige Präsident versicherte, dass er keine Komplexe gegenüber Tschechien und Ungarn hätte. Auf die Frage, warum die Tschechen „so leicht diese Kurve hinbekommen hätten“, meinte er „die politische Szene in Tschechien habe die gleichen Probleme, die auch in Polen zu beobachten sind.“

Nach meiner eigenen Überzeugung stimmt diese Auffassung – zumindest im sozioökonomischen Bereich – überhaupt nicht mit den Fakten überein.

Tschechien hatte über die ganze Zeit eine zwei bis drei Mal niedrigere Arbeitslosigkeit und einen radikal höheren Beschäftigungsanteil als Polen. Eine Situation wie bei uns, wo nur jedem achten Arbeitslosen ein Arbeitslosengeld zusteht, wäre dort nicht denkbar. Genauso undenkbar ist ein Wirtschaftswachstum, das gleichzeitig zu einer steigenden Anzahl von Menschen führt, die unter dem biologischen Minimum leben müssen. In den Jahren 1996 bis 2005 ist die Anzahl der Menschen, die unter dem Existenzminimum leben in Polen von 4,3% auf 12,3% angewachsen und das bei einem Wachstum des BIP um über ein Drittel!

Wenn also die Auffassung vertreten wird, dass Polen und Tschechen ähnliche ökonomische Probleme haben, dann ist dies im Grunde genommen wie der Vergleich zwischen einem Regen und einer Überschwemmung – beide machen ja nass. Sogar Vaclav Klaus, dessen Rhetorik an Margret Thatcher (berühmt wurde seine Aussage, dass der Dritte Weg in die Dritte Welt führe) erinnerte, betrieb im Vergleich mit Polen eine überraschend sozialdemokratische Wirtschaftspolitik. Warum? Weil er im Gegensatz zu der Regierung von Tadeusz Mazowiecki sich selbst um die Unterstützung der Gesellschaft bemühen musste.

Panem et circenses – Brot und Spiele17

Die bisherigen Streitigkeiten bezüglich der Transformation wurden oft als ein Konflikt zwischen Linken und Neoliberalen dargestellt. Zuletzt verstummten diese mit einem Mal durch den lautstarken Aufruf der konservativ-populistischen Koalition der PiS und LPR zum Kampf gegen den „Liberalen Block“. Die Partei der Kaczyński – Brüder gewann im Herbst 2005 die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen mit der Losung nach einem solidarischen Polen und einer sozialen Wirtschaft. Das größte Feuer der Kritik richtete sich gegen die bisherigen politischen Kräfte und gegen die liberal-konservative Bürgerplattform (PO), die nunmehr wieder die Macht in Polen übernommen hatte.

In dieser Kritik dominieren weniger Argumente als Vorwürfe. Karol Modzelewski versuchte die Wahlergebnisse vom Herbst 2005 auf diese Weise zu erklären: „Die Demonstranten skandierten: Die-be, Die-be! Also musste sich eine Partei finden, die darauf antwortet: Ja, das sind Diebe und wir, wir sind die Sheriffs und sorgen für Ordnung!“18 Dies sind die Quellen des Erfolges der Kaczyński-Brüder und ihrer PiS „Recht und Gerechtigkeit“.

Für die hiesigen Überlegungen ist entscheidend, dass die einstigen Sieger ihren Wahl-slogan instrumentalisierten. Sofort nach der Wahl wollte die PiS alle Wirtschaftsressorts der neoliberalen Bürgerplattform PO übergeben. Als eine Koalition zwischen PiS und PO nicht zustande kam, wurde zur Finanzministerin Zyta Gilowska berufen. Sie war Funktionärin der PO und sprach sich für eine niedrige lineare Steuer (15% PIT, CIT und VAT) aus. Eine der ersten Gesetzesvorlagen der neuen Regierung war die Senkung der Erbschaftssteuer und der Schenkungssteuer bei einem großzügigen Verständnis von Verwandtschaft.

