aus telegraph 2/3 1996
von mb
Durch den Mediendonner der letzten Wochen haben auch wir es mitbekommen: Das Ansehen der Bundeswehr ist gefährdet. Auch in der DDR waren die Herrschenden um das Prestige ihrer Vaterlandsverteidiger besorgt. Zur Erinnerung § 220, Abs. 1 des Strafgesetzbuches der DDR lautete: „Wer in der Öffentlichkeit die staatlichen Organe oder staatliche Ordnung, Einrichtungen oder gesellschaftliche Organisationen oder deren Tätigkeit oder Maßnahmen herabwürdigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Verurteilung auf Bewährung, Haftstrafe, Geldstrafe oder mit öffentlichem Tadel bestraft.“ Was für das Renommee der NVA gut war, erschien dem neuen Justizminister Schmidt-Jortzig für das Ansehen der Bundeswehr offenbar billig. Nicht nur den Tatbestand der „öffentlichen Herabwürdigung“ sondern auch der Strafrahmen sind in den Gesetzesvorschlag seines Ministeriums übernommen worden. Nur die Aufnahme des „öffentlichen Tadels“ erschien ihm wohl zu peinlich. Die Oberdemokraten der Unionsfraktion im Bundestag halten gar einen höheren Strafrahmen (bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe) für sinnvoll.
Doch, wie schade Bundeswehr, alle angestrengten Bemühungen, dein Ansehen in der Öffentlichkeit zu schützen, werden ausgerechnet von der Wehrbeauftragten des Bundestages, Claire Marienfeld, gnadenlos torpediert. Ihr Patentrezept heißt für die Oliv-Grünen rein in die Öffentlichkeit. Die „geräuschlose Bundeswehr ist nicht immer angebracht“, meint Claire. Stattdessen sollen die Soldaten nicht nur auf ihren Truppenübungsplätzen sondern mehr im öffentlichen Gelände üben. Die Tiefflugopfer werden es zu schätzen wissen. Oder die Menschen, die in den niedersächsischen Dörfern zwischen den Übungsplätzen Munster und Bergen wohnen, über deren Köpfe die Artillerie das Schießen von Munster nach Bergen oder umgekehrt übt.
Unbestätigten Gerüchten zufolge soll dabei schon so manche Kirchturmspitze draufgegangen sein. Aber, Frau Claire, wie wäre es, wenn sich das in Storkow bei Berlin auf seinen Bosnien-Einsatz vorbereitende Pionier-Bataillon 801 passend zum Osterfest ein paar Minenfelder verlegt. Ein heiteres Eiersuchen im Minenfeld dürfte die Zeit der Geräuschlosigkeit beenden. Marine-Manöver im Strandbad Wannsee dürften für ein noch größeres Publikum sorgen. Vorausgesetzt das Wetter stimmt.
Noch besser aber ist Claires Feststellung, daß sich der Fraß beim Bund vervollkommnet hat. In ihrem kürzlich vorgelegten Jahresbericht 1995 glaubt sie, daß „die zur Verbesserung der Verpflegung bereits in vielen Truppenküchen angebotene Komponentenverpflegung mit Tauschmöglichkeiten einzelner Kostbestandteile“ das Niveau des Wiener Schnitzel mit Standardbratensoße angehoben habe. Also, Ihr Gourmets, auf zur Bundeswehr! Pech hat aber, wer Vegetarier und Gourmet zugleich ist. Die Hardthöhe hat nämlich bemerkt, daß das Vegetarier-Dasein ungesund ist. In einem vom Verteidigungsministerium 1990 herausgegebenen „Merkblatt für Wehrpflichtige mit besonderen Kostformen“ heißt es, daß für den Vegetarier in Uniform „auf Anweisung des Truppenarztes für einen Zeitraum von bis zu 6 Wochen Schonkost verordnet werden“ kann, um den Übergang vom Körnerfresser zum ordentlichen Soldaten zu erleichtern. Nicht nur diese Schonkost, nein auch die „allgemeine Verzehrgewohnheiten berücksichtigende Mischkost“, die der gemeine fleischfressende Landser zu sich nimmt, ist nach „gesicherten(!) ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen zusammengesetzt“. Derart gesichert ernährt, hat der nach Ansicht der Hardthöhe an Blutarmut leidende Vegetarier schnell seinen Vitamin B 12- und Eisenmangel überwunden. Dabei könnte doch eine aus blutlosen Vegetariern bestehende Kompanie die Storkower Blauhelme im bosnischen Einsatzgebiet beschützen, wenn aus dem benachbarten Transsylvanien einfallende Vampir-Horden die Lage auf dem Balkan noch unübersichtlicher machen wollen.
Übrigens, Ihr noch immer nicht pazifistischen Gourmets, seid Ihr einmal beim Bund, gibt´s kein zurück mehr. Nach § 18 des Soldatengesetzes ist die Teilnahme an der Komponentenverpflegung mit Tauschmöglichkeiten einzelner Kostbestandteile eine Dienstpflicht.
Es kommt aber noch schlimmer für die Bundeswehr. Bisher für Generationen von Bundeswehr-Landsern sinnstiftender Spruch über die 1955 wieder eingeführte allgemeine Wehrpflicht war das Zitat des früheren Bundespräsidenten Theodor Heuss: „Die allgemeine Wehrpflicht ist ein legitimes Kind der Demokratie und ihre Wiege liegt in Frankreich.“ Und nun schaffen ausgerechnet die Franzosen die Wehrpflicht ab, was Minister Rühe zu der Bemerkung veranlaßte, daß dadurch das Konzept der Wehrpflicht-Armee in Deutschland gestärkt werde. Schon 1993 bestritt der von der Hardthöhe hochbezahlte Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr (SOWI), Prof. Fleckenstein, im Berliner Tagesspiegel eine „wesensgemäße Entsprechung von Demokratie und Wehrpflicht“. Der „ideologische Qualm“ (Fleckenstein) hat dem Rühe wohl das Gehirn vernebelt.
Tja, Bundeswehr, derart ansehensmäßig ungeschützt, bleibt nur noch Maulkorb für Frau Claire und Volker oder öffentlicher Tadel oder als harte Strafe eine Fünf-Gänge-Menü aus austauschbaren Komponenten einer Bundeswehr-Feldküche.
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