Meldungen

Nazimord in Brandenburg

Die Welle von neonazistischen Aktivitäten in und um Brandenburg fand im Februar einen neuen Höhepunkt. In Brandenburg wurde der 23-jährige Sven Beuter am 15. Februar von dem Neonazi Sascha L. schwer verletzt und starb wenige Tage später im Krankenhaus. Sven Beuter, der vor Jahren schon einmal Opfer eines Überfalls wurde, war von seiner Kleidung her als Linker erkennbar. Der Neonazi wurde nach einer vorübergehenden Festnahme wegen „schwerer Körperverletzung“ erst nach dem Tod von Sven Beuter wieder verhaftet. Er ist aber nur wegen „schwerer Körperverletzung mit Todesfolge“ angeklagt.

Von Jan Kellermann

Autonome Antifa (M) im Internet

In einer Presseerklärung teilte die Autonome Antifa (M) mit, daß sie jetzt im Internet unter der Adresse „http://www.nadir.org/Gruppen/aam/“ zu erreichen ist. „Das sich zunehmend verschärfende politische Klima in der BRD“, heißt es weiter, schränkt die Möglichkeiten der Autonomen Antifa (M), durch die etablierten Medien oder öffentlichkeitswirksamen Aktionen am politischen Diskurs teilzunehmen, weiter ein.“ Hingewiesen wird auf eine Reihe von verbotenen Demonstrationen und Aktionen und sogar die Inkriminierung einer Demonstrationsrede. Damit steige der Stellenwert des weitgehend zensurfreien Internets. „Die aktuelle Diskussion um staatliche Zensurmöglichkeiten im Internet zeigt, daß auch dieses Medium polizeilich verstärkt kontrolliert werden soll, um es der political correctness eines Manfred Kanther anzupassen. Gegenüber den bisher praktizierten Holzhammermethoden deutscher Staatsanwaltschaften hat sich das Internet aufgrund seiner technischen Struktur als auf lange Zeit nicht einnehmbare Bastion erwiesen. Wachsamkeit ist allerdings geboten; wenn sich die deutsche Justiz erst einmal ein Instrumentarium zur Strafverfolgung im Internet geschaffen hat, so wird sie davon auch ausgiebig Gebrauch machen – und dies wahrscheinlich nicht gegen Nazis und Pornographie wie derzeit publikumswirksam behauptet wird, sondern primär gegenüber einer linken und kritischen Opposition. Der Internet-Provider der Autonomen Antifa (M) befindet sich in Holland und unterliegt damit nicht dem Zugriff deutscher Behörden – solange das EU-Recht nicht entsprechend geändert wird.

German-Indonesia News

Der endlose Rechtsstreit nach einer Demonstration gegen den Verkauf von indonesischen Kriegsschiffen nach Indonesien in Peenemünde im Jahre 1993 scheint sich jetzt fortzusetzen. Die Klage gegen Ulf Thämelt und Holm Vogel wegen Sachbeschädigung und schwerer Behinderung der Schiffahrtswege war am 10. Oktober vorigen Jahres mit einem von der Staatsanwaltschaft Wolgast selbst beantragten Freispruch zu Ende gegangen. Jetzt ist die Staatsanwaltschaft in Berufung gegangen. Ein neuer Prozeßtermin ist noch nicht bekannt.

Ein anderer Prozeß findet wahrscheinlich ohne Beteiligung des Angeklagten demnächst in Stade statt. Vom Dresdner Verein Conni e.V. war der indonesische Technologieminister Habibie Anfang auf Wiederruf und Unterlassung von herabwürdigenden Äüßerungen verklagt worden. Habibie hatte in öffentlichen Reden behauptet, daß die Dresdner für ihre Demonstration gegen den Besuch des indonesischen Staatschefs Suharto mit mehr als 50.000 Dollar bezahlt worden wären und überdies noch Freibier bekommen hätten. Habibie kann, weil er neben der indonesischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, unkompliziert vor deutsche Gerichte zitiert werden. Weil Habibie bisher auf die Klage nicht reagiert hat, wird ihm jetzt vom Amtsgericht Stade ein Versäumnisurteil angedroht.

