Das Internet muß zensiert werden!

aus telegraph 4/1996

Aus dem zweiten Teil unseres Computer-Interviews – etwa zum Thema „Basisdemokratie und Computervernetzung“ wird leider diesmal aus technischen Gründen nichts. Eines dieser 99-Mark-Geräte, die wir in der Redaktion benutzen, hat unbemerkt während des Interviews den Dienst aufgekündigt und so gibt es auf dem zweiten Band nur Geräuschmüll. Ein Anlaß über die Wahrheit des Satzes „Umsonst ist immer am teuersten“ nachzudenken. Das Interview wird aber angesichts aktueller Bezüge in jedem Fall im nächsten Heft nachgeholt. Zu einer Zeit, zu den durch politische und wirtschaftlichen Zwänge die bundesdeutschen Medien immer stärker gleichgeschaltet und nivelliert werden (erst letztens wurde das liberal Flaggschiff „Zeit“ ausgerechnet an den Holtzbrinck-Konzern verkauft), sind nur die neuen elektronischen Medien noch weitgehend zwangsfrei. Und die Konservativen, die mittlerweile glauben, alle ihre Blütenträume könnten reifen, wollen auch diese Medien in den Griff kriegen.

Wers nicht gelesen hat: Bundesinnenminister Kanther erklärte Mitte April noch einmal, daß er das Internet reglementieren will. Das Internet, meinte Kanther, sei das Medium der Zukunft und von wachsender Bedeutung für Wissenschaft und Forschung. Gerade deshalb müsse dieses Medium vor Mißbrauch besonders geschützt werden. Es könne, so Kanther, nicht angehen, daß über das Internet volksverhetzende Äußerungen und Anleitungen zum Bombenbau verbreitet werden. Sein Ministerium überlege zur Zeit, ob man eher mit rechtlichen oder eher mit technischen Maßnahmen dagegen vorgehen wolle und ob Maßnahmen auf nationaler Ebene ausreichen würden.

In der „Berliner Zeitung“, seit dem Abgang Böhmes im Niveau ein gutes Stück selbst unter die „Morgenpost“ abgerutscht, fand sich in diesen Tagen ein besonders schlecht recherchierter und dummer Artikel über die Vorbereitungen „der Autonomen“ auf den 1. Mai. Besonders dämlich war die Bemerkung, die Autonomen würden mittlerweile über das Internet Nachrichten austauschen. Vielleicht war ja eines der Offline-Netze, die internationalen Newsbretter oder e-mail gemeint. Aber die haben ursächlich jedenfalls nichts mit dem Internet zu tun. In der Ausgabe der „Berliner Zeitung“ vom 27./28.4. versuchte man den Berliner Innensenator Schönbohm als Zeugen für den zusammengeschriebenen Mist zu gewinnen und Schönbohm apportierte brav: „Wir haben Hinweise darauf, daß über das Internet und andere Kanäle versucht wird, die linke Szene zu mobilisieren und nach Berlin zu holen.“

Um den Zeilenschindern aus der „Berliner Zeitung“ ein wenig aufzuhelfen, im Folgenden so etwas wie eine autonome Homepage im Internet: Die Internetzeitschrift „CHC“ unter der Internetadresse „http://www.cyberado.co.uk/CHC/“ will über unterdrückte Nachrichten im Zusammenhang mit den wieder bevorstehenden Hannoveraner Chaostagen berichten. „Liebe Kollegen!“, heißt an die Adresse der „Medienpisser“, „Wir sind nicht länger bereit, Euch allein das Monopol auf eine bluttriefende und sensationshungrige Berichterstattung zu überlassen! In diesen Dingen sind wir einfach BESSER als Ihr, und deshalb solltet Ihr in regelmäßigen Abständen mal hier reinschauen. Vielleicht sind wir ja gerade Dingen auf der Spur, die Ihr bisher nicht einmal wahrgenommen habt?!“ Der „Contact Spiritus Rector“ gibt in einem schreiend bunten Layout, das wir uns als Papierzeitschrift einfach nicht leisten können, einen Kommentar zum Besten, den wir im Folgenden abdrucken.

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