Diesen Schritt kann man nicht anders bewerten, als eine demonstrative Akzeptanz für das weitere Anwachsen der Vermögensungerechtigkeit. Wobei schon jetzt in Polen die Schere bei den Vermögen die größte in der EU ist. Die Phase der Hochkonjunktur, die Europa damals erlebte und auch Polen erfasste, bot die Möglichkeit, die Lebensbedingungen der Benachteiligten zu verbessern. So hätten Übernachtungsmöglichkeiten für die zahlreichen Obdachlosen geschaffen, die Zahl der Hungernden, oft auch hungernder Kinder, radikal verringert werden können.

Gleichzeitig wollte aber die Regierung linear die Rentensteuern senken, die streikenden Krankenschwestern, die für einen Hungerlohn arbeiten müssen, wurden als Proleten beschimpft. Die PiS-Regierung, die sich auf Solidarität berief, förderte den Egoismus in Polen, und auf der EU-Ebene betrieb sie eine Politik der Isolation Polens.

Allerdings fand sich bereits im Sommer 2006 in den Verlautbarungen beider Kaczyńskis eine eher pessimistische Note. Es schien sich die Einsicht durchzusetzen, dass die so lautstark angekündigte Revolution der „Sheriffs“ wohl doch nicht mit Erfolg gekrönt sein wird. Auf eine Frage von Journalisten, ob es nicht an der Zeit wäre das durch die PiS angekündigte Programm durchzusetzen, antwortete Lech Kaczyński mit einem tatsächlichen Gefühl der Machtlosigkeit: „Heute ist die Durchführung einer Revolution, die  zu einer gerechten Verteilung des nationalen Eigentums, das 1989 übernommen wurde oder zu einer Enteignung der gegenwärtigen Oligarchen führen würde, angesichts einer Mitgliedschaft in der EU völlig unmöglich. Warum haben diese Kreise mit so heftiger Kraft in die EU kommen wollen? Weil die Mechanismen der EU es ihnen erlauben ihre Einflusssphären zu zementieren.“19

Diese meisterhafte Darstellung kam den Empfindungen der einfachen (zumal rechtsorientierten) Menschen entgegen, die nicht ohne Grund die Auffassung vertreten, dass das Volkseigentum ausgeplündert wurde.

Kaczynski gab zu verstehen, dass seine Regierung gern im Namen der sozialen Gerechtigkeit eine Revolution der Aneignung des Eigentums durchsetzten würde. Aber dies sei vollkommen unmöglich und die Schuld dafür trifft die Eliten, die Medien, und die Kreise, welche mit den Oligarchien und den „Fremden“, in diesem Fall der EU, verbunden sind.

Die exotische Koalition mit der populistischen „Selbstverteidigung“ (Samoobrona) und der ultranationalen „Liga Polnischer Familien“ (LPR) hat zum Glück so viele innere Widersprüche und politische Skandale hervorgebracht, dass Polen zwei Jahre nach der Wahl 2005 wieder vor eine Wahl gestellt wurde. In dessen Folge kam eine Koalition der neoliberalen Bürgerplattform (Platforma Obywatelska) und der Zentrumspartei Polnische Volkspartei (Polskie Stronnictwo Ludowe) an die Macht. Die gegenwärtige Krise hat die Handlungsfähigkeit der Regierung paralysiert. Alles deutet darauf hin, dass die Demontage des Sozialstaates und die „Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes weiter voranschreiten. Die Perspektiven für die Linke stimmen nicht fröhlich, weil in Wirklichkeit die Wahlmöglichkeiten sich weiterhin auf zwei großen rechte Parteien beschränken.

Weder die „Demokratische Partei“, die sich seit 2001 außerhalb des Parlaments befindet und die Nachfolgerin der Unia Wolności (Freiheitsunion) von Tadeusz Mazowiecki und Leszek Balcerowicz ist, noch die neu gegründete „Sozialdemokratie der Republik Polen“ (SdPl), oder die durch den neoliberalen Aberwitz des Leszek Miller kompromittierte postkommunistische „Bündnis der Demokratischen Linken“ (SLD) stellen, ob einzeln oder im Bündnis, eine reale Alternative da.

