Kriegspropaganda

Wie die Herrschenden Menschen für den Krieg gewinnen, damit sie bereit sind zu töten und zu sterben.

Von Thomas Leusink

Der Artikel will keine detaillierte Aufarbeitung der Lügen und Halbwahrheiten in der Berichterstattung über die Krise in der Ukraine seit Ende 2013, im Umsturz Februar 2014 bis zum noch anhaltenden Bürgerkrieg insbesondere des „Öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ der Bundesrepublik Deutschland, der eine neutrale Informations- und Aufklärungspflicht hat, leisten. Er soll eher die dahinterliegenden Prinzipien erhellen und dazu auch einige Beispiele benennen.

Am 16. August 2014 twitterte der „Spiegel“-Leser Jürgen Trittin (Bundesminister a.D. und immer noch Bundestagsabgeordneter der Partei Bündnis 90/Die Grünen) einen bedeutenden Satz in die Twitter-Welt: „Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit – auch in der Ukraine.“ /1/ Der „Spiegel“ hatte, wie andere deutsche Medien auch, mal wieder den Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine gemeldet, die Falschmeldung kam natürlich von anderen Journalisten und Politikern und nicht den eigenen. Seinen Twitter-Account nutzt Trittin vor allem zu Verweisen auf von ihm für wichtig befundene Spiegel-Artikel, Verweise auf eigene Auftritte in der Öffentlichkeit und in den Medien sowie für Bekundungen als Fußballfan von Werder Bremen. Über 40tausend Followers wollen über seine Gedanken ständig informiert sein. Den ersten Halbsatz hat sich auch Jürgen Trittin nicht ausgedacht, er wird aber besonders gern von Politikern und Journalisten in die Welt posaunt. Warum gerade diese zwei Berufsgruppen die Neigung verspüren, dazu kommen wir noch. Der bedeutende Satz wird verschiedenen Männern zugeschrieben: Er stammt nicht von Rudyard Kipling (1865-1936), nicht vom US-Senator Hiram Johnson (1866-1945) und auch nicht vom Labour-Abgeordneten Philip Snowden (1864-1937) auch wenn sie ihn alle in ähnlicher Form verwendeten. Der Satz soll tatsächlich vom Griechen Aischylos ((525 v.u.Z.-456 v.u.Z.) stammen, er wäre also ca. 2.500 Jahre alt. Trotz seines ehrwürdigen Alters stimmt der Satz jedoch nicht, er hat nicht vor 2.500 Jahren gestimmt und stimmt auch heute nicht. Sprechen die Politiker sonst, also vor einem Krieg, alle die Wahrheit? Und die Medien? Etwas überspitzt gefragt: Schreibt die „BILD“ in Friedenszeiten die Wahrheit? Sorry, die „BILD“-Zeitung soll hier gar keine besondere Aufmerksamkeit bekommen, denn an der „Kriegspropaganda“ beteiligten und beteiligen sich ja auch sämtliche großen, „seriösen“ Medienunternehmen.
Arthur Ponsonby, der hier noch ausführlicher zitiert werden soll, schreibt schon auf der ersten Seite der Einführung zu seinem Buch „Lügen in Kriegszeiten“ von 1928: „Wie wir alle wissen, wird nicht nur in Kriegszeiten gelogen.“ /2/
Er meint auch, daß die Gewohnheit zu lügen, bei weitem nicht so merkwürdig sei, wie die verblüffende Bereitwilligkeit zu glauben! Das betrifft nicht nur die uninformierte und informierte Durchschnittsbevölkerung: Am 14. September 2001, drei Tage nach den Anschlägen in New York mit mehreren tausend Toten, gab der US-Kongreß dem Präsidenten grünes Licht für militärische Vergeltungsschläge (Authorization for Use of Military Force – AUMF), mit 420:1 Stimmen. Nur eine Abgeordnete, Barbara Lee, war noch bei klarem Verstand (und mutig!) und stimmte gegen diesen Generalerlaß für einen „Krieg gegen den Terror“, der in den Folgejahren hunderttausenden Menschen das Leben kosten sollte. 420 Abgeordnete aber folgten ihrem Präsidenten. /3/
Ponsonby beschäftigte sich in seinem Buch mit den Lügen zur Vorbereitung und Durchführung des I. Weltkrieges, dessen Beginn sich in diesem Jahr zum 100. Mal jährt. In diesem Jahr konnten wir auch erleben, wie Deutschland, nicht direkter Teilnehmer der zunächst militanten, dann alsbald auch militärischen und kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine, trotzdem propagandistisch Kriegsteilnehmer wurde und bis heute ist.
Zunächst war ich Anfang des Jahres 2014 erneut erstaunt, wie einfach das Lügen durch Politik und Medien in der Berichterstattung über die Ukraine funktioniert und erinnerte mich des inzwischen zehn Jahre alten Buches der belgischen Historikerin Anne Morelli /4/, die Ponsonbys Erkenntnisse über die Propaganda im I. Weltkrieg in zehn Prinzipien zusammenfaßte und sie am II. Weltkrieg, dem Krieg der NATO gegen Jugoslawien, dem Krieg gegen Afghanistan und den gegen den Irak überprüfte.
Ursprünglich wollte ich hier ausführlich diese zehn Prinzipien darstellen, verzichte aber aus zweierlei Gründen darauf: Erstens stehen sie seit diesem Monat als eigenständiger Artikel in wikipedia /5/, auch wenn etwas verkürzt, gestattet der Artikel einen Überblick, und Zweitens ist hier der Platz beschränkt.
