Ein fiktiver Dialog
Der Konflikt im Nahen Osten beginnt wieder zu qualmen. Selten anderswo offenbart sich Interessenpolitik so unverblümt als Machtpolitik. Die unmittelbar Leidtragenden auf beiden Seiten aber, in Palästina und Israel, sind die Opfer von Terror oder Diskriminierung. Eine politische Lösung des Konflikts scheint immer unwahrscheinlicher; die Radikalisierung der Antagonisten schreitet fort und der Stellenwert von Gewalt rückt unangefochten vom letzten zum ersten Mittel der Politik auf. Und die (parlamentarische und außerparlamentarische) Linke? Sollte man nicht erwarten, dass dort die Maßstäbe der Beurteilung dieser Auseinandersetzung andere sind, als die der Machtpolitiker und ihrer Kopflanger? Hier der Versuch einer diskursiven Rekonstruktion.
Von Thomas Klein
Erstes Gespräch
„Na da issa ja wieder, der Rächer der Enterbten, Verteidiger palästinensischer Ansprüche an Israel und lautstarker Vorkämpfer für die ´Menschenrechte des geknechteten palästinensischen Volkes´! Dabei betreibst Du unter deinem antiimperialistischen Deckmäntelchen bloß die Rechtfertigung des Geschäfts brutaler Terroristen und verwischst deren Blutspur unter den Opfern in der israelischen Zivilbevölkerung, wenn wieder mal ein feiger Raketenangriff der Hamas eine Schule oder ein Krankenhaus in Tel Aviv trifft!“
„Sieh mal an, du Menschenfreund! Jetzt mach du mich nicht zum Terroristenfreund, sondern denk mal lieber darüber nach, was die Ursache von Terror ist und wer hier warum gegen wen Krieg führt! Peter Ustinov hat mal gesagt: `Der Terrorismus ist ein Krieg der Armen gegen die Reichen. Der Krieg ist ein Terrorismus der Reichen gegen die Armen.´ Ich verabscheue genau wie du den bewaffneten Terror gegen unschuldige Zivilisten, egal auf welcher Seite, aber dein Zynismus, mit dem du den Massenmord der israelischen Armee an der palästinensischen Zivilbevölkerung bei ihren Vergeltungsüberfällen auf Gaza rechtfertigst, weil die irren Hamas-Extremisten ihre Nadelstiche mittels primitiver Kassam-Raketenangriffe fortsetzen, ist ungeheuerlich. Hast Du mal die Opferzahlen verglichen?“
„Nadelstiche! Du spinnst doch! Sollen die Israelis sich nicht wehren dürfen? Die Hamas benutzt skrupellos Zivilisten als menschliche Schutzschilde und feuert ihre Raketen aus stark bevölkerten Gebieten auf Israel, ohne dort viel Schaden zu verursachen. Denn sie tut dies mit der Berechnung, dass die zahlreichen palästinensischen zivilen Opfer israelischer Vergeltungsangriffe die Welt gegen Israel aufbringt. Und die 60 erschossenen Palästinenser sowie die hunderte Verletzten während der Demonstrationen an der israelischen Grenze von Gaza anlässlich der palästinensischen Nakba-Kampagne 2018 in Erinnerung an den Exodus der Palästinenser 1948 geht tatsächlich aufs Konto der Hamas, welche sich die zivilgesellschaftlichen Proteste einverleibt und zur Gewalt aufgestachelt hat.“
„Schon kurios, dass du die Vertreibung und Flucht von 700 000 Arabern aus Palästina nach dem Teilungsplan und während des israelisch-arabischen Krieges als ´Exodus´, dem angestammten Begriff für die Flucht der Israeliten vor den Ägyptern aus dem Alten Testament, bezeichnest. Was für die Israeliten die Erlösung bedeutete, wurde 1948 für die palästinensischen Araber zur Katastrophe (arabisch: `Nakba`). So kann man mit Begriffen Bewusstsein erzeugen … “
