Beschluß des Ministerrats vom 8. Januar zur Müllpolitik

aus telegraph 3/1990

Am 8. Januar lag dem Ministerrat eine „Information zur Abnahme von Abfallstoffen durch die DDR aus dem Ausland …“ vor, auf deren Grundlage er eine Reihe von Maßnahmen beschloß. Die Beschlußvorlage dazu hat unsere Redaktion erreicht, leider nicht die „Information“. Sie muß verheerend gewesen sein, denn aus der Beschlußvorlage wird deutlich die Betroffenheit deutlich. zwar will die Regierung den Müllimport aus dem Westen fortsetzen, ist sich aber der bereits entstandenen Schäden bewußt. Obwohl die Regierung eine „breite Öffentlichkeitsarbeit“ beschloß, verheimlichte er seinen Beschluß zur Müllpolitik. Wir veröffentlichen ihn hier im Wortlaut:

II. Vorschläge und Maßnahmen zum weiteren Vorgehen.
Der Senat von Berlin (West) und die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik sind an der weiteren Abnahme von Abfallstoffen durch die DDR im Rahmen der Verträge nach wie vor interessiert. Das erfordert Maßnah¬men, insbesondere der Sanierung der Deponien, der Reduzierung der Abnahme von Abfallstoffen mit höherem Schadstoffgehalt, der Mitnutzung der Deponien zur Beseitigung von Siedlungsabfällen aus dem Bezirk Potsdam, der Mitnutzung der Deponie Schönberg zur Beseitigung von Abfallstoffen aus der DDR, der Lösung kommunaler Probleme sowie eine breite Öffentlichkeitsarbeit. Eine Abnahme von Abfallstoffen aus dem Ausland kann weiter¬hin nur bei Gewährleistung bzw. Herstellung einer hohen Umwelt¬sicherheit vorgesehen werden.
Im Einzelnen werden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

