aus telegraph 3/1989 (#03)
Westliche Medien heben hervor, daß eine erweiterte Politbürotagung der SED eine Erklärung verfaßt hat, in der eine gesellschaftliche Diskussion in der DDR angekündigt wird. In der im „Neuen Deutschland“ vom 12. Oktober abgedruckten Fassung finden wir wenig davon.
Wir warnen entschieden davor, diese Versuche, dem gesellschaftlichen Druck in letzter Minute auszuweichen, als tatsächliches Umdenken überzubewerten. Reformen kann uns niemand „von oben“ zum Geschenk machen – wir müssen sie in Wahrheit und Solidarität erringen.
Als minimale Voraussetzung für einen Dialog vermissen wir:
1. die Freilassung der im Zusammenhang mit Protest- und Verzweiflungsaktionen Inhaftierten, die Aufhebung der ergangenen Urteile, Strafbefehle und Ordnungsstrafen, sowie Einstellung der Ermittlungsverfahren;
2. das klare Eingeständnis der eigenen Verantwortung des Politbüros für die in unserem Land entstandene Situation;
3. Anerkennung aller demokratischen Bürgerinitiativen, weil die zugelassenen „Formen und Foren der sozialistischen Demokratie“ offensichtlich nicht ausreichen.
Dialog ist nur auf gleichberechtigter Basis unter freien Bürgern möglich und schließt alle Formen der demokratischen Meinungsäußerung ein.
Berlin, den 12.10.89
Gruppe Gegenstimmen
Friedenskreis Friedrichsfelde
Umwelt-Bibliothek Berlin
Mitglieder des Friedenskreises Weißensee
Kirche von Unten, Berliner Gruppe
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