Das diese Prinzipien oder Muster auch im Konflikt um die und in der Ukraine Anwendung finden, wird schnell deutlich werden.
Ponsonby schrieb: „In der Tat ist es die menschliche Leichtgläubigkeit, welche die Lüge so fördert. Aber in Kriegszeiten wird die obrigkeitliche Organisation des Lügens nicht genügend erkannt. … Es kann daher einem guten Zwecke gedient werden, wenn in der Pause eines sogenannten Friedens, wenn das Urteil nicht mehr durch Leidenschaften getrübt ist, darauf hingewiesen wird, daß die Obrigkeiten aller Länder zu diesem Kniffe greifen und, in der Tat, greifen müssen, um erstens, sich selbst zu rechtfertigen, indem sie den Feind als einen Erzverbrecher hinstellen, und um, zweitens, die Leidenschaften des Volkes zu entflammen, damit zur Fortführung des Kampfes genügend Truppen aufgetrieben werden. Sie können es sich nicht leisten, die Wahrheit zu sagen, und in manchen Fällen ist ihnen, wie zugegeben werden muß, die Wahrheit im Augenblicke auch nicht bekannt. … Das Volk darf nie mutlos werden; Siege müssen daher übertrieben und Niederlagen, wenn nicht verheimlicht, so doch vermindert, und die öffentliche Meinung muß mittels der „Propaganda“ eifrig und beständig zu Entrüstung, Abscheu und Haß aufgepeitscht werden. … Eine Art Massenhysterie greift um sich und steigert sich, bis schließlich auch nüchterne Leute und angesehene Zeitungen von ihr erfaßt werden.“/2/ (S.12)
Ponsonby versteht sein Buch als Warnung, um „vielleicht das nächste Mal, wenn die Kriegswolke am Himmel aufzieht, besser auf der Hut und weniger geneigt sein, die Gerüchte, Erklärungen und Ausführungen, die ihm aufgetischt werden, als bare Münze zu nehmen.“ (S. 13) „Wenn der Krieg ein solches Ausmaß erreicht, daß die ganze Nation in ihn verwickelt wird, und wenn das Volk am Schlusse desselben entdeckt, daß es nichts gewonnen hat und ringsumher nur weitverbreitetes Elend erblickt, dann ist es geneigt skeptischer zu werden …“ (S. 18)
Wie wir wissen, Ponsonbys Warnung verhallte. Die deutsche Bevölkerung wählte 1933 ganz demokratisch eine neue Regierung, die das Land noch zu einem viel größeren Morden führen sollte.
Mir ist bewußt, daß seit dem Erscheinen des Buches 85 Jahre vergangen sind, die Methoden der Herrschaftssicherung und -erweiterung wurden weiterentwickelt und verfeinert. „Propaganda“ heißt heute „Public relations“ und ist Teil der Kommunikations- und Medienwissenschaften. Diesen Wissenschaftsbereich gab es 1928 noch nicht. Auch die angrenzenden Wissenschaftsbereiche, z.B. Linguistik, Psychologie und Soziologie, bzw. Teilgebiete von ihnen, haben inzwischen eine riesige Menge an neuen Erkenntnissen produziert, die natürlich auch für deren Mißbrauch zur Verfügung stehen. Der „Beschuß“ durch Lüge und Falschinformationen hat sich durch die technische Entwicklung explosionsartig vervielfacht. Damals mußte eine ausgedachte Greueltat des Feindes noch mit bildhafter Sprache beschrieben, mit Illustrationen versehen und in Zeitungen und auf Flugblättern gedruckt werden, heute gibt es Fernsehen und Internet in jeder Wohnung, eine stetig steigende Anzahl von Menschen will es auch außerhalb der Wohnung, ständig, verfügbar haben. Das bietet auch ihrer Kontrolle (i.S. von control = Steuerung, Lenkung, Überwachung, Vorhersagbarkeit und Beeinflußbarkeit) riesige neue Möglichkeiten. Natürlich kann die elektronische Kommunikation auch zur Vermittlung und Unterstützung demokratischer Entwicklungen genutzt werden, das ist aber nicht Gegenstand dieses Artikels, hier geht es um den Mißbrauch.

Ponsonby – die verschiedenen Variationen der Lüge

(Sorry, die Sprache ist natürlich auch 85 Jahre alt, wird aber hier im Wesentlichen aus Authentizitätsgründen übernommen.):
– Die vorsätzliche, von einem erfinderischen Geiste zusammengebraute Lüge, die vielleicht nur einem kleinen Kreise bekannt wird, die aber, wenn anschaulich und malerisch dargestellt, aufgegriffen und verbreitet werden kann. Einige Beispiele werden später im Buch ausführlich dargestellt, weil sie über längere Zeit großen Einfluß in der Propaganda hatten, von Politikern und Journalisten immer wieder aufgegriffen wurden. Manche werden niemals aufgeklärt, manche erst Jahre später. Z.B. die Geschichte von den abgeschlagenen Händen belgischer Kinder oder die Geschichte von der Leichenfabrik der Deutschen. Eine Fabrik der Deutschen Abfallverwertungs-Gesellschaft bei Koblenz, in der Züge voll nackter, in Bündel zusammengeschnürter Leichname deutscher Soldaten ankommen und in großen Kesseln gesotten werden, um daraus Stearin und raffiniertes Öl zu gewinnen. Knochen werden zermahlen und als Beimischung zum Schweinefutter oder als Dünger verwendet. Für diese „Kadavergeschichte“ gab es natürlich glaubhafte Zeugen und Berichte. „Ein tüchtiger Offizier im britischen Nachrichtendienst“ hatte sie sich ausgedacht. Das Gezerre um die Aufdeckung im Jahre 1925 (!), die damit verbundenen Lügen und Verleugnungen sind schon wieder eine neue Geschichte.