1. Für die Deponie Vorketzin und Schöneiche sowie für die Deponie Schöneicher Plan ist ein Sanierungskonzept zu erarbeiten und Angebote von potentiellen ausländischen Firmen einzuholen. Auf dieser Grundlage ist ein Finanzierungsmodell vorzulegen. Dabei ist ein Anteil an DDR-Leistungen zu sichern. Die Sanierungskonzeption ist von unabhängigen Gutachtern, die vom Minister für Naturschutz, Umweltschutz und Wasserwirtschaft zu beauftragen sind, zu prüfen und zu bestätigen.
Verantwortlich:
Vorsitzender des Rates des Bezirks Potsdam Oberbürgermeister von Berlin
Minister für Außenwirtschaft
Termin: März 1990
2. Der Anschluß der gefährdeten Städte und Gemeinden, der Kreise Nauen, Zossen und Königswusterhausen an das zentrale Trink- und Abwassernetz ist vorzusehen. Dazu ist auf der Grundlage eines Gutach¬tens eine Konzeption vorzulegen. Maßnahmen, die 1990 durchzu führen sind, sind mit dem Jahresvolkswirtschaftsplan 1990 zu entscheiden.
Verantwortlich:
Vorsitzender des Rates des Bezirks Potsdam
Vorsitzender der Staatlichen Plankommission
Minister für Naturschutz, Umweltschutz und Wasserwirtschaft
Termin: März 1990
3. Durch die Intrac Handelsgesellschaft mbH sind unverzüglich Gespräche mit der Westberliner Seite aufzunehmen mit dem Ziel, daß die Kosten für die Sanierung der Deponiestandorte und den Anschluß der Städte und Gemeinden an das Trink- und Abwassernetz von Westberlin übernommen werden.
Verantwortlich:
Minister für Außenwirtschaft
Minister für Finanzen und Preise
Termin: 31. 1. 1990
4. Mit der Westberliner Seite ist zu vereinbaren, daß die Abnahme von Sonderabfallstoffen auf der Deponie Vorketzin eingestellt wird. Diese Sonderabfallstoffe werden nur noch in dem Umfang abgenommen, wie eine Beseitigung in der Hochtemperaturverbrennungsanlage Schöneiche möglich ist.
Bis zur Aufnahme des Dauerbetriebes dieser Verbrennungsanlage ist eine Zwischenlagerung in Berlin (West) oder eine anderweitige Lösung von der Westberliner Seite zu fordern.
Verantwortlich:
Minister für Außenwirtschaft
Termin: 31. 1. 1990
5. Die Abnahme von Abfallstoffen aus dem NSW auf den Deponien im Bezirk Potsdam ist einzustellen. Für das Jahr 1990 sind mit den Vertragspartnern Übergangslösungen zu vereinbaren. Evtl. entstehende Belastungen für den Staatshaushalt durch die Zahlungsbi¬lanz der DDR sind vor Vertragsabschluß der Regierung zur Entscheidung vorzulegen.
Verantwortlich:
Minister für Außenwirtschaft
Vorsitzender des Rates des Bezirks Potsdam
Vorsitzender des Rates des Bezirks Rostock
Termin: 31. 1. 1990
6. Zur schrittweisen Verbesserung der Situation auf dem Gebiet der Abfallwirtschaft der DDR ist die Abnahme von Siedlungsabfällen aus dem Bezirk Potsdam auf den Deponien des VEB Deponie Potsdam sowie die Mitnutzung der Deponie Schönberg (Bezirk Rostock) für die Abnahme von Abprodukten aus DDR-Aufkommen von jährlich insgesamt ca. 200 000 t vorzusehen.
Verantwortlich:
Vorsitzender des Rates des Bezirks Potsdam
Vorsitzender des Rates des Bezirks Rostock
Minister für Außenwirtschaft
7. Ab 1991 ist jährlich eine Bilanz der Valutaeinnahmen und ausgaben aus dem Abfallstoffgeschäft aus dem Ausland vorzulegen. Damit verbunden sind Vorschläge zur objektkonkreten Verwendung von Nettoerlösen aus dem Abfallgeschäft für Projekte des Umweltschutzes zu unterbreiten.
Verantwortlich:
Minister für Außenwirtschaft
Minister für Naturschutz, Umweltschutz und Wasserwirtschaft
Minister für Finanzen und Preise
Vorsitzender der Staatlichen Plankomission
8. Zur Senkung des Anfalls der auf DDR-Territorium aus Westberlin zu beseitigenden Abfallstoffe ist entsprechend einer Vereinbarung zwischen dem Minister für Naturschutz, Umweltschutz und Wasserwirtschaft und der Westberliner Senatorin für Umweltschutz und Stadtentwicklung die Errichtung einer gemeinsamen Aufbereitungsanlage für Abfallstoffe zur gleichzeitigen Rückgewinnung von Wertstoffen gemeinsam mit dem Magistrat von Berlin, dem Rat des Bezirks Potsdam und dem Senat von Westberlin zu prüfen.
Verantwortlich:
Generaldirektor Intrac Handelgesellschaft mbH
Oberbürgermeister von Berlin
Vorsitzender des Rates des Bezirks Potsdam
Termin: 30. 3. 1990
9. Aufgrund fehlender Verbrennungskapazitäten und unterirdischer Deponierungsmöglichkeiten sowie nicht geeigneter überirdischer Deponien ist für Abfallstoffe aus der DDR, die gegenwärtig nicht umweltgerecht beseitigt werden können, eine Verbringung in das NSW vorzusehen. Dies betrifft insbesondere PCB- und PCB-behaftete Abprodukte, Rückstände aus der Leiterplattenfertigung. Dafür sind jährlich 10 Mio VE Erlöse aus dem Abfallstoffgeschäft bereitzustellen.
Verantwortlich:
Minister für Außenwirtschaft/Minister für Naturschutz, Umweltschutz und Wasserwirtschaft
Minister für Finanzen und Preise
Vorsitzender der Staatlichen Plankomission
Termin: 31. 1. 1990