aus telegraph 8/1989
vom 16. November 1989
Bekannt ist sicher, daß in der Vergangenheit legal in die BRD übersiedelte DDR-Bürger jahrelang nicht die DDR besuchen durften. Die gleiche Regelung traf, noch verschärft, auf ausgebürgerte oder in den Westen gedrängte DDR-Oppositionelle zu, die in vielen Fällen nicht einmal die Transitwege zwischen Westberlin und der BRD benutzen durften. Daß sich in dieser Frage nicht viel „gewendet“ hat, zeigte sich erst neulich wieder im Fall Biermann. In diesem Fall fühlt sich offenbar Staatschef Krenz persönlich beleidigt. Daß die Stimmung eines einzelnen Regierungsmitglieds über Wohl oder Wehe entscheidet, zeigt, in welchen rechtlichen Zuständen wir noch immer leben. Aber die Einreisesperre betrifft auch DDR-Bürger.
Manche Leser werden sich noch an Wolfgang und Lotte Templin erinnern, Mitglieder der Initiative Frieden und Menschenrechte, die in Zusammenhang mit der Berliner Januaraffäre des vorigen Jahres für zwei Jahre zum Zwangsaufenthalt im Westen verdonnert wurden. Wohlgemerkt sie sind nicht ausgebürgert worden, sondern haben einen Paß mit Dauervisum. In Zusammenhang mit der von den Regierern der DDR verkündeten „Wende“ teilten die Templins der Bonner DDR-Botschaft am 7. November mit, daß sie vorzeitig wieder in die DDR zurückkehren wollen. Es gab eine verbindliche Zusage, daß die Wiedereinreise möglich ist. Aber am 10. November endete der Traum schon bei der Transitfahrt nach Westberlin. Der amtierende Grenzpolizist sprach: „Herr Temlin, sie werden die Reise nicht fortsetzen. Das Befahren der Transitstrecken ist für sie nicht möglich.“ Dies entspreche einer Anweisung aus Berlin. Dort habe man die Entscheidung getroffen, daß die Templins das DDR-Territorium nicht betreten dürfen.
Die Änderung auch dieser Zustände, die Wiedereinreisemöglichkeit gerade für die politisch Verbannten ist ein Indiz dafür, ob sich in diesem Land wirklich etwas ändert. Und deshalb muß die Wiedereinreise der Ausgesperrten eine unserer Forderungen werden. Wir können in diesem Land nicht länger die politisch Unbequemen entbehren, die in den vergangenen Jahrzehnten von Honecker, Mielke und Konsorten aus dem Land gedrängt wurden. Nicht nur das Ein-, sondern auch das Aussperren von Bürgern muß endlich beendet werden!
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