Mailand: Polizei verwüstet Leoncavallo

Reichlich spät berichten wir über die Durchsuchung und Verwüstung des besetzten Zentrums Leoncavallo in Mailand. Am Morgen des 19. Dezember drangen um 6.30 Uhr mehrere Dutzend maskierte und schwer bewaffnete Spezialpolizisten in das Zentrum ein, fesselten die Anwesenden – etwa 20 hatten die Nacht im Gebäude verbracht – schlugen sie und knebelten sie mit Klebeband. Dann machten sie sich systematisch an die Zerstörung von allem, dessen sie habhaft werden konnten: aus der Bibliothek rissen sie Bücher heraus und pißten darauf; Videokassetten wurden zertrampelt und mit Lack übergossen; Kabel wurden herausgerissen, Kacheln zerschlagen, alle Fenster zerschlagen; die Lichtanlage und die PA wurden, noch bevor sie beschlagnahmt wurden, zerstört. Besonders hatten sie es auf die Räume des European Counter Networks (ECN) abgesehen, einer autonomen Mailbox. Dort zerstörten sie etwa zehn Computer, blockierten die Tastaturen mit Silikon und wieder pißten sie auf die Geräte. Zum Abschluß schmierten sie mit roter Lackfarbe Hakenkreuze und Davidsterne an die Wände der Räume.

Und warum das alles? Der Vorwand der Polizei: Ruhestörung und Drogenbesitz. Die angebliche Ruhestörung der Umgebung des Zentrums sollte die Beschlagnahme der PA rechtfertigen, der Verdacht auf Drogenbesitz die Durchsuchung und die Festnahmen von sieben Leuten. Gefunden wurde allerdings nur 20 g Haschisch, vier italienische Canabispflanzen und 20 Liter aromatierter Grappa. Doch diese Vorwände sind nur allzu leicht zu durchschauen. Es ging vielmehr darum, die Infrastruktur des Zentrums auf absehbare Zeit lahmzulegen und die AktivistInnen zu erniedrigen – deshalb die Hakenkreuze und das Pissen. Es sollte ein Signal an alle anderen kämpferischen Projekte in Italien sein: Rebellion wird jetzt so beantwortet.

Nach fünf Stunden Verwüstung konnten JournalistInnen das Werk der Polizei besichtigen. Italienische Zeitungen berichteten relativ ausführlich über diese unglaubliche Polizeiaktion. Vergleiche wurden gezogen zur den faschistischen Squadri, SA-ähnlichen Banden, die in den frühen 20er Jahren das Land terrorisierten oder zu Chile 1973. Die Bullenspitze reagierte, indem sie nicht reagierte: die Vorfälle habe es nicht gegeben. Die Empörung über diese staatsterroristische Aktion löste eine breite Welle der Solidarität aus, von der auch Gruppen und Organisationen erfaßt wurden, die sich bislang meist von den „bösen“ Autonomen des Leonka distanziert hatten. Die Solidarität fand einen Ausdruck in der gewaltigen Demonstration vier Tage später, als mehr als 10.000 Leute gegen die Zerstörung des Leonka und gegen die staatliche Drogenpolitik protestierten. Und in der spontanen praktischen Solidarität für den Wiederaufbau des Zentrums.

Presseerklärung

Razzia in ehemaligen besetzten Häusern Leipzig
Wohnungen auch ohne Durchsuchungsbefehl betreten und durchsucht

Am 29.02.1996 fand in der Stöckartstrasse Leipzig in mehreren Häusern eine Razzia statt. In der Stöckartstrasse befinden sich 8 ehemals besetzte Häuser, von denen der überwiegende Teil mittlerweile Mietverträge von der Stadt bekommen hat.

Um 6.30 Uhr riegelten 3/4 Hundertschaften zum Teil auswärtiger PolizistInnen die Straße von zwei Seiten hermetisch ab. Es lagen Durchsuchungsbefehle gegen vier Häuser vor, zusätzlich gegen Wohnungen in zwei anderen Häusern. Diese Durchsuchungsbefehle wurden auch nach mehrmaligen Aufforderungen nicht gezeigt, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Verschlossene Wohnungstüren wurden einfach aufgebrochen oder durch einen Schlüsseldienst geöffnet. Die Wohnungen wurden von der Polizei teilweise ohne ZeugInnen betreten, was ebenfalls rechtswidrig ist. Es wurden willkürlich Gegenstände beschlagnahmt. Darunter befinden sich ausgewiesene Arbeitsmaterialien wie Computer und Werkzeug bzw. alle Gegenstände, die nicht eindeutig durch die Polizei einem/r Besitzer/In zugeordnet werden konnten. Dadurch kommt die Polizei zu einem sachlich falschen Ergebnis von Diebesgut im Wert von ca. 60.000 DM.

