aus telegraph 12/1990
Die Ereignisse der letzten Tage hier in Hoyerswerda veranlassen mich, Ihnen zu schreiben.
Schon vor 2 Wochen musste ich im Omnibus von Spremberg nach Hoyerswerda Rassenhass erleben. Ein Mocambiquaner wurde von einem deutschen jungen Mann, der sich neben ihn setzte, diskriminiert und beleidigt. Als er sich das verbot, wurde der Deutsche immer ausfälliger. Ich stellte ihn zur Rede,
wie ein so junger Kerl ein Rassist sein könne. „Ich hasse keine Ausländer, doch ich hasse Ausländer, einer hat einer schwangeren Frau den Bauch aufgeschlitzt“.
Zum Glück stieg der Mann an der 1. Haltestelle aus.
In Hoyerswerda lief der Mocambiquaner einige Meter vor mir und bog dann in einen unbeleuchtetenWeg ein. In den Moment blieben 3 junge Burschen, die auch in dem Bus waren, wie auf Kommando stehen und ich hörte einen sagen: „Hast du ein Tuch?“ Worauf einer sein Tuch vom Hals nahm und die drei
den Mocambiquaner verfolgten. Ich konnte diesen durch Zuruf warnen, so dass er nicht von hinten überfallen werden konnte. Er stellte sich den Dreien, sie nahmen Abstand von einem Angriff.
Am 1. Mai erlebte ich mit, wie gegen 19.0019.30 Uhr bis zum Dunkelwerden eine grosse Gruppe Jugendlicher das Wohnheim der Mocambiquaner und Vietnamesen (grosses Wohnhochhaus mit ca. 8 Aufgängen 1 Aufgang Wohnunterkunft) angriffen … Sie standen in breiter Front diesem
gegenüber, getrennt durch eine breite Hauptverkehrsstrasse und warfen mit Steinen und Betonbrocken. Es wurden Fensterscheiben eingeworfen.
Polizei und ein deutscher Mann diesen einen konnte ich sehen, bemühten sich, die aufgebrachten Ausländer nicht durch den Durchgang des Hauses zu lassen.
An den beiden Vortagen waren schon ähnliche Unruhen zu verzeichnen. Wie ich hörte, wurden diese ausgelöst, als 2 Mocambiquaner auf den Rummel wollten. Sie wurden mit den Worten „der ist nur für Deutsche“ daran gehindert und geprügelt. Fünf ihrer Landsleute, sie wurden durch Mädchen, die ins Wohnheim liefen, informiert, kamen ihnen zu Hilfe. Es war nun eine tätliche
Auseinandersetzung zwischen 2 Mocambiquanern und ca. 50 Deutschen.
Diese Vorfälle sind beschämend!
Es ist erst wenige Monate her, dass auch oder besonders unsere Jugendlichen auf der Strasse Reisefreiheit riefen. Wie denken die sich das? Sie wollen nach Frankreich, Spanien, Griechenland, doch sicher später auch einmal nach Afrika reisen. Sie wollen die Gastlichkeit dieser Völker geniessen. Und hier veranstalten sie unwürdige Dinge als Auswirkung ihrer Ausländerfeindlichkeit und ihres Rassenhasses.
Wie ich informiert wurde, gab es seitdem täglich Unruhen vor dem Wohnheim.
(aus: INKOTABRIEF II/90)