„Bleiben wir mal bei den Opferzahlen: Assad hat in zwei Jahren weitaus mehr syrische Muslime umgebracht, als in 20 Jahren in Palästina getötet wurden. Im Irak und in Syrien sind vom IS tausende und dort sowie anderswo von den Taliban zehntausende Muslime ermordet worden. Arabische Muslime haben im Sudan eine halbe Million schwarzer Muslime umgebracht. Die Anklage vom jüdischen Massenmord an Muslimen unter Berufung auf die palästinensischen Opfer während der Intifada ist blanke Propaganda. Die meisten muslimischen Opfer auf der Welt sind das Resultat intramuslimischer Vernichtungsexzesse. Und von wegen ´arme Terroristen´! Hast Du vergessen, wer die Hamas unterstützt und finanziert? Sind die Saudis etwa arm? Geld kommt sogar aus dem Iran, obwohl dieser schiitische Gottesstaat ein Todfeind der sunnitischen saudi-arabischen Diktatur und die Hamas sunnitisch dominiert ist. Gegen Israel sind sich aber alle einig! Schon interessant, wie du als sogenannter Linker derartig barbarische religiös verbrämte Regime zumindest indirekt rechtfertigst, wenn Du die Vernichtungsparolen dieser unheiligen Allianz gegen Israel und den Hamas-Terror verharmlost! Da ist es nur noch ein Schritt zur Relativierung klerikal-faschistischer Amokläufer wie des IS. Deren Antiamerikanismus wäre doch ein prima Anschlussscharnier für dein antiimperialistisches Lamento wider den US-amerikanischen Weltherrschaftsanspruch! Du bist nahe dran an den alten Nazi-Parolen vom jüdisch-amerikanischen Kosmopolitismus.“
„Jetzt reicht´s aber! Inzwischen bin ich also für dich nicht allein ein Antisemit, weil ich Israel kritisiere, was für alle zeitgenössischen proisraelischen Demagogen der bequemste Weg ist, alle Einwände abzubürsten, sondern schon fast ein Faschist, weil ich nicht wie du aus dem Blick verliere, welche weltpolitischen Verheerungen die Amis anrichten! Bist du jetzt vollkommen blind geworden? Hast Du inzwischen deinen Frieden mit den antideutschen Renegaten gemacht, die sich unter falscher Flagge als ´Linke´ unter die Teilnehmer antiimperialistischer Demos mischen und dort US-amerikanische oder israelische Fahnen schwenken? Die haben nicht nur jeden linken Internationalismus suspendiert, sondern denunzieren zunehmend alle Kritik am zeitgenössischen Kapitalismus mit dem Stigma des Antisemitismus. Wer etwa die Machenschaften US-amerikanischer Finanzoligarchen angreift, ist für die Antideutschen ein Anhänger antisemitischer Stereotype vom Weltfinanzjudentum und ihrem Zentrum in der Wall-Street. Was Kapitalismus heute wirklich bedeutet, ist längst nicht mehr deren Thema.“
„Netter Schachzug, mich jetzt zum Antideutschen zu erklären. So wie du dich zu Recht beschwerst, als Israel-Kritiker zum Antisemiten gestempelt zu werden, verbitte ich es mir, als Verteidiger Israels in der Schublade ´Antideutscher´ zu landen. Ich bin Antifaschist, sehe mich nach wie vor als Internationalist, habe aber anders als du nicht vergessen, dass gerade die Juden nach Jahrhunderte währender weltweiter Diskriminierung, periodischen paneuropäischen Pogromen und dem deutschen Vernichtungseifer des Holocaust einen eigenen Staat verdienen, den sie auch verteidigen dürfen. Und was deine windelweiche Relativierung palästinensischen Terrors als Notwehr der ´armen Araber` anbetrifft, so hast du wohl vergessen, dass sechs arabische Staaten 1948 einen veritablen Angriffskrieg gegen den jungen jüdischen Staat führten und 1967 drei von ihnen einen solchen vorbereiteten. Die israelische Notwehr exklusiv als Krieg zu brandmarken, ist also wohl gänzlich daneben.“
„Jetzt verkürzt du aber auf ziemlich berechnende Weise die Gründungsgeschichte Israels. Nachdem die Weltgemeinschaft nach allem, was geschehen war, dem berechtigten Anspruch vieler Juden auf einen eigenen Staat entsprach und so gleichzeitig ihr schlechtes Gewissen zu beruhigen trachtete, wurde nicht etwa das Rheinland oder Preußen, sondern das britische Mandatsgebiet Palästina dafür bestimmt und so dem zionistischen Geschichtsverständnis entgegenkommend das jüdische Volk auf palästinensische Kosten entschädigt, ohne dass die Weltgemeinschaft – genauer: der Westen – selbst in Haftung gehen musste; noch nicht einmal Deutschland als naheliegender Schuldner wurde ins Auge gefasst. Ich will des Weiteren hier gar nicht auf das traurige Schicksal der Palästinenser