Das Gespenst des „osteuropäischen Luftkreuzes“ wieder in Diskussion

aus telegraph 02/1990, vom 22. Januar

Über einen neuen „Großflughafen“ informierten der Präsident der Interflug Dr. Klaus Henke und der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Lufthansa AG Heinz Ruhnau auf einer Pressekonferenz am Freitag. Bis 1995 sollen alle Vorbereitungen abgeschlossen sein, sodaß der Bau beginnen kann. Über den genauen Standort des Flughafens sei man sich noch nicht einig, der Süden Berlins biete jedoch bessere Voraussetzungen als der Norden. Im Rahmen einer Vertragsgemeinschaft zwischen Lufthansa und Interflug soll der Linien- und der Frachtverkehr zwischen den beiden deutschen Staaten forciert werden. Geplant ist ein gemeinsames Charterunternehmen.

Das Vorhaben, das ursprünglich für die Nähe von Oranienburg geplant war, dient offenbar dem erwünschten „Osteuropäischen Luft­kreuz“, das die infrastrukturelle Erschließung Osteuropa für das westliche Kapital sichern soll. Für die Anwohner bedeutet es einen rapiden Anstieg der Schadstoff- und Lärmemission, für die auch fernere Umgebung Anstieg von Grundstücks, Haus- und Mietpreisen, Industrieansiedlungen und der Einbruch des Spekulantentums. Aus ökonomischen wie aus ökologischer Sicht ist der geplante Flughafen für die DDR eher schädlich. Statt, wie offenbar im Kalkül der Luftfahrtunternehmen, den Verkehr von der Straße und der Schiene in die Luft zu verlegen, sollte die Eisenbahn als ökologisch und auf die Dauer ökonomisch günstigste Variante vor der Luft und der Straße rangieren. Ein Ausbau der west-östlichen Fernverbindungen auf der Schiene, z.B. eine Schnelltrasse bietet sich als wesentlich günstigere Variante an. Die Bevölkerung sollte sich von Vertretern wirt­schaftlicher und politischer Partialinteressen nicht abhalten lassen, das langfristige Interesse der Mehrheit und des Landes durchzusetzen.

r.l.

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