Die Linke in der Krise?

aus telegraph 3/1990
von Dirk Teschner

„Rosa Luxemburg hat ihre Liebe nicht auf eine Masse beschränkt, sie hat die ganze Menschheit geliebt.“(Ingrid Strobl)

Angesichts der Entwicklung in der letzten Woche reden schon wieder viele vom „dummen Volk“ und retten sich in „alternative“ Nischen. Viele geben auf und meinen, „das alles haben wir nicht so gewollt.“

Beim letzten Vorbereitungstreffen für das nächste Treffen der „undogmatischen“ Linken Westberlin-Ostberlin waren, wie bei anderen Zusammentreffen von Linken aus beiden deutschen Staaten, Ziellosigkeit und Hoffnungslosigkeit deutlich spürbar. Bei der momentanen Entwicklung in der DDR reichen die Perspektiven der Linken von der Suche nach neuen Kampforten bis zur Flucht aufs Land (wieder mal).

Während einer Podiumsdiskussion in der Humboldt-Universität am 26.1. versuchten die verschiedensten linken TheoretikerInnen geschickt, dem Problem der Zukunft von DDR und BRD auszuweichen. Sie stritten erst einmal darum, ob die 40 Jahre DDR etwas mit Sozialismus zu tun hatten oder nicht. Marx mußte herhalten bei der These von den verschiensten Entwicklungen des Sozialismus bis hin zum reaktionären Sozialismus.

Haugh wollte die Erlaubnis, daß auch die Linke Selbstzweifel haben dürfe. Er stellte die These auf, daß das Kapital nie scheitern kann, da es weder eine Ideologie hat, noch Moralansprüche vertritt uns somit aussichtlos überlegen ist. Ernst Mandel, Theoretiker des Trotzkismus, widersprach und hielt, als hoffnungsloser Optimist, die wachsenden ArbeiterInnenkämpfe von Spanien, Griechenland bis Brasilien entgegen. Herbert Mißlitz, Mitglied der Vereinigten Linken setzte Nichteingeweihte mit der Behauptung in Stimmung, wir stünden kurz vor der Rätedemokratie. Er verwies, ohne auf deren geringen Prozentsatz aufmerksam zu machen, auf die Räte in Betrieben, der Armee, Schulen und Kommunen und gab den Traum eines Volkskongresses als machbar aus.

J. Agnoli begann ein Defintionsverwirrspiel und vesetzte uns in eine andere Zeit (welche bloß?), als er davon sprach, daß es nicht um das Scheitern oder Nichtscheitern des Sozialismus geht, sondern um die Entwicklung der Utopie Kommunismus. Wolfgang Harich setzte mit seinem Traum vom rot-grünen Deutschland und merkwürdigen Sprachgebrauch die Verwirrung fort.

Nur die (Ex?-)Grüne Jutta Dittfurt vermochte es, realistisch zu denken, ohne aufzugeben. Wichtig war die Klarstellung, daß das Kapitalsystem nicht BRD, USA, Japan ist, sondern Frankfurt/Main und Sao Paulo zusammen. Auch sprach sie von gemeinsamen Aktionen der Protest¬bewegun¬gen in beiden deutschen Staaten in den nächsten Monaten, in Punkten wie Entmilitarisierung, AKW, Mülltransport, Großprojekte (Flughafen) bis zu Gewerkschaftskämpfen.