– Die Lüge, die gehört und trotz fehlender Beweise nicht widerlegt und hierauf immer wieder wiederholt oder in Umlauf gesetzt wird.
– Die falsche Übersetzung, die manchmal einem wirklichem Mißverstehen entstammt, häufig aber absichtlich ist.
– Die absichtliche Fälschung, die mit großer Sorgfalt ausgeführt werden muß, die aber im Augenblick ihren Zweck erfüllt, wenn sie auch schließlich bloßgestellt wird.
– Die Weglassung von Stellen aus amtlichen Schriftstücken.
– Die absichtliche Übertreibung („Die geistige Metropole der Niederlande seit dem 15. Jahrhundert ist jetzt nur mehr ein Aschenhaufen“, „Löwen existiert nicht mehr“. Tatsächlich hatte … ungefähr ein Achtel der Stadt Schaden gelitten).
– Die Verheimlichung der Wahrheit, damit der Allgemeinheit nichts Günstiges über den Feind zu Ohren kommt („Ein Kriegsberichterstatter, der erwähnte, daß ein Deutscher einem Engländer half, bekam ein zurechtweisendes Telegramm: „Wollen von guten Deutschen nichts hören“).
– Gefälschte Photographien (in Wien stellte eine Firma Greuelphotographien her, mit leerem Raum für die Überschriften, so daß jede Seite sie für Propagandazwecke verwenden konnte).
– Das Kino spielte eine wichtige Rolle und trug dazu bei, daß die öffentliche Meinung z.B. in Amerika sich für die Teilnahme am Krieg entschied.
– Irgendeine belanglose und schlecht verstandene Äußerung wird zu einem Gerücht und durch ständige Wiederholung von Mund zu Mund ins Ungeheure übertrieben (Ponsonby beschreibt z.B. das Gerücht, daß russische Truppen zur Unterstützung nach England verlegt wurden, von allen Teilen des Landes kamen Aussagen von Leuten, die die Russen gesehen hatten, sie stampften auf Bahnsteigen den Schnee von den Füßen, sie waren in Zügen mit zugezogenen Vorhängen, sie schrien mit heiserer Stimme nach Wodka, auf einem Bahnhof sprengten sie einen Automaten mit einem Rubel, die Zahl der Truppen war mal größer oder kleiner. Da das Gerücht militärischen Wert hatte, geschah von seiten der Behörden nichts. Ein Telegramm aus Rom meldete die „Konzentration von 250.000 russischen Truppen in Frankreich“. Das amtliche Pressebüro – die Zensurbehörde – erklärte, daß keine Bestätigung vorliege, aber gegen eine Veröffentlichung nichts einzuwenden sei, die Freigabe des Telegramms diente der Bestätigung des Gerüchtes, nun gab es noch mehr falsche Zeugen).
– Greuellügen waren die volkstümlichsten von allen; kein Krieg kann sie entbehren. Die Verleumdung des Feindes gilt als eine vaterländische Pflicht. Ein englischer Soldat schrieb deshalb an die „Times“, 15. Sept. 1914: „Die Geschichten in unseren Zeitungen sind nur Ausnahmen. Es gibt solche Leute in jedem Heere.“
– Lügen, die infolge der inhärenten Unzuverlässigkeit und Fehlbarkeit des menschlichen Zeugnisses entstehen. (Keine zwei Menschen können den Hergang eines Straßenunfalles übereinstimmend erzählen. Wenn noch Voreingenommenheit und Erregung dazukommen, wird die menschliche Zeugenaussage ganz wertlos. In Kriegszeiten aber wird ein solches Zeugnis als maßgebend angenommen: Die kümmerlichste und unzuverlässigste Beweisführung genügt „der Freund des Bruders eines Mannes, der gefallen ist … jemand, der es gesehen hatte“).
– Die reine Erdichtung, Briefe von Soldaten, die sich die Tage und Wochen unerträglichen Wartens mit Schreiben vertrieben, enthielten manchmal ergreifende Schilderungen von Gefechten und Abenteuern, die niemals stattgefunden hatten.
– Ausflüchte, Verheimlichungen und halbe Wahrheiten, die auf feinere Art irreführen und die den Regierungen allmählich zur Gewohnheit werden.
– Die amtliche Geheimhaltung, welche die öffentliche Meinung unvermeidlich irreführen muß und naturgemäß ein beständiges Ableugnen der Wahrheit bedingen.
– Es gibt eine amtliche, auf echte Entrüstung des Volkes gestützte Scheinentrüstung, die eine Form von Falschheit ist (als Beispiel: die erste Anwendung von Gas im Kriegseinsatz).