während der Landnahme der israelischen Siedler seit 1947 auf palästinensischem Gebiet noch vor dem 48er Krieg eingehen. Um deine Legende vom hehren Abwehrkampf der Juden gegen palästinensischen Terror und arabische Aggressoren zu hinterfragen, verweise ich Dich darauf, dass Terror und Vertreibung sehr wohl zur Gründungsgeschichte Israels gehören. Die israelische Untergrundorganisation Irgun mit ihren Terroranschlägen gegen die britische Mandatsmacht und den Massakern an Arabern während des Unabhängigkeitskrieges 1948 zeigen, dass einige zionistische Fraktionen Terror und Vertreibung von Anfang an als legitimes Instrument im Dienste politischer Ziele ansahen. Dies sollten spätere israelische Regierungen noch steigern.“
„Was soll denn das heißen? Willst Du etwa Israel in eine Reihe mit den klerikalen absolutistischen Diktaturen in der arabischen Welt stellen? Im Iran und bei der Hamas gehört es zum guten Ton, den Holocaust zu leugnen, in Saudi-Arabien wird umgebracht, wer am Wahhabismus zweifelt und ansonsten fällt allen bei Israel nur ´Dschihad´ ein. Immerhin ist Israel eine (wenn auch nur bürgerliche) Demokratie, deren Bewohner ins Meer getrieben gehören, wenn es nach der Hamas ginge.
Ist das humaner, als die Maxime der Nazis, allen Juden ein Grab in den Lüften zu bereiten, wenn sie durchs Gas gegangen sind?“
„Schon wieder wirst du demagogisch! Nichts liegt mir ferner, als diese reaktionären arabischen Regime zu verteidigen oder einen islamischen Extremismus zu rechtfertigen! Aber anders als du versuche ich nicht, auf diesem Weg den israelischen antiarabischen Chauvinismus, dortige Tendenzen eines nationalistisch verbrämten Annexionismus oder eines extremistischen religiösen Terrorismus zu beschönigen! Du weißt doch so gut wie ich, dass die religiös maskierten Extremisten auf beiden Seiten sich in ihrem Bestreben, jeden israelisch-palästinensischen Ausgleich zu torpedieren, gegenseitig bestätigen, hochschaukeln und dass diese einvernehmliche Eskalation beiderseits zu immer blutigeren Exzessen führt. Israel hat schon geraume Zeit die reaktionärste Regierung seit seinem Bestehen. Vorbei sind die Zeiten, wo unter Rabin mit Arafats PLO der Frieden greifbar nahe schien. Du hast vergessen, dass in den 60er und 70er Jahren die Sache der Palästinenser hauptsächlich durch den säkularen arabischen Nationalismus der PLO vertreten wurde. Die Übereinkunft von Oslo 1993: Da ging was. Die Friedenslösung war greifbar nahe. Lang lang ist´s her. Nach der Ermordung Rabins durch einen jüdischen Fundamentalisten ist nicht nur bei den Palästinensern, sondern auch in Israel die Reaktion auf dem Vormarsch. Inzwischen versteigt sich Netanjahu in seinem antiarabischen Chauvinismus schon zu der Behauptung, der palästinensische Großmufti habe anno 1941 Hitler zum Holocaust angestiftet. Es ist offensichtlich, dass Netanjahu so den israelischen Hass auf die Palästinenser noch weiter anzufeuern trachtet.“
„Da ist schon was dran. Aber du wirst doch nicht im Ernst den hassgeladenen Islamismus der Hamas mit dem Zionismus gleichsetzen wollen! Muslimische Terroristen, die Juden ermorden, bevorzugen dabei seit langem und prinzipiell die grausamsten Methoden. Wenn palästinensische Männer in Synagogen mit Hackmessern auf betende Juden losgehen, soll dies nichts mit einem in Mordexzessen gipfelnden Antisemitismus zu tun haben? Angesichts solcher barbarischen Taten ist der Versuch, diesen Vernichtungswahn auf pseudorationale Motive wie die Verzweiflung über den gescheiterten Friedensprozess, den fortgesetzten israelischen Siedlungsbau auf palästinensischem Siedlungsgebiet und das Elend der vom Wasser abgeschnittenen arabischen Bauern zurückzuführen, eine Verschleierung des tatsächlichen Treibsatzes solcher Anschläge: Der Hass auf Juden und der Wille einer Austilgung Israels. Und natürlich ist wieder der Missbrauch der Religion (neben den vielen Spielformen des Rassismus) die wirksamste Unterfütterung solcher Vernichtungsphantasien. So die berühmte Hadithe vom Gharqad-Baum, in der Muslime explizit aufgefordert werden, Juden zu töten oder gleich der Rückgriff auf den Koran: „O ihr, die ihr glaubt, nehmt euch nicht die Juden und die Christen zu Freunden. Sie sind untereinander Freunde. Wer von euch sie zu Freunden nimmt, gehört zu ihnen“ (Koran, 5:51).“