In einem Haus, gegen das kein Durchsuchungsbefehl vorlag, wurden trotzdem zwei Wohnungen geöffnet und eine davon durchsucht. Nur das energische Auftreten der BewohnerInnen verhinderte die illegale Durchsuchung der anderen Wohnung. Auf der Pressekonferenz leugnete der Pressesprecher der Polizei, Herr Pusch, daß es überhaupt eine Durchsuchung in dem betreffenden Haus gegeben habe.

Es wurden zehn Personen, zum Teil ohne Angaben von Gründen, festgenommen. Lediglich gegen einen von ihnen lag ein Haftbefehl vor. vier Personen wurden zur Identitätsfeststellung mitgenommen. Die anderen sechs sind weiterhin in Gewahrsam [Stand: 29.02].

Drei Stunden lang wurden alle BewohnerInnen der Stöckartstrasse und Angestellte des dort ansässigen Eine/Welt/Ladens am Betreten oder Verlassen der Straße gehindert. Danach war der Zugang nur nach Feststellung der Personalien und Abgleichung mit einer Fahndungsliste möglich. Die BewohnerInnen der Häuser, in denen die Durchsuchungen stattfanden, wurden kurzerhand auf die Straße gesetzt und mußten in der Kälte mehrere Stunden ausharren, ohne ihre Wohnungen betreten zu können. Die ganze Zeit über wurde von der Polizei alles gefilmt und fotografiert.

Gegen 12.00 Uhr rückte die Polizei wieder ab.

Wir protestieren gegen diese völlig grundlose und überzogene Polizeiaktion.

In einer Presseerklärung der Polizei werden mehrere Vorfälle erwähnt, die die Razzia legitimieren sollen. Diese Vorfälle liegen zum einen schon lange zurück und stehen teilweise in keinem Zusammenhang mit der Stöckartstrasse.

Aus unserer Sicht bildet diese Razzia den vorläufigen Höhepunkt von Kriminalisierungversuchen gegen selbstbestimmtes Leben in Leipzig. Die Razzia und die dazugehörige Presseerklärung der Polizei erweckt den Anschein, daß imaginäre Verschwörungstheorien eine Bestätigung finden sollen. Ziel ist es, die Stöckartstrasse als Hort der Kriminalität darzustellen. Dies geschieht vor dem Hintergrund, daß dem Stadtrat in nächster Zeit eine Vorlage über den Verkauf der Häuser an die Genossenschaft der Bewohnerinnen vorgelegt werden soll. Dies ist wiederum der Landesregierung Sachsens ein Dorn im Auge, die kein Beispiel selbstverwalteter und billiger Wohnungspolitik dulden will. Die AG Connewitz, in der Vertreter aus Stadt und Land sitzen, nimmt eine Schlüsselrolle bei diesem Vorgehen gegen die BewohnerInnen ein.

Einige BewohnerInnen der Stöckartstrasse

Schliwowiza

In der Region um Tuzla (Nordost-Bosien), wo serbisch-nationalistische Kampfverbände seit drei Jahren die Stadt von drei Seiten belagerten, herrschten Zustände eines Stellungskriegs. Es gab viele Zwangssoldaten. Und wenn nicht gerade Offiziere in der Nähe waren, kam es vor, daß Soldaten sich mit den Soldaten im nächsten Schützengraben unterhielten.

Zu weiteren Annäherungen, die man fast schon Verbrüderung nennen könnte, ist es mehrmals im Spätsommer gekommen, als in den Obstgärten in den sporadisch umkämpften Hügeln um Tuzla die Zwetschgen herabfiellen. Eine örtliche Feuerpause wurde vereinbart und von beiden Seiten wurden Trupps abgeordnet, um die reifen Zwetschgen aufzusammeln. Eimerweise wurden die gärenden Früchte zusammengetragen und in einer improvisierten Brennerei im „Niemandsland“ zu Schliwowiza (Zwetschgenschnapps) gebrannt. Nach einigen Tagen verzogen sich die Soldaten wieder.