– Die Herabsetzung des Feindes kann sich, wenn illustriert, als eine unkluge Art von Falschheit erweisen: Einige Zeit wurden die deutschen Soldaten als kriechend, mit hochgehobenen Armen und „Kamerad“ schreiend, dargestellt, bis die Presse und die Propagandaobrigkeiten darauf kamen, daß die Leute sich fragten, warum wir, wenn wir gegen solches Material zu kämpfen haben, die Deutschen nicht schon längst geschlagen haben.
– Es gibt Beschuldigungen und falsche Anklagen, um Leute, die vom Krieg nicht eingenommen sind, in Verruf zu bringen.
– Sehr viel hängt von der Qualität der Lüge ab: Für intellektuelle Leute braucht man intellektuelle Lügen und grobe Lügen für das gemeine Volk. Wenn aber die populären Lügen zu schreiend sind und der intellektuelle Teil sich darüber empört und sie durchschaut, dann mag wohl in ihm der Verdacht aufsteigen, daß auch er hinters Licht geführt wurde. Dessen ungeachtet sind die Insassen von höheren Bildungsanstalten ebenso leichtgläubig, wie die Bewohner von Spelunken!
– Vielleicht hat auf den öffentlichen Geist nichts einen größeren Eindruck ausgeübt – und das bezieht sich auf alle Länder – als die der Propaganda von Intellektuellen geleistete Unterstützung. Sie verstanden es besser als die Staatsmänner, das rauhe Gewebe der Lüge in Sätze von literarischem Wert und in beredte Stellen zu hüllen.
– Alles, was den Soldaten zum Weiterkämpfen bewegen konnte, galt als rechtmäßig.
– Die Werbetätigkeit der Geistlichkeit machte auf das Volk einen tiefen Eindruck; daraus ergibt sich die Einbuße an geistigem Einfluß der Kirche, als Reaktion auf den Verrat an den Grundlehren des Christentums.
– Der Versuch, die phantastischste Geschichte zu bezweifeln oder zu leugnen, wird sogleich als unpatriotisch wenn nicht gar als verräterisch verurteilt. So finden die Lügen rasche Verbreitung. Sie werden eben nicht nur zur Täuschung des Feindes im Krieg benutzt, denn sie verfolgen auch den Zweck, Entrüstung zu entfachen und die Jugend des Landes zur Aufopferung ihres Lebens zu bewegen.
– „Es muß zugegeben werden, daß viele Leute sich bewußt und gerne betrügen ließen. Viele jedoch wurden den Betrug nicht gewahr, und ihr patriotischer Eifer war aufrichtig. Wenn sie jetzt entdecken, daß geflissentlicher und sorgsam vorbereiteter Betrug an ihnen geübt wurde, so empfinden sie einen Groll, der nicht nur dazu gedient hat, ihnen selbst die Augen zu öffnen, sondern sie auch veranlassen kann, ihren Kindern die Augen offen zu halten, wenn in Zukunft die Kriegstrompete ertönt.“
– „In zukünftigen Kriegen haben wir ein neues und noch viel wirksameres Propagandawerkzeug zu gewärtigen – die Regierungskontrolle des Radio. Die Lügen können dann allgemein, auf wissenschaftliche und autoritative Weise verbreitet werden.“

Am Ende seines Buches schreibt Ponsonby: „Ein interessantes Werk über die Technik der Propaganda ist kürzlich von Professor Laßwell von Chicago [„Propaganda Technique in the World War“, 1927] veröffentlicht worden, dem der folgende Auszug entnommen ist: „So groß sind die psychologischen Widerstände gegen den Krieg bei den modernen Völkern, daß jeder Krieg ein Verteidigungskrieg gegen einen drohenden, mörderischen Feind zu sein scheinen muß. Über die Frage, wen das Volk hassen muß, darf kein Zweifel bestehen. Der Krieg darf nicht die Folge eines Weltsystems der Führung internationaler Angelegenheiten, noch die Folge der Dummheit und Böswilligkeit aller herrschenden Klassen sein, sondern die Habgier des Feindes muß ihn verschuldet haben. Schuld und Unschuld müssen geographisch geschieden werden, und alle Schuld muß auf der anderen Seite der Grenze liegen. Wenn der Propagandist den Haß der Völker mobilisieren soll, dann muß er trachten, daß alles Verbreitung findet, was die Alleinschuld des Feindes feststellt.““ (S. 208f.)
Harold Lasswell gehörte zur Chicagoer Schule, einem wesentlichem Entwicklungsort der us-amerikanischen Kommunikationswissenschaft, am Anfang fokussiert auf Propaganda- und Medienwirkungsforschung. Lasswell verstand Propaganda als Technik der Beeinflussung von Denken und Handeln durch die Manipulation von gesprochenen, geschriebenen, bildlichen oder musikalischen Darstellungen.
Einige Ergänzungen zu den Prinzipien der Kriegspropaganda möchte ich hier noch nachreichen. Zum Prinzip „Wir sind zur Kriegsvorbereitung/zum Krieg gezwungen worden“ bzw. „Das gegnerische Lager trägt die alleinige Schuld am Krieg“ oder „Wir sind gezwungen worden zu reagieren, aus Notwehr …“ bzw. besonders beliebt in Deutschland: „ …um unseren internationalen Vertragsverpflichtungen“, inzwischen auch: „ … um der gewachsenen Verantwortung gegenüber der Weltgemeinschaft“ nachzukommen.
