Kommentar: Schwierigkeiten mit Pressearbeit?

von Wolfgang Rüddenklau
aus telegraph 9/1996 ( #91)

„Wer sich anpaßt, wird gefeiert“, titelte die Schweizer linke Wochenzeitung „WOZ“ ihren Artikel zum bevorstehenden zehnjährigen Jubiläum der Umwelt-Bibliothek und meinte: Hätten sich die UB-Leute nach 1989 angepaßt, würden sie im September gefeiert.“ Im Gegenschluß könnte man aus der dann doch erschienenen Vielzahl von Artikeln in regionalen und überregionalen Blättern schließen, die Umwelt-Bibliothek habe sich nun doch in die Arme der Obrigkeit begeben.

Immerhin aber wäre zunächst einzuwenden, daß das, was da von Nord bis Süd über den „erfolgreichen Widerstand“ einer kleinen Gruppe erschien, das Ergebnis von harter Pressearbeit war. Natürlich haben wir das Glück, über eine Reihe von früheren Mitkämpfern aus der ehemaligen DDR-Opposition zu verfügen, für die, mittlerweile im schönsten Zug ihrer privaten Karriere, die Umwelt-Bibliothek vielleicht nicht „Symbol des Widerstand“ ist, aber ein Punkt, an dem sie durch Intervention bei ihrer Zeitung oder Rundfunkanstalt ihr schlechtes Gewissen kompensativ beruhigen können. Mal abgesehen von dem, der mittlerweile für die „Tagesthemen“-Redaktion arbeitet und uns nur einen telefonischen Gruß auf dem Anrufbeantworter hinterließ und einem anderen, der seit seiner Anstellung bei einem Hamburger Nachrichtenmagazin gar nichts mehr von sich hören läßt.

Ansonsten kommt es zunächst darauf an, eine interessante, erzählenswerte Geschichte zu bieten und die möglichst vielen Agenturen und Zeitungen über Fax anzubieten, schließlich, besonders auch die Kontakte zu pflegen, die man im Zuge bisheriger Pressearbeit aufgebaut hat, nämlich zu Journalisten, die entweder sympathisieren oder die erfahrungsgemäß eine Arbeit gemacht haben, mit der man zufrieden sein konnte.

Das hätte wahrscheinlich früher ausgereicht. Aber im Zeitalter einer immer noch zunehmenden Pressekonzentration und eines qualitätsneutralen Zeilenhonorars ist es für die weitaus meisten Journalisten bequemer, ruhig im Sessel sitzen zu bleiben und die Verlautbarungen des Polizeiberichtes oder die Selbstdarstellungen von Parteien und Politikern abzupinseln. Unter solchen Auslesebedingungen wächst auch die Menge von Journalisten, die das Handwerk knapp so weit beherrschen, daß sie lesen und schreiben können. Für recherchierte Geschichten, sagte mir ein freier Journalist, gebe es für ihn nur noch einen kleinen Markt von gediegenen Tageszeitungen, die aber meist auch schon in den roten Zahlen stünden. Ob die Recherche Qualität habe, werde allerdings gar nicht mehr kontrolliert. Das sei einzig und allein sein handwerkliches Ethos.

Man wird also als jemand, der tatsächlich erschienenen Journalisten zur Verfügung steht, allerhand Zumutungen ertragen müssen. Zumindestens die, daß die allermeisten von DDR-Geschichte nicht die leiseste Ahnung haben und von unserem Laden drei Stunden zuvor vom Chefredakteur zum ersten Mal gehört haben. Dann wird man sich daran abfinden müssen, daß meistens nur die Presseerklärung abgepinselt wird und einige völlig verfremdete Zitate gebracht werden. Immerhin ist dabei nicht viel falsch zu machen. Schlimmer sind die, die auf eigene Faust etwas betreiben, was sie wohl als Recherche bezeichnen würden, nämlich eine vollständig unlogische Zusammenstellung der heterogensten Fakten und Mißverständnisse. Daß ein solcher Bericht in der „Berliner Zeitung“ von einer Journalistin kam, die glaubte, nicht mal eine Rückfrage bei uns zu brauchen, nimmt nicht Wunder. Erstaunlicher war es dann schon, daß es der Berliner Kulturzene-Zeitschrift „Scheinschlag“ gelang, zum zweiten mal hintereinander einen unsäglichen Mist zu servieren, obwohl sie extra einen Reporter vor Ort geschickt hatte, einen sehr schönen jungen Mann, dessen wirklich reizendes Lächeln ich – das ist eine alte Schwäche von mir – als Zeichen des Verständnisses deutete. (Wiederholte persönliche Notiz zum Merken: Das Schöne ist nicht das Gute und auch nicht das Kluge, davon träumten die Griechen nur). Schlimmer sind dann noch die Zyniker, denen man deutlich anmerkt, daß sie diese Geschichte machen, weil sie sich verkaufen läßt, aber für Leute, die nicht mindestens über ihr Einkommen und ihre Aufstiegsmöglichkeiten verfügen, nur schlecht verhehlte Verachtung übrig haben.

