Kommentar: Anmerkungen zur Demonstration und dem Geschehen an der Humboldt-Universität.

aus telegraph telegraph 7/1990

Eine Forderung der mehr oder weniger wirkungsvollen StudentInnen-Demonstration war die Aufrechterhaltung des Numerus Clausus. Obwohl es diesen nie offiziell gab, ist er doch eines der meistdiskutierten Themen, auch unter Professoren, und somit quasi zugegeben. Beibehalten oder nicht, eine schwierige Frage, zumal sich hier diejenigen äußerten, die egal auf welche Weise – ehrlich oder nicht – einen Studienplatz bekamen und verständlicherweise keine Verschlechterung der Studienbedingungen zulassen wollen.

Klar ist auf jeden Fall, daß die HUB im nächsten Studienjahr mehr StudentInnen aufnehmen muß, will sie eine eigenständige Universität bleiben. Aber selbst das ist de facto ungeklärt, denn es gibt auch Bestrebungen, die HUB und die FU zu „vereinigen“.

Nach der Demo gab es noch eine Gesprächsrunde mit einer CDU-Vertreterin zu Fragen der sozialen Perspektiven der StudentInnen. Nach Angaben einiger StudentInnen aber war diese Vertreterin nur für das Verteilen von CDU-Werbematerial, nicht aber für die Beantwortung der Fragen der StudentInnen autorisiert und so leerte sich der Saal innerhalb kürzerer Zeit. Dumm zu glauben, daß die alten Neuen mehr zu sagen hätten als die neuen Alten…
Interessant aber war diese Demonstration auch in Hinblick auf das bald darauf folgende Konzil. Die Rektorwahl stand an und daran knüpften sich die unterschiedlichsten Erwartungen. In den gesellschaftswissenschaftlichen Sektionen wurden die Kandidaten Fink und Irrlitz am meisten diskutiert, zumal Professor Irrlitz ein durchaus akzeptables Programm in der unabhängigen Stundentenzeitung „Unaufgefordert“ (Nr. 8) veröffentlicht hatte. Nach der öffentlichen Vorstellung der Rektorkandidaten äußerten sich einige StudentInnen so: „Wir wählen Prof. Irrlitz. Wir wählen ein Programm und keine Biographie. (Anspielung auf Prof. Finks Ausführungen auf dieser Veranstaltung – Anm. d. Verf.). Die Professoren suchten eher nach einer politischen „Integrationsfigur“ (so jedenfalls wurde es einige Male von ihnen selbst benannt). Ob Prof. Fink auch darüber hinaus den Hoffnungen der an der Universität Lernenden/Lehrenden gerecht werden wird, wird sich zeigen.

Die Humboldt-Universität ist momentan ein verkleinertes Abbild der DDR: Da ist der Ruf nach Überprüfung der ProfessorInnen auf Stasi-Mitarbeit (denn brisante Fälle gab es an der HUB durchaus) genauso wie die Angst vor dem sozialen Aus und der Kampf der Frauen um mehr berufliche Chancen und Mitbestimmung.

Die weitere Entwicklung der Universität wird in der nächsten Zeit stark davon abhängen, inwieweit die Lernenden und Lehrenden fähig sein werden, den zähen Weg der Demokratie, angefangen bei den zermürbenden, ewigwährenden Sitzungen bis hin zu konkreten Aktionen, zu gehen und wirklich Bündnispolitik zu verwirklichen. Was und wie es sein wird bestimmen letztlich die Handelnden.

s.k.