Besonders gern wird der mangelnde Respekt des Feindes gegenüber Vereinbarungen und Verträgen behauptet, dazu bedienen sie sich auch der Mithilfe von Wissenschaftlern, „Experten“ und der Medien. Zu Beginn des Ausbruchs kriegerischer Handlungen ist es meist unmöglich festzustellen, welche Seite die Kriegshandlungen tatsächlich ausgelöst hat, weil zu diesem Zeitpunkt wichtige Quellen zur Beurteilung nicht zur Verfügung stehen. Manchmal bleiben die Quellen auch noch für Jahrzehnte in den Militär- und Staatsarchiven gesperrt.
Im Jugoslawienkrieg 1999 nahm die Bundeswehr nicht nur am ersten Krieg seit ihrem Bestehen, sondern auch an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg teil. Die Begründungen für die Kriegsbeteiligung lieferten die SPD und Die Grünen. Bundeskanzler Schröder in seiner Fernsehansprache am 24.03.1999: „Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute Abend hat die NATO mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen. Damit will das Bündnis weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern. Der jugoslawische Präsident Milošević führt dort einen erbarmungslosen Krieg. … Wir führen keinen Krieg, aber wir sind aufgerufen, eine friedliche Lösung im Kosovo auch mit militärischen Mitteln durchzusetzen!
Dieser kurze Auszug zeigt die Anwendung gleich mehrerer Prinzipien: Statt „Bombardierung“ spricht Schröder von „Luftschlägen“, die Assoziationen, die mit den Worten verbunden sind, sind unterschiedliche. „Gegen militärische Ziele“, d.h. die Zivilbevölkerung wird nicht betroffen sein, eine Beruhigungsfloskel. Die NATO ist gezwungen zu diesem Handeln, sie kämpft für die Menschenrechte und den Humanismus, also das Gute. (Prinzip: Wir kämpfen für eine gute Sache und nicht für eigennützige Ziele.) Der Feind wird anschließend personifiziert – „ … Milošević führt … Krieg“, und nicht irgendeinen Krieg, sondern er führt „einen erbarmungslosen Krieg“, der Feind kennt kein Erbarmen. Die deutsche Bevölkerung soll emotionalisiert werden. „Erbarmungslos“?, Moment, das Wort steht doch in meinem Gehirn ganz in der Nähe von „Hitler“. Google-Suche von „erbarmungsloser Krieg + Hitler“ ergibt über 1,6 Millionen Einträge, „erbarmungsloser Krieg + Milošević“ kommt auf rund 41tausend Einträge. Das Schröder „erbarmungslos“ verwendete, wird auch diesen Grund gehabt haben: Milošević neben Hitler, der Inkarnation des Bösen, zu stellen. Zum Abschluß wird noch einmal betont, daß Deutschland und die NATO keinen Krieg führen, sondern nur eine „friedliche Lösung“ durchsetzen. Das „Wir“ bleibt absichtsvoll indifferent: Am Anfang noch stehen sich hier die „Mitbürgerinnen und Mitbürger“ und dort „die NATO“ gegenüber. Im zweiten Teil könnte das „Wir“ wieder „die NATO“ bedeuten, aber auch die „Mitbürgerinnen und Mitbürger“ meinen, so sitzen wir im gemeinsamen Boot, sind beide von Schröder schuldfrei gesprochen, weil sie nur das Gute wollen.
Auf Scharping (SPD), damaliger Kriegsminister unter Schröder, mit seiner Erfindung des „Hufeisenplanes“ und Fischer (Die Grünen/Bündnis90), unter Schröder Außenminister, und seinem Hinweis, ein neues Auschwitz verhindern zu wollen, soll hier nicht auch noch eingegangen werden.
Krieg für geopolitische Vorherrschaft und damit verbundene ökonomische Interessen, dafür läßt sich nur schwer die Zustimmung der Bevölkerung und der Parlamente bekommen. Die Mehrheit der Bürger wäre nicht bereit, für solche Motive zu töten oder zu sterben. Aber für die Durchsetzung von Unabhängigkeit, Frieden, Freiheit, Menschenrechten, humanistischen/europäischen/christlichen … Werten, dafür schon, und deshalb werden diese hochtrabenden Ideale „ins Feld“ geführt.
Am Anfang der intensivierten Berichterstattung über die Ukraine wurden die Gründe für die massiven Einmischungen von außen nur einmal so eindrücklich geschildert und nur begrenzt verschleiert, so daß es mir im Gedächtnis blieb:
In einem einfachen Mickey-Mouse-Kurzfilm mit Schautafeln wurde am 24. Februar 2014 (Zeitlicher Kontext: Die Frage „Wer schoß am 20. Februar auf dem EuroMaidan in Kiew?“ beschäftigte immer noch die Interessierten.) auf ARD-online in 1: 47 Minuten dargestellt, worum es bei diesem Konflikt in der Ukraine geht:

Interessenlage der EU und Russlands – Was macht die Ukraine interessant?

Die Ukraine ist für Russland und die EU nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch von großem Interesse. Doch warum ist das eigentlich so? Welche Ziele verfolgen die beiden Länder genau? Und wie viele Russen leben eigentlich in der Ukraine?