In jedem Fall wird man sich im Rahmen einer Pressearbeit unter den Bedingungen der neueren Bundesrepublik Deutschland damit abfinden müssen, die eigene Person literarisch zur Führerfigur überhöht und mit zahlreichen bildlichen Abbildungen dargestellt zu sehen. Kompliziertere Geschichten, Zwischentöne oder sogar Abstraktionen sind nicht die Sache dieser Presse und vielleicht auch nicht mehr ihrer Leser. Es gibt nur schwarz oder weiß, überhöhte Heldenstory oder finstere Teufelssaga.

Das ist alles sehr traurig, aber entscheidend ist doch das Ergebnis: Ob diese mehr oder weniger törichten Geschichten inhaltlich etwas zu den Lesern herüberbringen und im Falle der Pressearbeit für die Umwelt-Bibliothek war das überraschenderweise bei den meisten dennoch der Fall. Sogar in den dümmsten Zeitungsenten wurde angedeutet, daß es erstaunlicherweise Teile der ehemaligen DDR-Opposition gibt, die nicht wie Bärbel Bohley zu Füßen des Kanzlers sitzen und von den Benefizien der Herrschenden verwöhnt werden. Am Erfreulichsten war natürlich die ausgezeichnet geschriebene, aber durchaus bösartig gemeinte Geschichte der „Frankfurter Allgemeinen“: „Sie sitzen in der subventionierten Kneipenbibliothek und warten auf 1990“, wie der Titel hieß. Bei aller Lächerlichkeit, die der Journalist Konrad Schuller uns schon mit diesem Titel gab, sagte er doch etwas sehr Wichtiges über den Teil der DDR-Opposition, der bis heute bei der Stange geblieben ist. „Im bedrängten Untergrund des Ostens entwickelte sich ein demokratischer Typus, dessen ethisch orientierter Rigorismus dem Westen fremd geblieben ist. Dieser Typus hat gelernt, die Staatsmacht samt ihren mißbrauchten Gesetzen zu verachten und den angeblichen Konsens der Mehrheit als Lüge zu entlarven… Ihre Skepsis gegen die Macht und ihre Mechanik haben sie behalten. Bonn war nie ihr Modell. Dafür richteten sich schon in den achtziger Jahren ihre Augen auf jene im Westen, die genau das zu tun schienen, was man selbst im Osten versuchte… Die „Republik freies Wendland“ bei Gorleben beeindruckte mehr als das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe….“ Das ist, gekoppelt mit den notwendigen ätzenden Schlußbemerkungen des Zentralorgans der westdeutschen Bourgeoisie, ein durchaus bemerkenswerter Artikel.

Reinhard Schult, ehemaliges prominentes Mitglied des Berliner Friedenskreises Friedrichsfelde, des Runden Tisches, der Volkskammer, des Berliner Abgeordnetenhauses und des Neuen Forums wußte dazu nur zu sagen: Wieder einmal habe sich die UB mit unkritischen Selbstdarstellungen in den Vordergrund gedrängt. Tatsächlich gelang es in ganz normalen und zum Teil sehr konservativen Zeitungen darzustellen, daß das neue Deutschland eben nicht das Vermächtnis der DDR-Opposition darstellt und daß genau aus deren radikaldemokratischer Sicht durchaus Zweifel am real existierenden System angebracht sind.

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