aus telegraph 4/1990
von PS
In der Nacht vom 17. zum 18.2. wurden in Ostberlin von rechtsextremen Jugendlichen in der Choriner Straße ein Punk zusammengeschlagen sowie Scheiben des besetzten Hauses Schönhauser Allee 20 eingeworfen. Dazu folgender psychologisch interessanter Augenzeugenbericht:
„Die ungefähr zwölf „Faschos“ verbrachten den Abend im „Choriner Krug“. Als ich mit einem Freund die Gaststätte betrat, war gerade einer von ihnen dabei, unter Beschimpfungen auf einen Punk einzuschlagen. Daraufhin wurde er vom Wirt hinausgeschmissen.
Zum Gaststättenschluß wurden wir, insgesamt vier Punks, mein Freund und ich, von drei mit Knüppeln und Stahlstangen bewaffneten Faschos erwartet. Sie schienen noch auf den Rest ihrer Gruppe warten zu wollen, folgten uns dann aber mit „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“ Gebrülle, Hitlergruß und Gleichschritt. Mit Beschimpfungen und Drohgebärden wollten sie eine Schlägerei provozieren, auf die wir uns aber nicht einließen. Dadurch irritiert, begannen sie zu schubsen und zu schimpfen. Ihre „Bewaffnung“ schien eher rituellen Charakter zu haben; um die Hände frei zu haben, warf der eine seine Stahlstange weg, die ich dann aufhob und über einen Zaun warf. Nun kam so etwas wie ein Gespräch zustande, wenn auch mit Sprüchen wie „Ihr gehört doch vergast“ und „wahrt ihr überhaupt schon im KZ“ unterbrochen.
Inzwischen stieß der Rest der Fascho-Gruppe zu uns und ließ sich, durch die Situation mehr oder weniger überrascht, in das Gespräch integrieren. Es kam aber wieder zu lauten Ausfällen und Schubsereien von Faschoseite, durch die sich vor allem zwei aus der Gruppe hervortaten, jedoch war die Situation so weit entspannt, daß sich einer von ihnen den letzten verbliebenen Knüppel aus der Hand nehmen ließ. Die allgemeine Athmosphäre war aber noch immer unsicher.
Das Ziel des Abends „Plattmachen von Linken“ als „Racheakt“ schien für die Faschos verfehlt. Man wollte zwar noch, fand jedoch keinen Ansatzpunkt und konnte aber auch nicht unverrichteter Dinge nach Hause gehen. Einer von ihnen schlug dann zu. Einer, der die ganze Zeit etwas abseits stand, der nicht wie die anderen durch Kleidung, Haarschnitt, T-shirt-Aufdruck und Aufnäher auffiel, im Gegenteil, nackenlanges gelocktes Haar und Ohrring, Leder- statt Bomberjacke trug, und sich weder an Brüllerei noch Diskussion beteiligt hatte
Er schlug ungeheuer brutal und gezielt auf den etwas abseits in einem Torweg stehenden Punk ein. Als wir eingreifen wollten, wurden wir von den anderen Faschos, komischerweise aus den Grunde, uns zu schützen, zurückgehalten, einzelne von ihnen wollten selbst dazwischengehen, trauten sich aber vor den eigenen Leuten nicht recht.
Als der Punk dann am Boden lag, versuchten alle noch einmal mit dem Fuß zuzutreten, auch, die sich vorher dagegen gestellt hatten. Dann zogen sie sehr schnell ab. Während wir den Verletzten ins Krankenhaus brachten, begnügten sie sich in der Schönhauser Alle 20, da sie dort niemanden antrafen, mit dem Einwerfen der Scheiben.
Der Punk ist inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen worden. Leider hat es in Ostberlin in der Nacht vom 19. zum 20. Februar einen weiteren Vorfall gegeben. Eine Frau vom Linken Dokumentationszentrum und ein Begleiter wurden beim Kleben von Plakaten der Vereinigten Linken von Nazi-Skins überfallen. Die Skins sprühten CS-Gas in die Gesichter und verprügelten die beiden brutal.
Weiteren Überfälle gab es in in Hoyerswerda und Jena.