Gerade mal 600 km liegen zwischen der Ostgrenze Deutschlands und der Westgrenze der Ukraine. Sie ist nach Russland der zweitgrößte Flächenstaat Europas. 46 Millionen Menschen leben dort, 78 % von ihnen sind Ukrainer [in der Karte wird die Zahl links platziert] 17 % sind Russen [rechts platziert]. Der von den Ukrainern dominierte Westen ist die Kornkammer des Landes, der von den Russen dominierte Osten ist das industrielle Zentrum: Bergwerke und Schwerindustrie produzieren dort den Reichtum des Landes. Von jeher war der Osten die Einflusssphäre Moskaus, auf der Krim liegt die Russische Schwarzmeerflotte vor Anker.
Nicht nur militärisch, auch wirtschaftlich ist die Ukraine von größtem Interesse [der EU-Sternenring wird aufs Land gelegt] Die EU will sie per Freihandelsabkommen an sich binden. Damit würden die Europäer ihre eigenen Absatzmärkte erweitern und leichteren Zugang zu den Bodenschätzen der Ukraine gewinnen.
Ähnliches plant Russland: Für Präsident Putin ist der westliche Nachbar wichtiger Mosaikstein in seiner Eurasischen Union, die er als Gegengewicht zur EU plant.
Würden sich aber die pro-europäischen Kräfte in der Ukraine durchsetzen, könnte dies auch der Opposition in Russland Auftrieb geben.[ !!! ]
Für welche Strömung sich die Ukrainer selbst bei Wahlen entscheiden werden ist übrigens offen, Umfragen zufolge liegen beide Lager in etwa gleich auf. So wird Russland wohl weiter den Geld- und den Gashahn auf- oder zu drehen, schließlich ist die Ukraine hochverschuldet und verbraucht mehr Energie, als die meisten anderen Länder in Europa.
Und der Westen wird weiter seine Leute fördern [im Bild: Merkel, Klitschko, Jazeniuk, bei 1:41min. ganz kurz am rechten Bildrand Radoslaw Sikorski, z.Zt. der Filmaufnahme poln. Außenminister] wie etwa die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU, sie unterstützt die Klitschko-Partei. /6/

Die hier genannten Gründe und ihre Beteiligten, so oberflächlich und vereinfachend sie auch beschrieben werden, sollten in der später stattfindenden Berichterstattung über die Ukraine kaum noch eine Rolle spielen, jedenfalls nicht die EU-Interessen und nicht die Interessen Deutschlands. Die Interessen der USA übrigens, wurden gar nicht erwähnt, obwohl sie, nach Aussagen von „Fuck-the-EU“ – Victoria Nuland /7/, im US-Außenministerium zuständig für Europa, schon 5 Milliarden US-Dollar in eine wünschenswerte Ukraine investiert haben und sich mit dem von ihnen ausgesuchten zukünftigen Ministerpräsidenten Jazeniuk, nur drei Tage später, am 27. Februar 2014, gegenüber dem von Deutschland geförderten Klitschko durchsetzte. Der im US-Außenministerium für Öffentlichkeitsarbeit, also Propaganda, zuständige Richard Stengel, bezeichnete die Vorwürfe gegen die USA als russische Propaganda und Desinformations-Kampagne. /8/
Was deutlich wird: Im Wesentlichen plant das Ausland, was in der Ukraine abläuft. Dazu bedienen sie sich auch der konkurrierenden oligarchen Machteliten innerhalb der Ukraine – für deutsche „Leit-Medien“ kein Thema.
Die negativen Gefühle auf den Führer des feindlichen Lagers konzentrieren: Seit März 2014 wird Putin im Kontext der Ukraine-Nachrichtensendungen in vielen deutschen Medien dämonisiert, zum Durchtriebenen und Hinterhältigen, zum Brandstifter und Kriminellen, zum Verbrecher und Diktator, zu einem neuen Stalin oder einem Neo-Imperialisten erklärt. Mal wird er in eine Zaren-Uniform gesteckt, mal in eine Nazi-Uniform, „Spiegel“ und „Bild“ fordern die Welt auf, Putin endlich zu stoppen, im Internet sprechen viele gar nicht mehr von Putin, sondern nur noch von „Putler“. Politikerinnen und Politiker, Journalistinnen und Journalisten, Mediennutzerinnen und Mediennutzer brauchen offensichtlich „Gute“ und „Böse“, die sie klar und einfach identifizieren können. Am einfachsten wird das erreicht, so schrieb Morelli, „indem man den jeweiligen „Teufel vom Dienst“ als neuen Hitler präsentiert.“ Wer es dann wagt, Zweifel an der Richtigkeit der Behauptungen zu äußern, der wird ebenfalls disqualifiziert. Für einen neuen Hitler könne man ja wohl weder Sympathie noch Verständnis entwickeln. Erst durch diesen Mechanismus konnte „Putin-Versteher“ zu einer abwertenden Zuschreibung werden.