Auf diese Weise hat Polen in einem schwindelerregenden Tempo von nur drei Jahren den Schritt vom realen Sozialismus in den Kapitalismus vollzogen. Damit wurde eine Gesellschaftsordnung geschaffen, die sich am angelsächsischen Modell ausrichtet, und insbesondere das Nord-Amerikanische, mit seinen scharfen Klassengegensätzen, tiefen Einkommens- und Eigentumsunterschieden sowie enormen sozialen Ausgrenzungen als Vorbild genommen hat. Nach wie vor bleibt die Frage offen, ob jemals eine Kursänderung  möglich sein wird.

1 Sitzungs-Stenogram des sog. Runden Tisches. Die wichtigsten angenommenen bzw. diskutierten Dokumente während der Sitzungen wurden 2004 in fünf Bänden durch die Präsidenten-Kanzlei herausgegeben.

2 Charles Hampden-Turner, Fons Trompenaars: The Seven Cultures of Capitalism: Value Systems for Creating Wealth in the United States, Japan, Germany, France, Britain, Sweden, and the Netherlands, London 1993.

3 Dies ist der Grund warum der Nobelpreisträger Franco Modigliani, Waigel einen ökonomischen Ignoranten nannte (siehe K. Grzybowska: Waigel jest ignorantem. Bundesbank wrogiem euro, in „Rzeczpospolita” vom 16.06.1997). Dagegen kommentierte die „Financial Times“ Eichels Reform-Paket mit der bitteren Bemerkung, er hätte viel besser getan, wenn er das Gegenteil vorgeschlagen hätte (W. Münchau: Taxing Problem, in „Financial Times” vom 6.07.1999).

4 [Konsultacyjna Rada Gospodarcza, 1989]. Zuvor erschienen mehrere Bücher, welche die schwedischen Erfahrungen untersuchten (vgl. W. Lamentowicz, Reformizm szwedzki, Warszawa 1977; Z. M. Klepacki, R. Ławniczak, Współczesna Szwecja, Warszawa 1974).

5 A. Małachowski, Łzy się cisną do oczu, in „Przegląd” 2001, Nr. 11.

6 Es ist bemerkenswert, dass auf die Frage eines Journalisten, ob Mazowiecki oder Balcerowicz damals Wałęsa die Grundlagen der Umgestaltung der polnischen Wirtschaft erläutert hątten, Balcerowicz antwortete: „Nein, ich glaube nicht, obwohl ich mich so genau nicht mehr daran erinnern kann“ (siehe P. Gajdziński, Balcerowicz na gorąco, rozmawia…, Poznań 1999, S. 89-90). Noch schwerer wiegt, dass unmittelbar nachdem Balcerowicz sein „Reform-Paket“ vorstellte, Wałęsa nicht deren Neuverhandlung, sondern schnellstmögliche Verabschiedung in einem legislativen Eilverfahren forderte.

7 Natürlich darf man nicht vergessen, dass das Jahr 1989 aufgrund der Deregulierung der Lebensmittelpreise für die Bauern zugleich vorteilhaft gewesen ist. Vergleiche mit dem Jahr 1988 verringern die Skala jedoch lediglich um einige Prozentpunkte.

8 Seine Angaben basieren auf einer Studie  im Auftrag des INE PAN aus dem Jahre 1995. Grundlage waren Statistische Jahrbücher aus den Jahren 1993 und 1994, sowie Berechnungen und Schätzungen von Bywalec aus dem Jahre 1993.

