Kommentar: Westgeld macht fromm

aus telegraph 3/1990
von stud. theol. Uwe – Karsten Plisch
und stud. theol. C. Ritter

Am 26.1.1990 demonstrierten etwa 40 Menschen (hauptsächlich TheologiestudentInnen aus Ost- und Westberlin) vor dem Haus des Bundes der Evangelischen Kirchen in der Auguststraße gegen die gemeinsame Erklärung von EKD und Kirchenbund zur Einheit von Kirche und (Deutsch)land (siehe „Die Kirche“ vom 28.1.1990). Anschließend diskutierten sie ihr Anliegen mit OKR Ziegler und dessen Chauffeur.

Nun ist es also heraus: Auch „die Kirche“, sprich: eine Handvoll Kirchenobrigkeit, wünscht, daß „zusammenwachse, was zusammengehört“. Mit Amtsautorität soll hier die deutsche Einheit auch der Kirchen herbeigeredet werden, womit natürlich politische Signale gesetzt werden. Von der einmal mühsam errungenen Formel von der „Kirche im Sozialismus“ ist nicht mehr die Rede. Sie erweist sich im Nachhinein für viele als bloße ßberwinterungstaktik. Der christliche Biedermann feiert nun vielmehr den Untergang des Sozialismus als das Ende einer Häresie.

Solch Schein-Heiligkeit hat natürlich ihre Gründe: Die Annäherung an die Westkirche, die ihre Steuern immer noch mit Staatsgewalt ein¬treibt und innige Kontakte zu etlichen auch im Südafrikageschäft engagierten Großbanken unterhält, enthebt unsere Kirchenobrigkeit der Notwendigkeit, längst fällige Reformen durchzuführen: die hierarchischen Strukturen aufzubrechen, den Einzelgemeinden mehr Mitverantwortung einzuräumen und vor allem den bürokratischen Wasserkopf der Kirche gehörig abzuspecken, um endlich zur Eigenfinanzierung überzugehen und auf Westalmosen zu verzichten. Freilich, welcher Funktionär hätte sich je selbst seines Amtes enthoben? Daß die Herren (es waren wirklich nur Herren) vergaßen, vor ihrem tendenziösen Statement das Kirchenvolk um seine Meinung zu fragen, wollen wir ihnen verzeihen, sie können nicht anders, denn (über-)natürlich empfängt die Kirche ihre Weisungen stets „von oben“. Und manch einer, der oben sitzt, mag wähnen, er sei bereits der Höchste. Nur ist der Fall von ganz oben manchmal besonders tief. Und vielleicht sind oder werden ja in Lobetal noch ein paar Plätze frei?