Ein Opfer wird zum Täter gemacht!

Die alte, neue Methode der Polizei

aus telegraph 13/1990
von Dietmar Wolf

Am 8.7. gegen 3.00 Uhr werden zwei Männer, auf dem Ostberliner Helmholtzplatz, Fahrrad fahrend von fünf Personen, wahrscheinlich Faschos, mit Knüppeln angegriffen. Derweil einer der Opfer entkommen konnte, wurde der andere vom Fahrrad geprügelt und dann zusammengeschlagen. Als die Schläger samt Fahrrad verschwanden, brachte der zuvor Geflohene seinen Freund ins Cafe Schliemann und von dort ins Krankenhaus. Befund: 2 Finger gebrochen, Rippenprellung linke Seite, blaues Auge.

Am gleichen Tag erstattete der Geschädigte im Polizeirevier Schönhauser Allee Anzeige.
Seitens der VP kamen dabei merkwürdige Fragen als auch Äußerungen, wie z.B.: „Es käme ja auf beiden Seiten vor“. Fragen nach der politischen Gesinnung, nach einem weißen Ford. Sie schienen diese Vorgehensweise zu kennen. Damit nicht genug. Am 18.7. wurde der
Geschädigte zum Verhör geladen. Es wurde erneut der Tathergang abgefragt. Der Vernehmer erwähnte außerdem, daß am 8.7. ein Dachstuhlbrand von einer Person mit gleichen Namen wie das Opfer gemeldet wurde. Ob er es war. Nach dessen Verneinung konnte er gehen. Am nächsten Tag, erneute Vorladung des Opfers. Der Vernehmer, ein
gewisser Wolf, fragte wieder (äußerst unhöflich) nach politischer Einstellung des Opfers und wiederum nach den Tathergang. Das Opfer wäre auf Grund seiner Kleidung logisches Ziel für derartige Angriffe. Die Befragung lief in einem Stil ab, als wäre das Opfer der Täter.
Hinzu kamen Fragen nach dem Schliemanncafe, seinen Gästen und Betreibern.

Nach der Vernehmung machte das Opfer unter dem Protokoll einen handschriftlichen Vermerk, daß es sich bei dem Befragten um das Opfer handele, da das Protokoll den Anschein erweckt, als wenn der Täter vernommen worden wäre. Dies ist kein Einzelfall. Derartiges passiert in letzter Zeit des Öfteren. Die Sache ist ziemlich klar. Opfer
werden zu Tätern gemacht, vermeintliche linke Gesinnung ist Anlass zu schlechter Behandlung. Die Polizei hat offenbar ihren „Oktoberschock“ schon lange überwunden. Dank Diestel, weiß man bei der Polizei wieder wozu der Knüppel am Koppel baumelt.

d.w.