Ungebrochene Reflektionsunfägkeit bei der SED-Führung

aus telegraph 5/1989
vom 22. Oktober 1989

„Antisozialistische Zusammenschlüsse werden vom Westen geführt und bezahlt“

Nach dem 11. Oktober ist wieder einmal das SED-intern-Blättchen „Informationen“ erschienen, in dem höhere Funktionäre über die derzeitigen Ansichten der Hauptverwaltung Ewige Wahrheiten unterrichtet werden. Und wirklich hat das Käseblatt seit der Januaraffäre 88 nichts an Borniertheit verloren.

Eigentlich gibt es intern nichts Neues: Für den schöpferischen Dialog verfügen „wir“ über alle erforderlichen Formen und Foren.

„Vorgestellt“ werden „unter Bruch der Verfassung und des geltenden Rechts“ gegründete oppositionelle Zusammenschlüsse.Eine zentrale Rolle sei dem Neuen Forum „zugedacht“, das die Geschäfte der Feinde des Sozialismus betreibe. Zugegeben wird, daß es dem Neuen Forum gelungen ist, „bei nicht wenigen Bürgern der DDR, darunter auch jungen Menschen, Gehör zu finden und Verwirrung zu stiften“. Dem Staat werde keine Möglichkeit gegeben, der beteuerten Verfassungstreue der Aufrufer Glauben zu schenken. Der Aufruf, das Machtmonopol des Staates zu beseitigen, stelle beispielsweise eine unerträgliche Diffamierung unserer gedeihlichen Zustände dar. Außerdem handelten die Organisatoren im direkten Zusammenspiel mit der Bonner Regierung und westdeutschen Parteien und Medien. „Dafür spricht“ die Veröffentlichung von Artikeln und die Abgabe von Telefoninterviews von Mitgliedern des Neuen Forum in den Medien. Noch unverhohlener in ihrer antisozialistischen und konterrevolutionären Programmatik und ihrem verfassungsfeindlichen Handeln seien Demokratischer Aufbruch und Sozialdemokratische Partei. Auch diese Zusammenschlüsse erhielten aus der BRD nicht nur geistige Anleihen, sondern zugleich jede erforderliche materielle und finanzielle Unterstützung.

Aufgefordert werden die SED-Genossen, in Vorbereitung des Parteitages mit allen Schichten der Bevölkerung und Bürgern aller Glaubensrichtungen Gespräche zur weiteren Ausgestaltung des Sozialismus zu führen. Es sei dabei wichtig, zwischen Gegnern des Sozialismus und Irregeführten zu unterscheiden, denen geholfen werden müsse, wieder auf den richtigen Weg zu kommen.

© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph