Richtlinien für ARD-Reporter

aus telegraph 6/1990
vom 30.03.1990

Die „Hamburger Rundschau“ veröffentlichte am 22. Februar Auszüge aus einer „Hilfestellung für die Berichterstattung bundesdeutscher Korrespondenten aus der DDR“, in der ARD herausgegeben, die zunächst wie eine Satire klingt. Im Stil Goebbelscher Presseanweisungen werden hier die Korresponden­ten dazu animiert, ein ganz bestimmtes Bild von der DDR zu geben… Wir geben im Folgenden den Auszug der „Hamburger Rundschau wieder:

„Vergewissern Sie sich zunächst vom ordnungsgemäßen Zustand des Berichtsplatzes, insbesondere, daß sich kein unbelehrbarer wie diskussionsfreudiger Sozialist in Reichweite Ihrer Kamera/Ihres Mikrophons aufhält, der Ihre Gesprächspartnern aus der Bevölkerung durch Einwürfe an unpassender Stelle verunsichern oder den schlüssi­gen Aufbau Ihres Beitrages durch unerwüschte Ergänzungen (…)

(…) Spuren des allgemeinen Verfalls zu finden und versäumen Sie nicht, erläuternd darauf hinzuweisen, was 40 Jahre Sozialismus aus einem blühenden Land machen können. Bilder von leuchtenden Kinderaugen vor Spielwaren aus der Bundesrepublik taugen hier zur Ergänzung(…)

(…) überprüfen Sie auf jeden Fall, ob Sie das Bild vom `rollenden Zug¦ der Wiedervereinigung Deutschlands adäquat in ihren Text eingebaut, diesem datumsgemäß bzw. ereignisentsprechend `freie Fahrt, nicht mehr zu stoppen, umzuleiten, zu verlangsamen¦ attestiert und auch die entsprechenden Accessoires – Weichensteller, Bremser, Lokführer, Heizer, Bahnsteigkarte – bestmöglich plaziert haben.

(…) Spekulation über wirtschaftliche Macht oder die militäri­schen Möglichkeiten eines wiedervereinigten Deutschlands führen bekanntlich ins Nichts. Vermeiden Sie sie strikt! Im Gespräch damit konfrontiert, übergehen Sie sie schweigend oder verweisen gelassen auf europäischen Hausbau resp. zukünftige Friedensordnung, was umso leichter fällt, da sie meist in Form heftiger, emotional gefärbter Polemiken vorgetragen werden.

(…) den Runden Tisch angeht, gestatten Sie sich gelindes Unverständnis (mimisch flankiert) über die Unflexibiltät und Welt­fremdheit der politischen Amateure in Ost-Berlin, denen der Ernst der Lage offensichtlich immer noch nicht aufgegangen sei, wenn sie neue Vorleistungen ohne erkennbare Anstrengungen (…)

(…) doch auf jeden Fall an geeigneter Stelle der Hinweis fallen, daß Übersiedlung in die Bundesrepublik auf keinen Fall ein Beitrag zur Lösung der derzeitigen ernsten Probleme darstelle, im Gegenteil gerade jetzt jede/r an ihrem/seinem Platz gebraucht werde, nur mit Mitwirkung aller Demokratie nach westlichem Muster und soziale Marktwirtschaft aufzubauen und die derzeitigen ernsten Probleme zu lösen seien und im übrigen die Lebensbedingungen in den Aufnahmelagern der Bundesrepublik Anlaß zu ernster Besorgnis(…)

(…) und beschließen Ihren Beitrag mit einer Pointe, die den Verfall des Systems noch einmal sinnlich symbolisiert: rostbedeckte Hämmer und Sichel, ausfransende rote Fahnen, gebeugt umherspazierende ehemalige ZK-Mitglieder und Berge von Blusen für Junge Pioniere, die leise vor sich hinstauben, wärend es an Südfrüchten immer noch mangelt.“

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