Der Feind begeht absichtlich Grausamkeiten: Gegenseitige Anschuldigungen und Vorwürfe entstehen durch die Konfrontation mit den Realitäten einer gewaltförmigen Auseinandersetzung bzw. eines Krieges. Nachrichten über die Geschehnisse werden von den Nachrichten- und Propagandabüros bewußt in Umlauf gebracht, um Angst und Haß, ohnehin schon vorhandene Gefühle, die mit Vorurteilen und Feindbildern verbunden sind, noch weiter zu verstärken. Legenden zu relativieren oder aus der Welt zu schaffen, wäre häufig nicht so schwer. Um Feindbilder für die Propaganda aufrecht zu erhalten, wird jedoch Aufklärung durch Nichtstun bzw. aktiv verhindert. Beispiele sind die Nichtaufklärung der Todesschüsse durch Scharfschützen auf dem EuroMaidan am 20. Februar, das Pogrom in Odessa am 2. Mai (deutsche Politiker und Journalisten sprechen nicht von einem Pogrom, sie reden vom „Drama“ bzw. einer „Tragödie“), der Abschuß der malaysischen Boeing Flug MH-17 am 17. Juli. Der Beschuß der Zivilbevölkerung in den Städten durch Artillerie und Raketenwerfer der ukrainischen Nationalgarde und ihrer Freiwilligenbataillone, der zu zahlreichen Toten und Verletzten führt, wird in den deutschen Medien überwiegend verschwiegen. Die ukrainische Führung teilt dann regelmäßig mit, die „Terroristen“ oder „Separatisten“ hätten selbst die Städte beschossen, um diese Verbrechen der ukrainischen Armee, der Nationalgarde oder den Freiwilligenbataillonen zuzuschieben.
Der Feind verwendet unerlaubte Waffen: Im Internet finden sich Vorwürfe der Verwendung von Phosphorbomben, von Streubomben, von chemischen Kampfstoffen. Im September hatte der ukrainische Verteidigungsminister Walerij Geletej gemeldet, der Flughafen der ostukrainischen Stadt Luhansk sei möglicherweise mit nuklearen Gefechtsköpfen beschossen worden. Solche Alleingänge bei Verkündigungen sind natürlich nicht gern gesehen, da die Gefahr besteht, sich lächerlich und mit überzogenen Lügen völlig unglaubhaft zu machen. Deshalb gibt es dafür professionelle Berater wie Anton Gerashchenko, der für das ukrainische Innenministerium arbeitet und den Verteidigungsminister via facebook ermahnte. /9/
Der Unmut über die Berichterstattung der deutschen Medien führte zu starker Kritik an den Rundfunkanstalten, Fernsehsendern, Zeitungen und Zeitschriften und in den Kommentarmöglichkeiten ihrer Internet-Repräsentanzen. Erstmalig sahen die Leitungen sich gezwungen Statements abzugeben, Sondersendungen und Beiträge durchzuführen, die die Kritik entkräften und bagatellisieren sollten. Einige, die Realität widerspiegelnde Beiträge konnten gesehen und gelesen werden. Inzwischen nehme ich eher ein „Zurück auf Start“ wahr.
Journalisten des „öffentlich-rechtlichen Rundfunks“, also Bundes- und Landeseinrichtungen, nehmen seit August/September inzwischen auch als embedded-Journalisten auf nur einer Konfliktseite am Kriegs-Geschehen teil: Z.B. Frau Sabine Adler vom Deutschlandfunk, sie hatte sich schon seit Monaten für Einseitigkeit und Parteilichkeit stark gemacht, sie war beim Freiwilligen-Bataillon des Rechten Sektors, spricht mit ihrem Anführer Jarosch, mit den „angeblichen Faschisten“, die sie lieber „Kämpfer“ nennt und als tierliebe Männer beschreibt, die nicht mal einem auftauchendem Waschbären Böses tun. Verharmlosung kann man kaum besser gestalten. /10/
Z.B. Herr Udo Lielischkies, für den WDR/die ARD als Propagandist tätig, war mit dem „Freiwilligen-Bataillon „Mirotworetz““ unterwegs. Alles Männer, die nur Gutes wollen, sie werden als Opfer des Geschehens beschrieben, die „Separatisten“ als Täter, die hinterhältig sind und sich nicht an Vereinbarungen halten. Der Film, der dann in der ARD gezeigt wird, ist als Propagandafilm schlecht gemacht, weil er einige deutliche Logikfehler enthält, so daß das Ziel des Filmes relativ schnell durchschaubar wird. Wir sollen auch Mitleid oder Mitgefühl für „die Freiwilligen“ entwickeln, einige Male wird wiederholt, daß auch dieser Soldat nur noch wenige Stunden leben wird.
Die Sympathien und die Antipathien der Journalisten, die sie in ihren Berichten auch transportieren, sind eindeutig. /11/
Die deutschen Journalistinnen und Journalisten bedienen sich überwiegend beim Ukraine Crisis Media Center /12/, täglich gibt es Pressekonferenzen, auch der Sprecher des Informationsanalysezentrums des Nationalsicherheits- und Verteidigungsrats, Oberst Andrij Lysenko, ist täglich vor Ort. Alle wichtigen Politiker kommen im Hotel „Ukraina“ vorbei, um alles Wichtige mitzuteilen. Finanziert wird das ganze Szenario vom weltweit tätigen Demokratie-Freiheit-Menschenrechte-Unterstützer US-Milliardär George Soros, sowie einer ukrainischen Tochterfirma von Weber-Shandwick, dem größten Public-Relations-Netzwerk der Welt mit Sitz in NY. So ist Einseitigkeit und Propaganda garantiert, deshalb lesen wir fast überall dieselben Sätze.
Neben der Zensur von Kommentaren zu Artikeln im Internet, sind einige deutsche Fernseh- und Radiostationen dazu übergegangen, die Kommentarfunktion zu Beiträgen ganz abzuschaffen oder nur noch zeitlich sehr begrenzt zu öffnen. Eine öffentliche Kritik und Diskussion soll unterbleiben.
