aus telegraph 9/1989
vom 29. November 1989
Rede auf einer gemeinsamen west-östlichen Demonstration gegen den Müllexport in die DDR vor dem Rathaus Schöneberg in Westberlin am 19. November
„Ich komme von der Umwelt-Bibliothek in Ostberlin und möchte etwas darüber sagen, daß alles mit allem zusammenhängt. Wir haben vor Jahren begonnen, uns mit dem Waldsterben im Erzgebirge zu beschäftigen und entdeckten, daß das ein ökonomisches und ein Problem des politischen Systems ist. Solange nämlich das kurzfristige Gewinndenken von Bürokraten herrscht, die ihre Privilegien auf Kosten der Bevölkerung und der Natur erwerben, solange werden Wälder und Flüsse sterben und solange sterben auch Menschen, an der Mauer oder an irgendeiner der neuartigen Krankheiten.
Später haben wir uns mit dem Müllimport aus Westeuropa in die DDR beschäftigt und es war das gleiche Problem: Verantwortung für das Land, das Leben zu tragen, ist zuviel verlangt von Leuten, die Herrschaft, nämlich ihr eigenes Interesse im Kopf haben. Beim Müllimport zeigt sich, daß in dieser Hinsicht das westliche kapitalistische dem östlichen bürokratischen System völlig gleicht. Eine Zukunft der Menschheit wird es nur geben, wenn wir es lernen, Herrschaft abzuschaffen. Auf den Weg in die Zukunft werden wir nur kommen in dem Maße, indem wir unsere Regierer, die im Osten und die im Westen, zwingen, das Interesse der Bevölkerung und des Lebens zur Kenntnis zu nehmen. Das können wir nur schaffen, wenn wir uns nicht im Namen angeblich gegensätzlicher Interessen gegeneinander schicken lassen. Wir, im Osten wie im Westen, im Norden wie im Süden müssen uns gegen diejenigen wenden, die die Luft, das Wasser und die Erde vergiften. Der Müll, den Ihr in der BRD und in Westberlin zu uns in die DDR schickt, kommt eines Tages wieder zu Euch zurück. Wir dürfen uns nicht spalten lassen. Wir müssen die Herrschenden zwingen, die Giftproduktion einzustellen oder ihren Müll selbst zu fressen.“
© telegraph. Vervielfältigung nur mit Genehmigung des telegraph