aus telegraph 6/1990
vom 30.03.1990
Am Samstag, den 3. März, fand in der „Archenhold“-Sternwarte die Gründungsveranstaltung der „Antifa-Treptow/Bund der Antifaschisten“ statt. Der „BDA“ stellt die regionale Reorganisierung des vor kurzem aufgelösten „Komitee der Antifaschisten“ dar. Sie vollzieht sich seit einigen Wochen überall im Lande. Man will neu anfangen, mit der zentralistischen Vergangenheit Schluß machen. Soweit ein löbliches Bestreben. Doch in der Praxis ist davon aber wenig zu bemerken. Der Treptower Vorsitzende Walter Sach wörtlich: „Das ist doch nur eine neue Formulierung.“
Dennoch war die Erwartung offenbar hoch. Der Kinosaal war gerammelt voll. Ca. 500 Personen waren anwesend. Alte und Junge, AntifaschistInnen, Mitglieder der Vereinigten Linken, der Grünen Partei, der PDS.
Walter Sach (zwischen 1933 und 1945 mit Herbert Baum im Widerstand, Zuchthaushaft, danach Bürgermeister, DSF-Vorsitzender von Treptow) hielt die Eröffnungsrede. Er sprach von Fehlern in der Vergangenheit, von der großen rechten Gefahr und der Notwendigkeit, etwas dagegen zu unternehmen. leider stünde der Saal nur bis 12 Uhr zur Verfügung und daher dürften nur fünf „Kameraden“ reden. Redebeiträge sollten schriftlich, mit Namen und Verein, eingereicht werden. Der Eindruck war nicht ganz von der Hand zu weisen, daß die Rednerliste schon vorher festgelegt wurde (das kennt man doch irgendwoher?). Die Beiträge hörten sich übrigens ganz nett an, waren aber nicht gerade konstruktiv. Der meiner Ansicht nach einzige fruchtbare Vorschlag einer alten Antifaschistin, ein Antifa-Cafe mit Bibliothek einzurichten, wurde übergangen.
Dann ging¦s erst richtig los. Man ging zur Statuten-Abstimmung über. Das war schnell und mehrheitlich erledigt. Doch eine Frau meldete Bedenken an. Sie hätte das Statut soeben erst erhalten und konnte es nur überfliegen. Daufhin erklärte der Veranstaltungsleiter das soeben angenommene Statut flugs zum Entwurf. Ein anwesender Mitarbeiter der Autonomen Antifa Berlin gab zu bedenken, daß ein Verein ohne Statut nicht legitim sein. Kurzerhand verwandelte Blume das seben zum Entwurf gewordene, bereits beschlossene Statut, nunmehr zum vorläufigen Statut. Und das wäre dann ja wohl korrekt.
Es kam aber noch fetter. In altbewährter Manier wurden Vorstand, Revisionskommission und Delegierte zum Gründungstag des Dachverbandes mit Name, Alter und Beruf kurz vorgestellt und im Block gewählt. Interessant war auch, daß die in den Vorstand gewählte „BZA“-Journalistin Gisela Korau gar nicht anwesend war. Unter der Rige der 25 Gewählten war ein einziger Jugendlicher von der Autonomen Jugendantifa Adlershof.
Zum Schluß der Veranstaltung kam die Krönung. Ein alter Mann mit Zobelfellmütze hielt dem Mitarbeiter der Autonomen Antifa Berlin einen Ausweis der sowjetischen Mitärkommandantur unter die Nase. Er wies auf das sowjetische Militärkoppel des Antifa-Mitglieds und fragte nach Woher und Warum. Das sei eine Beleidigung der sowjetischen „Besatzungsmacht“, als Deutscher habe er kein Recht, dies Ehrenzeichen zu tragen. Jetzt, kündigte der ältere Herr an, hole er die sowjetische Militär-Miliz. MitgliederInnen der Grünen und ein ABV kamen zu Hilfe und der Militärgreis gab sein Vorhaben auf.
Als Resumee wäre zu sagen, daß die alten Antifas zwar sicher einen neuen Anfang wollen, jedoch immer noch in alten starren Kategorien denken und handeln. Das -ndern des Namens und des Aufbaus der Organisation reicht eben bei weitem nicht aus. So bleibt auch der BDA ein starres Gebilde ohne Dynamik, unfähig der Gefahr des neuen Faschismus entschieden zu entgegnen.
d.w., s.w.
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