Tatsächlich, schon fast wie ich mir die Arbeitsstätte in Orwells Wahrheitsministerium vorstellte, wo täglich die Geschichte eine neue Anpassung erfuhr, Tageszeitungen von vor 20 Jahren auch überarbeitet wurden, damit sie mit der aktuell verkündeten Politausrichtung übereinstimmen. So änderte z.B. erst in der vergangenen Woche der WDR nachträglich einen Eintrag vom 13.10., um Falschmeldung und Lüge verschwinden zu lassen. Der ursprüngliche Originaltext vom 13.10. lautete: „Russland ist der Aufforderung des Westens nach eigenen Angaben gefolgt und hat damit begonnen, seine Soldaten aus dem Kampfgebiet zurückzuziehen„.
Nachdem es massive Kritik gab, lautet die neue Version nun: “Russland hat nach eigenen Angaben begonnen, Soldaten von der Grenze zur Ostukraine abzuziehen.” /13/
Das institute for propaganda analysis in den USA hatte nur eine kurze Lebensdauer. Es wurde erst 1937 gegründet und schloß offenbar schon wieder 1942. Es sollte helfen Propaganda zu erkennen, auch um sich dagegen zu schützen. /14/ Ein kleines „Learning the ABC’s of Propaganda Analysis“ ist noch erhalten geblieben und von Aaron Delwiche bewahrt worden. /15/
In der Hochzeit des Kalten Krieges, der Stationierung der Atomraketen in Mitteleuropa Anfang der 80er Jahre entwickelte sich auch ein Fachgebiet mit relativ hohem Tempo: die Friedens- und Konfliktforschung. Sicherlich immer marginal im universitären Bereich, jedoch mit einigen Anknüpfungspunkten an die Friedensbewegung, zumindest in Deutschland. Die Vorurteilsforschung war Grundlage für das Verstehen der Entwicklung von Feindbildern, im Einzelindividuum, in Gruppen und in der Gesellschaft.
Wie uns 35 Jahre Erkenntnisse aus diesem Bereich gegen die Kriegstreiber unterstützen könnten, wäre vielleicht das Thema eines Folgeartikels. Denn merkwürdig ist auch hier, daß sich in diesem Bereich Tätige bisher im Eskalationszeitraum zur Ukraine und den deutschen Medien nicht zu Wort gemeldet haben, vielleicht habe ich sie nicht gehört? Journalistinnen und Journalisten brauchen jedoch massenhaft Weiterbildungen (oder provokativer: Erziehungsanstalten?), wie sie zu einer Deeskalation von Konflikten, zum Abbau von Feindbildern beitragen können, Friedens- statt Kriegsdiskurs unterstützen. Für eine Nachkriegsberichterstattung ist ausreichend Arbeit da!
Ist das Internet in demokratiepolitischer Hinsicht ein Zuwachs? Ich würde sagen: Ja. Ich habe den Eindruck, die Führungsebenen in den Rundfunk- und Fernsehanstalten haben noch nicht begriffen, was los ist. Und wir können jetzt schon beobachten, wie sie versuchen, die Kontrolle wieder zu erlangen.

/01/ https://twitter.com/JTrittin/status/500745915461029888
/02/ Arthur Ponsonby: Lügen in Kriegszeiten. 1928 in engl., 1930 in dt. Übersetzung im Verlag Georg Stilke Berlin erschienen.
/03/ War made easy – Wenn Amerikas Präsidenten lügen. Dokumentarfilm von Loretta Alper und Jeremy Earp, mit dem Journalisten und Medienkritiker Norman Solomon und dem Friedensaktivisten Sean Penn als Sprecher. https://www.youtube.com/watch?v=XsWj9MuWNMY
/04/ Anne Morelli: Die Prinzipien der Kriegspropaganda. Springe: Klampen Verlag 2004.
/05/ http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Prinzipien_der_Kriegspropaganda
/06/ http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine1116.html
/07/ http://www.youtube.com/watch?v=MSxaa-67yGM
http://www.bbc.com/news/world-europe-26079957
/08/ http://blogs.state.gov/stories/2014/04/29/russia-today-s-disinformation-campaign
/09/ http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/verteidigungsminister-sorgt-mit-bericht-ueber-atomschlag-fuer-gespoett-13168217.html
/10/ http://www.deutschlandfunk.de/ukraine-faschist-oder-freiheitskaempfer.1773de.html?dram:article_id=297070
http://www.deutschlandfunk.de/kaempfe-in-der-ostukraine-ein-land-im-widerstand.724de.html?dram:article_id=297407
/11/ „Tödliche Falle Ilowajsk – Putins Armee im Ukrainekrieg“
Ein Film von Udo Lielischkies und Georgij Tichy (44:27)
Ausstrahlung: 06. Oktober 2014, 22.00 – 22.45 Uhr
http://www1.wdr.de/fernsehen/dokumentation_reportage/die-story/sendungen/toedliche-falle-ilowajsk100_compage-2_content-long.html#comment
http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/videos/weltspiegel-extra-moerderischer-ukraine-krieg-flucht-aus-ilowajsk-106.html (14:55)
http://www.youtube.com/watch?v=O_6d2M6zun0
/12/ http://uacrisis.org/
/13/ http://www1.wdr.de/radio/nachrichten/wdr345/radiohomepage191186.html
/14/ http://en.wikipedia.org/wiki/Institute_for_Propaganda_Analysis
/15/ http://www.propagandacritic.com/

Thomas Leusink ist Redaktionsmitglied des telegraph und lebt in Berlin.