Linke sind in Schwerin verpönt

aus telegraph 5/1990
vom 15. März 1990

Mecklenburger Metropole profiliert sich als konservative Hochburg

In Schwerin hat das Neue Forum nun auch dem letzten „Erstunterzeich­ner“, Martin Klähn, der bis zuletzt noch die basisdemokratische Fahne hochhielt, seine Mißbilligung ausgesprochen. Eine Fraktion von machthungrigen Konser­vativen hat im Laufe der Zeit verdeckt oder offen alle Erstunter­zeichner und mit ihnen das ganze linke Potential aus dem Neuen Forum Schwerin herausgedrängt, bzw. ihnen die Sprecher­laubnis entzogen. Besonders schwergewich­tige Argumente waren das „Outfit“ und das „Auftreten“ der Linken. Die neuen Herren wollten natürlich in der Kommune mitre­gieren, hatten aber mit dem ursprüngli­chen basisdemokra­tischen Ansatz wenig im Sinn. Dement­sprechend schwand auch bei der Bevölkerung die breite Zustim­mung und das Vertrauen in das Neue Forum. Das dokumentierte sich beispielsweise beim großen Fünf‑ Länder-Treffen in der Schweriner Sport- und Kongreß­halle, als von den 7.000 Plätzen nur ein paar lächerliche Stühle besetzt waren. Selbst der als äußerst gemäßigt bekannte Vertreter am Zentralen Runden Tisch, Heiko Lietz, bemerkte, daß man als Bürgerini­tiative Bürgerpolitik betreiben müsse, statt sektiererisch die eigene Meinung zum Dogma zu erheben.

Diese Entwicklung scheint aber für die neuen Schweriner Oberen symptomatisch zu sein. So wurde der Bürgerinitiative Schelfstadt, die sich um den Erhalt der verfallenden Innenstadt bemüht, mit dem Ausschluß vom Runden Tisch gedroht. Auf einem Plakat für ein Benefiz­konzert der Bürgerinitiative war das „A“ eingekreist worden. Dement­sprechend folgerte der Runde Tisch, die Bürgerinitiative hätte Kontakt zu politischen Gruppierungen, die in der Stadt nicht er­wünscht seien. Verständlich, daß in Schwerin die Vereinigte Linke, unter anderem auf Antrag der PDS, gar nicht zum Runden Tisch zugelas­sen wurde. Eine Initiative für ein Info-Cafe bekam mit der Begründung mangelnder Konkurrenzfähigkeit (?!) keine Räume.

j.k., c.s.

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