Konflikt zwischen Grüner Partei und Unabhängigem Frauenverband

aus telegraph 6/1990
vom 30.03.1990

Nachtrag zum Thema: „Eine Partei – eine Mafia“ (aus telegraph 5/1990)

Pressererklärung des unabhängigen Frauenverbandes (UFV)

Der UFV kündigt Wahlbündnis mit der Grünen Partei

Im Ergebnis der Wahlen stehen dem Wahlbündnis UFV/Grüne Partei 8 Mandate in der Volkskammer zur Verfügung.

Die Im Vorfeld der Wahlen geführten Verhandlungen bezüglich der Besetzung der Wahllisten und damit auch der Volkskammerplätze sahen ein Verhältnis von 2/3 Grüne Partei und 1/3 UFV vor.

Das Stimmergebnis für UFV/Grüne Partei führte dazu, daß infolge der Besetzung der ersten Listenplätze durch die Grüne Partei dieser alle

8 Mandate zufielen. Ausgehend von der Tatsache, daß die WählerInnen ihre Stimme der Grünen Partei und/bzw. dem UFV gegeben haben, lag es u.E. in der Logik der Bündnisverpflichtungen, daß über konkrete Besetzung der zur Verfügung stehenden Volkskammersitze dem oben genannten Verhältnis entsprechend neu verhandelt wird.

In den Verhandlungen erhob der UFV die Forderung nach 3 ihm zustehen­den Volkskammerplätzen. Die Grüne Partei entsprach weder dieser Forderung noch stellte sie dem UFV ein Volkskammermandat zur Verfü­gung. Damit ist der UFV ohne Sitz in der Volkskammer. Wir sehen hierin nicht nur eine Mißachtung des Wählerwilllens, sondern diese Tatsache macht zugleich mangelndes Demokratieverständnis und fehlende Bündnisfähigkeit der Grünen Partei deutlich. Die in den Verhandlungen von der Grünen Partei eingenommene Position zeugt von einer Unter­schätzung der politischen Interessenvertretung von Frauen durch den UFV auf parlamentarischer Ebene sowie von der Kluft, die zwischen programmatischen Aussagen und tatsächlichem Handeln der Grünen Partei in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter existiert.

Der UFV protestiert gegen dieses Bündnisverhalten der Grünen Partei und sieht sich gezwungen, das Wahlbündnis UFV/Grüne Partei aufzukün­digen. Wir lehnen zugleich den Mitarbeiterstatus in der sich bilden­den fraktion von Bündnis 90 und Grüner Partei ab.

Der UFV ist jedoch weiterhin zu einer sachbezogenen Zusammenarbeit mit der Grünen Partei bereit. Die Einbeziehung der Grünen Partei in die Bündnisverhandlungen zu den Kommunalwahlen obliegt den Frauen­grup­pen in den jeweiligen Territorien.

Sprecherrat des UFV, Berlin, den 22.3.90


Presseerklärung der Grünen Partei

Der Vorstand der Grünen Partei bedauert, daß der Unabhängige Frauenverband das Wahlbündnis mit der Grünen Partei einseitig aufgekündigt hat.

Das Wahlergebnis für das Bündnis Grüne Partei – Unabhängiger Frauen­verband, welches acht Volkskammermandate erbrachte, hat eine alleini­ge Repräsentanz der Grünen Partei in der zukünftigen Volkskammer zur Folge. Es stellte sich bei der Analyse dieses Ergebnisses heraus, daß der Unabhängige Frauenverband und die Grüne Partei bei den Verhand­lungen wesentliche Aspekte nicht berücksichtigt haben, was wir bedauern.

Nach intensiven Gesprächen und der Abwägung aller politischen und juristischen Aspekte und unter Beachtung der Tatsache, daß alle Mandatsträger der Grünen Partei (außer dem Vertreter des Bezirkes Halle, 2. Platz auch Grüne Partei) ihre Mandate angenommen haben, sehen wir keine Möglichkeit, Veränderungen bei der Besetzung dieser acht Mandate vorzunehmen. Eine Einflußnahme auf eine/n unserer MandatsträgerInnen könnte somit einer Manipulation gleichkommen.

Wir bieten auch weiterhin der UFV Mitarbeit in der Fraktion und bei Sachthemen an.

Berlin, den 23.3.90

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