Aus „A.-S.-INFO“

Neuer Castor-Transport

Ein CASTOR soll vom AKW Gundremmingen ins Zwischenlager Gorleben transportiert werden. Voraussichtlicher Transporttermin ist laut der Kernkraftwerke Gundremmingen Betriebsgesellschaft mbH Anfang Mai ’96. Nach Angaben aus dem Wendland bereitet sich auch die Polizei auf die 19. Kalenderwoche (6.-10. Mai) vor. Die AKW-Betreiber haben bereits eine redaktionell aufbereitete Werbeseite in der Südwest Presse schalten, einen Bericht im bayerischen Fernsehen über die Sicherheit des AKWs zeigen und 3minütige Spots in den Kinos der Umgebung (u.a. Ulm) vorführen lassen. Mehr sowie eine Karte mit den Transportwegen per Bahn steht in der anti atom aktuell Nr. 68 (Helgenstockstr. 15, 35394 Gießen).

Bundesinnenminister mit Strafanzeige gegen den Kurdistan-Rundbrief vor Kölner Gericht gescheitert

Bundesinnenminister Kanther ist mit seiner im Sommer vergangenen Jahres eingereichten Strafanzeige gegen den „Kurdistan-Rundbrief“ vor der Staatsschutzkammer des Kölner Landgerichts gescheitert. Der Minister bzw. seine Behörde hatten den presserechtlich Verantwortlichen des „Rundbriefs“ angezeigt, weil in einer Ausgabe der Zeitschrift im Sommer 1995 eine Grußadresse des PKK-Generalsekretärs Acalan an eine Bonner Großdemonstration „für eine politische Lösung in Kurdistan“ und eine Erklärung der ERNK veröffentlicht worden waren.

Dies, so das Bundesinnenministerium, sei ein Verstoß gegen die Verbote, die Kanther gegen die PKK und ERNK im November 1993 verhängt hatte, und damit gegen § 20 des Vereinsgesetzes („Werbung für eine verbotene Vereinigung“). Mehrere Zeitungen, darunter die „Junge Welt“ und die Zeitung „M“ der IG Medien, hatten über diese Strafanzeige berichtet, die IG Medien hatte die Anzeige als „Zensur“ verurteilt.

Die Kölner Staatsschutzkammer unter Richter Kaiser entschied nun am 28. Februar, das Verfahren „aus Rechtsgründen“ gar nicht erst zu eröffnen.

Da vor zahlreichen deutschen Gerichten inzwischen Strafverfahren gegen kurdische Zeitungen und Zeitschriften, aber auch gegen deutsche „Unterstützer“ wegen angeblichem Verstoß gegen das Vereinsgesetz laufen, dürfte das Kölner Urteil von größerem Interesse sein.

Die Kölner Richter entschieden, der Abdruck der Erklärungen der PKK und der ERNK in der Zeitschrift „Kurdistan-Rundbrief“ sei durch die Pressefreiheit gedeckt. „Die hier in Rede stehenden Veröffentlichungen sind Teil … eines Presseorgans, das unter dem Schutz der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit steht“. Diese Pressefreiheit könne nur durch allgemeine Gesetze eingeschränkt werden. Ob das Vereinsgesetz zu solchen allgemeinen Gesetzen zu rechnen sei, sei zumindest zweifelhaft, da nur solche Gesetze dazu zu rechnen seien, deren Zweck der Schutz eines bestimmten Individual- oder Gemeinschaftsrechts sei. Die Strafnorm des Vereinsgesetzes sei kein solches Gesetz, so daß – auch aus Gründen der Güterabwägung – die Veröffentlichungen ohne Einschränkung durch die Pressefreiheit gedeckt seien. Zwar schütze der § 20 Vereinsgesetz die Sicherheit der Bundesrepublik: „Dies bedeutet aber noch nicht, daß die Pressefreiheit zurücktreten muß“. Zudem sei der „Gefährdungseffekt“

solcher Veröffentlichungen für die staatliche Sicherheit zweifelhaft, zumal Interviews mit dem PKK-Generalsekretär Acalan in sehr viel auflagenstärkeren Zeitungen wie „Stern“ oder „Focus“ ohne strafrechtliche Folgen geblieben seien.