9 L. Dziewięcka-Bokun, Dlaczego może upaść rząd Mazowieckiego? In „Tygodnik Solidarność” 1990, Nr. 27.

10 Leszek Balcerowicz begründete damals den Stabilisierungsschock und den Umfang der drastischen Veränderungen durch einen Vergleich, dass man ein Feuer nicht auf Raten löschen kann (seiner Auffassung nach befand sich die Wirtschaft in so einem tragischen Zustand, wie ein Haus während eines Feuers). Wenn man diese Aussage travestieren würde, könnte man sagen, dass jene massenhafte Verarmung der einen und der Reichtum der anderen eben während dieser „Löscharbeiten entstanden“ ist.

11 Vgl.: H. Domański, Mobilność i hierarchia stratyfikacyjna (in:) Elementy nowego ładu, Hg. H. Domański, A. Rychard, Warszawa 1997, S. 56.

12 Paradoxerweise hat Władysław Frasyniuk recht, wenn er schreibt, dass: „In Groß Britannien die eiserne Margaret Thatcher in zehn Jahren damit kämpfte, was wir in einem halben Jahr erreicht haben. Diese eiserne Lady stellt neben Mazowiecki eine echte Schildkröte dar!“ (W. Frasyniuk, Wracamy do gry, Interview von W. Bereś, in „Gazeta Wyborcza” vom 29-30.05.2004). Der Unterschied zwischen Polen und Groß Britannien besteht darin, dass nach der Ablösung ihrer Regierung durch ihre engsten Mitarbeiter, die konservative Regierung von John Major teilweise ganze sieben Jahre die Folgen ihrer Politik zu beheben versuchte. Ein weiterer Unterschied ist auch, dass Major die Einkommen der Ärmsten und die Ausgaben für soziale Dienste erhöhte. (M. Brever et al., Poverty and inequality in Britain:2004, The Institute for Fiscal Policy, London). Dennoch blieb die Zahl der Armen dreimal so groß wie beim Amtsantritt jener Eisernen Lady (aus vier Millionen wuchs sie auf zwölf an). Aber gerade deshalb weil er recht hat, sollte sich Frasyniuk nicht weiter wundern, dass in Folge dieser Politik seine Partei aus dem Parlament geworfen wurde.

13 T. Kowalik, Społeczne koszty transformacji, Warszawa 1997; T. Kowalik, Nowy ład społeczny: ani konieczny, ani pożądany (in:) Polska przed nowymi problemami, Barometr, Hg. M. Deniszczuk, Warszawa 2000.

14 Dies enthüllte einige Jahre später Michael Bruno, damaliger Leiter einer Expertengruppe des IWF, und späterer Chefökonom der Weltbank (vgl. M. Bruno Stabilization and Reform in Eastern Europe.A Preliminary Evaluation, IMF working paper Nr. 92/30, Washington 1992).

15 Was damals die näher liegenden Konzepte eines „Selbstverwalteten Polen” bedeutete, die von der Solidarność propagiert wurden.

16 A. Kwaśniewski, Coś musi powstać za sprawą innej generacji („trzech na jednego”), in „Zdanie” 2004, Nr. 1-2.

17 lat.: Brot und Spiele

18 Modzelewski K., Chóry i pienia, in „Gazeta Wyborcza”, vom 29-30.07.2006

19 Kaczyński L., Kaczyński: możemy przegrać bitwę o Polskę, Interview von C. Michalski und P. Semka, in „Dziennik”, vom 22-23.07.2006.

Tadeusz Kowalik, geb. 1926 ist Ökonom und Oppositioneller. Ehemaliger Mitbegründer des 1976 nach den Radom-Unruhen ins Leben gerufene Komitet Obrony Robotników (KOR) [Komitee zur Verteidigung der Arbeiter]. In den Jahren 1980-92 Mitglied der NSZZ „Solidarność“ und wirtschaftlicher Berater des Überbetrieblichen Streikkomitees während der Streiks in der Gdańsker Lenin-Werft.

Übersetzt aus dem Polnischen und überarbeitet von Norbert Kollenda und Kamil Majchrzak

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