aus telegraph 7/1989
vom 04. November 1989
Gegen die Art der Gründung einer „Initiativgruppe für eine Grüne Alternative Partei“, die für Sonntag, den 5.11. vorgesehen ist, wendet sich folgende Erklärung der Kulturbundgruppen IG Stadtökologie.
Am 26.10.89 waren wir als Kulturbundgruppen IG Stadtökologie zu einem Treffen mit kirchlichen und „unabhängigen“ Umweltgruppen eingeladen. Das Ziel sollte es sein, ein grünes Aktionsbündnis zu bilden. Wir waren von diesem Gedanken angetan und hatten uns viel davon versprochen. leider haben sich diese Hoffnungen nicht als gerechtfertigt erwiesen. Uns ging es um die Sache, den tonangebenden Leuten der einladenden Seite (namentlich in erster Linie der Gruppe Ökologie.und Menschenrechte) ging es scheinbar nur um die Gründung einer „Grünen Alternativen Partei“ um jeden Preis und möglichst sofort. Es war spürbar, daß auch nicht alle Vertreter der anwesenden Umweltgruppen damit voll einverstanden waren.
Zweifelhaft ist.die Ernsthaftigkeit des Versuchs, uns für ein Bündnis gewinnen zu wollen, dabei aber zu erklären,- daß einerseits in einer „Grünen Partei“ alle Umweltgruppen ihre Identität bewahren können, den Kulturbundmitgliedern jedoch nur eine Mitarbeit als Einzelne angeboten wird. Wie soll Demokratie, die wir alle brauchen, bei einem solchen Verhalten gewährleistet sein?
Bitte, wir hätten doch substantiell etwas einzubringen. Gemeint ist unsere entwickelte Struktur, unsere Erfahrungen, dabei Erfolge und, was uns auch wichtig ist, unsere Mißerfolge. Ja, selbst unsere Mitgliederstärke. Niemand kann von uns verlangen, daß wir uns als Fußvolk für eine Parteigründung hergeben, die wir selbst für unausgereift halten. Das soll erklärt werden. Was uns als Programmpapier vorgelegt wurde, zeugt von einem großen Willen der Verfasser, ist aber kein tragfähiges Papier für eine Parteigründung. Dafür sind die Aussagen im Detail zu ungenau und nicht programmatisch im Sinne von wegweisend. Es handelt sich im wesentlichen doch nur um Willenserklärungen. Auch über diese an sich wäre zu diskutieren. Wie z.B. verbindet, sich zwangsläufig ökologisches Gedankengut mit der Forderung, private Schulen und Kindergärten zu errichten? Das soll erst einmal jemand stichhaltig erklären. Zu diskutieren ist unbedingt die Frage, ob in unserer Gesellschaft eine genügend ausgeprägtes ökologisches Problembewußtsein existiert, um mit einer Partei etwas erreichen zu können. Eine Sektiererpartei mit geringer Basis nutzt unserem Anliegen nichts.
Verfolgt man nun die Äußerungen der Bürger dieses Landes in den letzten Tagen, so sind unter den vielen Bedenken und Anderungswünschen ökologische Probleme noch völlig unterrepäsentiert. Diesen Stand der Dinge muß man erkennen und werten. Wir schließen daraus, daß ökologisches Denken erst verstärkt herausgebildet werden muß. Diesem Ziel sollte sich auch ein Bündnis verpflichtet fühlen. Die Bürger müssen erst ein entsprechendes Problembewußtsein haben, um sich mit einer „Grünen Partei“ identifizieren zu können und sie überhaupt mittragen zu können.
Dabei ist noch nicht einmal an Mehrheiten gedacht. Das zu erreichen wird schwer und nur durch große Überzeugungskraft gelingen. Uns von der Notwendigkeit einer Parteigründung zu überzeugen ist in der Zusammenkunft niemandem gelungen. Schon gar nicht, wenn uns gegenüber die alten Voreingenommenheiten im Stil der Meinung „Die IGs Stadtökologie werden von der SED angeleitet!“ aufrecht erhalten werden. Wir verwahren uns dagegen entschieden. Da soll erst einmal jemand den Beweis erbringen. Auch die Frage, ob eine „Grüne Partei“ feministisch sein soll oder nicht, und wenn ja, dann bitteschön auch wie?, sollte zur Disposition stehen. All diese Fragen müssen geklärt werden, und dazu sollten wir ein gleichberechtigtes Bündnis anstreben, wohlgemerkt: ein gleichberechtigtes! Die Art dieses Bündnisses, wie auch alle inhaltlichen Fragen müssen gemeinsam und offen diskutiert werden. Dabei schließen wir ein, daß auch in unseren Reihen Mitglieder für eine Parteiengründung eintreten, aber nicht auf der qualitativen Grundstufe des gegenwärtig angearbeiteten Standes.
Wir leugnen nicht die Schwächen in der vergangenen unt gegenwärtigen Arbeit der Kulturbund- und Umweltgruppen und sind bei dem ernsthaften Versuch (übrigens schon lange vor dem 7. u. 8.Oktober d.J.) diese zu erkennen und zu beseitigen . Unsere Organisation – die GNU – soll zunehmend auch wirklich die unsrige werden. Inhaltliche Fragen werden bei uns schon lange konstruktiv erörtert und sollen in Zukunft konsequenter umgesetzt werden. Möchte man uns als Bündnispartner gewinnen, so muß man sich die Mühe machen, uns wirklich kennenzulernen. Unvoreingenommen. Wir haben mit den Parteigründern ein gemeinsames Anliegen – den Umweltschutz!
Wir erwarten von Euch, daß Ihr den Mut habt, bei Eurem Medienauftritt auch diese Erklärung in vollem Wortlaut öffentlich zu verlesen.
Wir grüßen Euch und hoffen auf eine baldige gemeinsame Arbeit.
Die IG Stadtökologie von Berlin in der GNU des KB
Anm: Eine ähnliche Erklärung, die nicht ganz so deutlich die Schwächen des Projekts benennt, dafür aber über Möglichkeiten einer anderen, partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Umweltgruppen spricht und die von Mitgliedern der Berliner Gruppen Natur und Umwelt, des Verbandes Bildender Künstler, des Grünen Netzwerks Arche und der Umwelt-Bibliothek Berlin unterzeichnet ist, können wir aus Platzgründen nicht abdrucken.
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