aus telegraph 5/1990
vom 15. März 1990
Nach einer langen Reihe von Kämpfen mit der Bürokratie hat nun endlich der „telegraph“ eine Genehmigung erhalten und wird, anders als bisher, in einer offiziellen Druckerei gedruckt und in einem weiteren Verteilerkreis verkauft. Mit dem Postzeitungsvertrieb dauert es allerdings noch eine Weile. Der hätte, wenn ihm das nicht der Runde Tisch verboten hätte, am liebsten sofort Springer-Zeitungen verkauft. Bei armen Oppositions-Blättern wie unserem zeigt er sich dagegen sehr spröde.
Für Leute, die unser Blatt noch nicht kennen: Wir sind die Nachfolgezeitschrift der seit 1986 illegal erscheinenden „Umweltblätter“ der Umwelt-Bibliothek Berlin. Die „Umweltblätter“ waren im Gegensatz zu ihrem Namen hauptsächlich eine politische Zeitschrift. Auch Umweltthemen wurden von uns immer als Ergebnis bestimmter politischer und ökonomischer Strukturen gesehen. Bekannter wurden die „Umweltblätter“, nachdem im November 1987 ein Stasi-Überfall auf unser Blatt durch DDR-weite Solidarität gescheitert war. Seit den Ereignissen im Oktober 1989 erschienen wir in kürzeren Abständen („je nach Bedarf“) als wahrscheinlich einziges kontinuierliches Nachrichtenblatt der Opposition. Den Namen haben wir aus Ehrlichkeitsgründen in „telegraph“ geändert, weil der Charakter der Zeitschrift ein etwas anderer wurde. Damals wie heute haben wir die Absicht, unterdrückte Nachrichten von Leuten für Leute zu bringen und wir sind daher dringend auf Eure Hilfe angewiesen. Der „telegraph“ kann nur so gut sein, wie die Nachrichten, die Ihr ihm zukommen laßt.
Politisch sind wir geblieben, was wir immer waren, basisdemokratisch und mißtrauisch gegenüber jeder Art von Partei und Obrigkeit, ob sie nun SED, PDS, SPD, DSU, DDR, BRD oder sonstwie abgekürzt wird. Eine solche Haltung wird mittlerweile als „links“ bezeichnet. Wir akzeptieren diese schwammige Benennung zur Not, aber verweisen stattdessen lieber auf unsere Inhalte. Dementsprechend wenden wir uns nicht an eine irgendwie geartete exklusive Szene, sondern haben den Anspruch, einem breiten Publikum verständlich zu sein.
Den nicht konventionellen Drucksatz bitten wir zu entschuldigen. Weil wir die Eigenständigkeit unserer Redaktion wahren wollen, produzieren wir bis auf weiteres auf unserem guten alten Amiga mit einem einfachen Textbearbeitungsprogramm.
Die Redaktion
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