Berliner Verlag sucht ausländische Beteiligung

„Im Dezember haben wir das Problem in dieser Schärfe nicht gesehen“
aus telegraph telegraph 7/1990 von Wolfgang Rüddenklau

Das Hamburger Nachrichtenmagazin „Spiegel“ hat in einer redseligen Stunde einmal gestanden, daß dem DDR-Bürger nach der wirtschaftlichen Öffnung mit Sicherheit alles unter dem Arsch weggekauft wird, was nicht niet- und nagelfest ist. Und so geschieht es auch.

Jetzt aber geht es bereits an das, was als eine der wenigen Errungenschaften der „Revolution“ galt, die Pressefreiheit. Im Geist der Zeit wird sie keineswegs adminstrativ verboten, sondern schön langsam kommerziell abgewürgt. Der „Spiegel“, neuerdings in Fleischer-, Papierläden oder Drogerien der DDR zu erstehen, brachte am letzten Montag auch diese Nachricht: Die Verkaufsverhandlungen des PDS-eigenen Berliner Verlag („Berliner Zeitung“, „BZ am Abend“, „FF dabei“, „Für Dich“, „NBI“ etc.) ständen kurz vor dem Abschluß.

Das Ende März in eine GmbH umgewandelte Unternehmen, heißt es im „Spiegel“, braucht monatlich einige Millionen Mark Subventionen und wird damit zu teuer für die PDS-Parteikasse. Der PDS-Medienexperte Lothar Bisky beauftragte den Düsseldorfer Unternehmen- und Konkursverwalter Friedrich-Wilhelm Metzeler mit der Verhandlung mit Westverlagen. Gesprochen wird mit Springer, Bauer, Gruner & Jahr und der WAZ-Gruppe. Gruner und Jahr ist nur an „FF Dabei“ interessiert, deren Redaktion diese Liebe erwidert. Springer möchte ebenfalls nur Einzelredaktionen erwerben, unter anderem die „Berliner Zeitung“. Demgegenüber möchte die PDS weiterhin den Gesamtverlag verkaufen, dabei aber 51% der Anteile behalten. Ihr Wunschpartner ist derzeit der Essener Verleger Günther Grotkamp mit seiner WAZ-Gruppe.

Da der „telegraph“ bereits im Dezember über Verhandlungen des Verlagsleiters mit Springer und anderen berichtet hatte und sich dafür ein fettes Dementi einhandelte, waren wir auch an der neuen Sachlage um den Berliner Verlag interessiert.

Diesmal leugnete Dr. Pankau von der Verlagsleitung nicht die Verhandlungen. Tatsächlich stehe seit Dezember im Auftrag des Verlages und der PDS-eigenen Vermögensgesellschaft die Düsseldorfer Anwaltsfirma Metzeler in Verhandlung mit verschiedensten Verlagen, unter anderem der WAZ-Gruppe und dem Jahreszeiten-Verlag, aber auch britischen Gesellschaften. Pankau betonte, daß unternehmerischer Handlungszwang bestehe. Nicht so sehr, weil der Zeitungspreis zu niedrig sei. Die neuen Preise sind so kalkuliert, daß der Verlag damit wirtschaftlich arbeiten kann – gleichbleibende Auflagenhöhen vorausgesetzt. Aber eben die Auflagen werden nach dem massenhaften Einbruch von Westblättern kaum zu halten sein.