Das Kölner Urteil ist ein Erfolg für die Pressefreiheit. Es ist zudem die vierte Strafanzeige von Polizei und Behörden gegen den „Kurdistan-Rundbrief“, mit denen die Anzeiger gescheitert sind. Auch in den vorhergehenden Fällen hatten die Gerichte stets abgelehnt, das Verfahren überhaupt zu eröffnen. Die Kölner Staatsanwälte können jetzt noch beim OLG Köln Widerspruch gegen die Entscheidung der Staatsschutzkammer einlegen. Das aber hatte vor einiger Zeit – beim damals dritten Versuch einer Strafanzeige gegen den „Kurdistan-Rundbrief“ – am Ende ebenfalls die Eröffnung des Verfahrens abgelehnt.

Rüdiger Lützer, Presserechtlich Verantwortlicher des „Kurdistan-Rundbriefs“

Am Dienstag, den 5. März 96, wurden vormittags zeitgleich die „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“, die tageszeitung (taz) und die Junge Welt (jW) in Berlin vom Staatsschutz durchsucht.

Grund für die Durchsuchung war eine Beleidigungsanzeige der Bundeswehroffiziere Klaus Naumann (ehemaliger. Generalinspekteur der Bundeswehr) und Bernhard Gertz (Bundesvorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes) sowie der Politiker Paul Breuer (Verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion) und Volker Rühe (Bundesminister der Verteidigung) gegen die Kampagne. Die Strafanzeige bezieht sich auf die Plakate „Ja, Morden!“, in der die Bundeswehranzeigenreihe „Ja, Dienen“, „Ja, Helfen“ persifliert wird. Das Plakat der Kampagne zeigt u.a. Klaus Naumann auf dem Plakat, der Text lautet: „Morden im In- und Ausland ist für deutsche Soldaten nichts ungewöhnliches Menschen zu töten gehört zur Tradition von (deutschen) Armeen.“ Um den Urheber der Plakate zu ermitteln und um Druckplatten sicherzustellen, sind die „Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär“ und die Anzeigenstuben von taz und Junge Welt durchsucht worden. Die beiden Tageszeitungen hatten das Plakatmotiv als Anzeige abgedruckt – die Staatsanwaltschaft hoffte, den Auftraggeber seitens der Kampagne in den Akten zu entdecken.

Christian Herz von der Kampagne verurteilte das Vorgehen des Staatsschutzes auf einer Pressekonferenz. Allerdings sieht er auch ihre Arbeit durch die Hausdurchsuchung bestätigt, blickt aber besorgt auf das Verhalten der vier Kläger; er vermutet darin eine strategische Kampagne des Verteidigungsministeriums, um das Karlsruher Urteil zum Tucholsky-Zitat „Soldaten sind Mörder“ aufheben zu lassen. Denn das Plakat sei eindeutig als Satire zu erkennen, und die ersten Verfahren wegen Volksverhetzung sind allesamt letztes Jahr eingestellt worden, so daß es auf ihn nur als ein Vorwand zur Einschüchterung wirkte. Weiter sagt Herz: „Wenn die Bundeswehr nicht in der Lage ist, Satire zu verstehen, sollte sie zum Psychiater gehen und nicht zum Gericht.“

Christian Ströbele, Landesvorstand von Bündnis90/Grüne, bezeichnete die Aktion als einen „skandalösen Angriff auf die Meinungsfreiheit“. Weiter führte der Rechtsanwalt aus, daß das Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt gewesen sei, und die Aktion aufgrund ihres betriebenes Aufwandes die Kampagne in eine terroristische Ecke rücke. Auch wunderte sich Ströbele, daß erst jetzt ermittelt wird: vor knapp einem Jahr waren die Plakate und die Anzeigen erschienen: „Kaum haben wir einen Bundeswehrgeneral als Innensenator, kann es zu solchen Aktionen seitens des Staatsschutzes kommen.“ Da sich das Büro der Kampagne in der gleichen Etage wie das Berliner Parteibüro von Bündnis90/Grüne befindet, hat sich der Staatsschutz „da auch mal umgesehen und einige Plakate mitgenommen“, ohne daß ein Durchsuchungsbefehl vorlag. Ströbele verurteilt das Vorgehen der Berliner Staatsanwaltschaft.

