Gespräch mit Michael Mäde am 2.3.90
aus telegraph 5/1990
vom 15. März 1990
telegraph: Du warst anfänglich Mitglied sowohl der PDS als auch der Vereinigten Linken. Dann bist Du aus der PDS ausgetreten und Volkskammerkandidat der Vereinigten Linken geworden. Jetzt bist Du als Kandidat zurückgetreten. Kannst Du uns dieses Hin und Her erklären?
Mäde: Eine Mitgliedschaft in der SED-PDS und der Vereinigten Linken hat mir damals keine inhaltlichen Probleme bereitet. Erst nach dem Einbruch der SED-PDS bei der Kundgebung am Treptower Ehrenmal geriet ich in Konflikt. Durch die verstärkte Arbeit in der Vereinigten Linken habe ich mich dann auch immer mehr inhaltlich von der PDS entfernt. Nach dem Modrow-Besuch bei Kohl zog ich dann den Schlußstrich und verließ die PDS. Es gibt aber noch viele PDS‑ Leute, die versuchen, diese Partei umzukrempeln und mit denen ich mich verbunden fühle. Was meine Volkskammerkandidatur betrifft, kam in der VL Gerede auf, ich wäre nur aus der PDS ausgestiegen, um für die VL kandidieren zu können. Um zu zeigen, daß das nicht der Punkt ist, habe ich meine Kandidatur zurückgezogen.
telegraph: Die Vereinigte Linke hat nach den bisherigen Umfragen kaum Chancen bei den Wahlen. Warum beteiligt sie sich trotzdem?
Mäde: Nach dem derzeitigen Stand bekommt die Vereinigte Linke etwa 0,9% der Stimmen, obwohl solche Art von Umfragen immer mit Vorsicht zu genießen sind. Wir beteiligen uns trotzdem an der Wahl, weil das eine wichtige Möglichkeit ist, unsere Inhalte breiter zu vermitteln. Wieviel Stimmen wir dadurch bekommen, ist erst einmal zweitrangig. Die parlamentarische Arbeit sehen wir gleichsam als einen notwendigen Arm der Politik der VL. Wir werden uns wohl nach der Wahl auf Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte „bürgerlicher“ Demokratie einstellen müssen und eine Totalverweigerung ist deshalb politisch nicht besonders sinnvoll.
telegraph: Steht der rätedemokratische Anspruch der Vereinigten Linke nicht in Gegensatz zum ihrem jetzigen Auftreten bei einer Parteienwahl?
Mäde: Nein. Alles, was man propagiert, wird zur Phrase, wenn es nicht politische Gestalt annimmt. Die Vereinigte Linke würde sich, wenn sie nicht an dieser Wahl teilnimmt, dabei Chancen vergeben. Ich glaube nicht, daß Basisaktivitäten, außerparlamentarische Arbeit und linke Opposition im Parlament ein wirklicher Widerspruch sind. Beides kann sich ganz gut ergänzen.
telegraph: Gregor Gysi, der Chef der PDS hat vorgeschlagen, die Wehrpflicht abzuschaffen und stattdessen eine Berufsarmee aufzubauen. Was meint die Vereinigte Linke dazu?
Mäde: Dazu gibt es noch keine Beschlüsse, ich kann jetzt nur meine persönliche Meinung sagen. Ich bin grundsätzlich dagegen, die allgemeine Wehrpflicht durch eine Berufsarmee zu ersetzen. Es birgt immer die Gefahr der Bildung einer reaktionären Militärclique. Das Hauptziel muß die Entmilitarisierung sein. Dies und damit die Vernichtung des gesamten militärischen Geräts muß in einem Stufenprozeß durchgeführt werden. Bis dahin sind meiner Ansicht nach eine begrenzte Wehrpflicht mit demokratischen Strukturen in der Armee und eventuelle Soldatenräte nötig. Damit erkläre ich mich auch ausdrücklich gegen ein gemeinsames Bundesheer aus NVA und Bundeswehr, das wäre absurd. Aber eine sofortige einseitige Entmilitarisierung der DDR ist nicht machbar und gefährlich. Ich meine aber, daß Totalverweigerung des Wehrdienstes auch jetzt schon möglich und nicht strafbar sein darf.
telegraph: Welche Energiepolitik hält die Vereinigte Linke für die Zukunft nötig.
Mäde: Wenn ihr das wissen wollt, lest das Programm der Vereinigten Linken
telegraph: Das haben wir zur Zeit nicht zur Hand und unsere Leser auch nicht. Vielleicht könntest Du immerhin auch in diesem Fall Deine persönliche Meinung mitteilen?
Mäde: Ich persönlich glaube, daß eine sofortige Abschaltung der AKW¦s energiepolitisch nicht vertretbar ist (nix gelernt!, Die Säzzer). Kohle ist nicht auf ewig vorhanden und unsere Kohlewerke sind Dreckschleudern. Die Alternativen Wind und Sonne sind für die DDR illusorisch, höchstens regional nutzbar (und doof ist er auch noch!, Die Säzzer). Die Hauptwege in der Energiepolitik sind Energieeinsparung im großen Stil, vor allem durch Modernisierung der entsprechenden Anlagen und Regulierungen über den Preis. Auch die dezentralisierte Energieversorgung zur verstärkten Nutzung alternativer Energien ist ein Weg. Regionale Lösungen sind gefragt (also doch! Wie denn nun?, Die Säzzer).
telegraph: Eure Gegner, vor allem aber die „Allianz für Deutschland“ werden im Wahlkampf mit riesigen Summen aus bundesdeutschen Parteikassen gesponsert. Demgegenüber habt ihr ebenso wie die linken Bürgerbewegungen kaum Geld und Gerät für einen adäquaten Wahlkampf. Haltet Ihr sogenannte „Gewalt gegen Sachen“, beispielsweise die Zerstörung eines CDU-Lokals in Berlin-Pankow für eine Möglichkeit, gegen diese Schweinekonkurrenz anzugehen?
Mäde: Dazu kann ich mich auch nur persönlich äußern. Ich lehne Gewalt als politisches Mittel ab, Gewalt als Mittel der Selbstverteidigung jedoch nicht. Aktive Gewalt liefert den Rechten Argumente und führt zur Isolierung in der Gesellschaft. ßber Formen der Selbstverteidigung muß die VL nachdenken, weil unsere Mitglieder in zunehmendem Ausmaß physischem und psychischem Terror ausgesetzt sind.
telegraph: In der Vereinigten Linken wird es wohl auch eine Reihe von hauptberuflichen Mitarbeitern geben. Glaubst Du, daß das für die VL die Gefahr einer bürokratischen Erstarrung bedeuten könnte?
Mäde: Ich bin zunächst für die strenge Trennung von Apparats- und Wahlfunktionen. Ab einer bestimmten Größe der Basis ist die Arbeit, wenn sie verantwortungsvoll, sachkundig und richtig genacht werden soll, von ehrenamtlichen Leuten allein nicht mehr zu leisten. Hauptberufliche Mitglieder des Apparats müssen begrenzt und unter Kontrolle der Vollversammlung, nach einem Rotationsprinzip vorhanden sein. Das Rotationsprinzip halte ich für notwendig, weil ich natürlich ein Infomations- und also Machtmonopol sowie die Entstehung von Apparatschiks schon für möglich halte.
rd.w.
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