Die Flut der Westzeitungen zu Dumpingpreisen gefährdet die Auflagen besonders der Illustrierten des Berliner Verlags, meint Frau , Chefredakteurin der Frauenzeitschrift „Für Dich“. „Wo Sie hinkommen, in eine Drogerie oder in einen Laden für Stopfgarn, lauter bunte Illustrierte, die schön aussehen, mehr Seiten haben, attraktiver sind. Da kommen wir mit unserem Druck und unseren Farben nicht mit. Unsere Druckerei hat völlig veraltete Technik, sowohl von der Qualität als auch vom Seitenumfang. Die Maschinen können nur 48 Seiten drucken. Wir finden keine adäquate Druckerei ohne eine westliche Beteiligung. Die Zeitschriften werden zuerst sterben. Zurück bleibt dann nur ein Rumpfverlag.“

Den Druck benennt auch Dr. Pankau als besonderen Engpaß. Infolge der Zentralisierungspolitik früherer Zeiten sei der Verlag hier ebenso wie auf dem Vertriebssektor nicht eigenständig. Der Postzeitungsvertrieb, der in der DDR das Vertriebsmonopol hat, zeigt sich nicht willens und in der Lage, die Abonnenten rechtzeitig zu beliefern. Hinsichtlich der Zeitschriften nimmt das besonders gravierendere Ausmaße an. In bestimmten Kreisen und Bezirken werden sie einfach nicht mehr ausgeliefert. Während die Westverlage Sonderprämien für den Vertrieb ihrer Blätter an die Angestellten des PZV bezahlen, bleiben DDR-Zeitschriften oft verschnürt in den Verteilerämtern liegen. Von der „Weltbühne“ wird gar im Süden konsequent erzählt, sie sei eingestellt worden.

Hinzu kommt, daß Westverlage mittlerweile in der DDR Scheinfirmen gründen, die in riesigen Auflagenhöhen Hochglanzprodukte wie zum Beispiel Programmzeitschriften, auf den DDR-Markt werfen.

Entgegen den mehr theoretischen Debatten über freie Marktwirtschaft, Privateigentum oder Kommunalisierung im Dezember stellt sich das Problem der Beteiligung von westlichen Anbietern jetzt für den
Berliner Verlag in voller Schärfe als eine Überlebensfrage.

Frau von „Für Dich“ meint: “ Wir suchen nach Lösungen, um einerseits die Ausstattung zu bekommen, um konkurrieren zu können, andererseits unsere redaktionelle Tendenz, unseren Inhalt zu bewahren. Denn sonst brauchte es ja unsere Zeitschrift nicht mehr zu geben. Noch eine von diesen bunten, flachen Zeitschriften halten wir nicht für nötig.“

Ich fragte Dr. Pankau, ob er nicht befürchte, daß Konzerne wie der Springer Verlag oder die WAZ-Gruppe auf die Tendenz des Berliner Verlages Einfluß nehmen.

„Nein“, meinte Dr. Pankau, Rückwirkungen auf die Verlagspolitik und das Profil der Blätter fürchte er nicht. „Teilhaberschaft ist eine rein geschäftliche Angelegenheit. Selbst in solchen Ländern wie der BRD gibt es den Tendenzschutz und es gibt auch andere Rechtsformen und Möglichkeiten, um die Tendenz der Blätter abzusichern. Bei uns im Haus sind wir gegenwärtig dabei, uns durch Verlags- und Redaktionsstatut in dieser Hinsicht abzusichern, wo durch ein Höchstmaß an belegschaftlicher, gewerkschaftlicher, redaktioneller Mitbestimmung und Mitgestaltung sozusagen die Tendenz der Blätter festgeschrieben wird. Ich weiß aus den Angeboten aller Anbieter, daß niemand die erklärte Absicht hat, sich in die politische Tendenz der Blätter einmischen zu wollen. Die Anbieter verfolgen, wie das international auf dem freien Markt üblich ist, nur kommerzielle Interessen. Und wir werden auch nur solche kommerziellen Verbindungen und Beziehungen eingehen, die unseren Wünschen entsprechen und für uns vorteilhaft
sind.“

Ich sagte höflich „Ihr Wort in Gottes Ohr“ und schloß das Gespräch ab. Es gibt leider eine lange Reihe Erfahrungen, daß kommerzielle Interessen auch mit Hilfe von politischen Machtstrukturen durchgesetzt werden, bei denen gewisse Medien keine unbedeutende Rolle spielen.

r.l.