Bereits im letzten Jahr war gegen die Kampagne im Zusammenhang mit der Kampagne ermittelt worden. Aber aufgrund des Bundesverfassungsgerichts-Urteils („Soldaten sind Mörder“) ist das Verfahren eingestellt worden. Daraufhin klagen die oben genannten Einzelpersonen wegen Beleidigung.

Benjamin Hoff von der PDS-Fraktion verurteilte auch das Vorgehen des Staatsschutzes. Der Landesvorstand der PDS habe am Vorabend ihre Weiterarbeit in der Kampagne bekräftigt. Hoff wertet die Durchsuchungsaktion als einen Einschüchterungsversuch: Da der ViSdP für die Plakate bereits feststand, war die Hausdurchsuchung unnötig und diene nur dazu, antimilitaristische Gruppen einzuschüchtern.

Stefan Zwingel, im Landesvorstand der Berliner Jusos, sah in der Aktionen einen „vorauseilenden Gehorsam“: Demnächst soll im Bundestag ein Gesetz zur „Verbesserung des strafrechtlichen Ehrenschutzes der Soldaten“ verabschiedet werden. Dies könne als eine Reaktion der Bonner Legislative auf das Urteil der Karlsruher Jurisdiktion verstanden werden. Zwingel wies darauf hin, daß das Ehrenschutzgesetz für die Opfer des Holocaust nur unter sehr schwierigen Umständen geschaffen worden sei und heute kaum zur Anwendung komme. „Das ist ein doppelter Schlag ins Gesicht eines Demokraten.“

Auch der Allgemeine Studenten Ausschuß (AStA) der Technischen Universität Berlin verurteilt das Vorgehen des Staatsschutzes.

Berliner unabhängige Radionächte `96 – „BURN“/ Pi-Radio

Die Berliner und Brandenburger Freien Radio Aktivisten werden nicht müde mit Ihrem Anliegen, der Zulassung nichtkommerziellen Rundfunks im zukünftigen gemeinsamen Bundesland, an die Öffentlichkeit zu gehen.

Wie schon letztes Jahr wird es auch 1996 in Berlin ein Freies Radio Festival – die „Berliner unabhängigen Radio Nächte“ kurz „BURN!“ geben.

Veranstaltet vom märkischen „Landesverband Freier Radios B./B.“ und dem Projekt „Pi-Radio“. Und zwar vom 15.6. bis 17.6.! In etlichen Clubs und Kneipen der Hauptstadt finden Konzerte und Parties statt, das Ganze natürlich als Benefiz. Wie schon 1995 versucht Pi-Radio eine Veranstaltungsfrequenz anzumieten. So die Medienanstalt Berlin/Brandenburg es auch dieses Jahr gestattet, besteht zumindest für die Berliner und Potsdamer die Chance sich drei Tage lang anzuhören was sich „Pi-Radio“ unter Freiem Radio vorstellt. Die Anträge sind jedenfalls dem Vernehmen nach alle raus.

Gesendet werden soll dabei nicht nur aus dem Studio im Prenzlauer Berg, auch von einem großen Straßenfest im Berliner Friedrichshain, und aus Potsdam. Liveschaltungen wird es natürlich auch in die Pi-Radio Party im Kulturzentrum Pfefferberg geben. Einen großen Teil des Programms werden, wie schon beim letzten „BURN“, politische Basisgruppen, Stadtteilinitiativen u.ä. gestalten.

Anders als im Vorjahr, wo parallel ein bundesweites Treffen Freier Radios in Berlin stattfand, das Festival jedoch auf die Stadt beschränkt blieb, soll dieses Mal die Region Brandenburg stärker einbezogen werden. In etlichen Städten Brandenburgs laufen Gespräche mit den örtlichen Kulturhäusern und Jugendclubs. Als CoVeranstalter tritt der Studiengang Kulturmanagement der FH Potsdam auf.

Eine weitere Veranstaltungsfrequenz hat Pi-Radio für den 1.Mai beantragt. Als Programmschwerpunkt steht die Auseinandersetzung mit dem Tag der Arbeit, seiner Geschichte, den verschiedenen Instrumentalisierungsversuchen und seiner

heutigen Bedeutung. Abends gibts dann eine Radio Mai Feier auf dem Prenzlauer Berg`er Pfefferberg mit verschiedenen Bands und Überaschungen.

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