„Diese Art Missbrauch Ist nun wirklich nicht Alleinstellungsmerkmal der „Religionspropaganda“ islamistischer Extremisten. Radikale jüdische Siedler berufen sich bei ihrer illegalen Landnahme auch gleich aufs Alte Testament: „Seht, ich übergebe euch das Land. Geht hinein und nehmt das Land in Besitz, von dem ich euren Vätern Abraham, Isaak und Jakob geschworen habe, dass ich es ihnen und ihren Nachkommen geben werde.“ (Deuteronomium 1:8). Darüber hinaus berufen sich heute immer öfter nicht allein orthodoxe Juden, sondern auch säkular denkende Zionisten auf diese Schrift, weil sie exakt beschreibt, was heute passiert: „Ich setze deine Landesgrenzen fest vom Roten Meer bis zum Mittelmeer, von der Wüste bis zum Fluss Euphrat. Ich gebe die Menschen, die dort leben, in deine Hand, und du wirst sie vor dir vertreiben. Schließe weder mit ihnen noch mit ihren Göttern einen Bund.“ (Exodus 23:31-32). Wir sind uns doch als Linke beide darin einig, dass heute Religionen nicht mehr als sakrosankt respektiert werden müssen, sondern wie jede politische Ideologie kritisiert werden dürfen. Dies vor allem deshalb, weil wir wissen, wie Religionen gerade heute politischen Zwecken dienstbar gemacht werden. Wer aber meint, seinen Respekt vor den religiösen Gefühlen der Menschen in der Form zu bekunden, dass er diese Rolle der Religion in den zeitgenössischen blutigen Konflikten leugnet, trägt nicht zu deren Lösung, sondern zu ihrer Verschleierung bei. Die hilflose Versicherung, die Dschihad-Propaganda habe ebenso wenig mit dem Islam zu tun, wie der Zionismus mit dem religiösen Judentum, hilft überhaupt nicht weiter. Können wir darin einig werden?“
„Das hört sich schon mal gut an. Doch wie weit willst du gehen? Du benutzt die Existenz der kleinen konservativen ultrareligiösen Parteien und extremistischen Gruppierungen in Israel doch nur dazu, um die Legende von den Muslimen als den´ neuen Juden´ im Apartheidstaat Israel oder sogar die Lüge vom israelischen Völkermord an den Palästinensern zu begünstigen. Mit solchen Narrativen betreibst du die Verharmlosung und Relativierung des nazistischen Massenmords an den europäischen Juden.“
„Und wieder Unterstellungen! Solche Zuspitzungen liegen mir fern. Aber du willst scheinbar nicht zur Kenntnis nehmen, zu welch zynischen machtpolitischen Manövern die Regierungen im ach so demokratischen Israel imstande waren und offenkundig auch weiterhin sind. Sie scheißen auf das Völkerrecht, die UNO mit ihren Resolutionen und die Menschenrechte. Hast Du die berechnende Komplizenschaft der israelischen Armee im Libanon 1982 beim Massaker christlich-phalangistischer Milizen an den palästinensischen Zivilisten in den Flüchtlingslagern Sabra und Schatila vergessen? Auch israelische Quellen erwähnen inzwischen, dass Israel von 1967 bis 1975 und Ende der 80er Jahre die angeblich so verhasste Hamas als Gegengewicht zur Fatah/PLO und zu den Kommunisten finanziell unterstützt habe. Die militanten israelischen Siedler wissen genau, was ´gelobtes Land´ ist, wenn sie die Palästinenser beim illegalen Siedlungsbau um ihre Flächen und den Zugang zum Wasser bringen. So etwas geht natürlich nur, wenn man militärisch haushoch überlegen ist. Und die Atommacht Israel hat die stärkste Armee der Region und die stärkste Militärmacht der Welt als Verbündeten – da fällt die Arroganz der Macht wirklich leicht.“
„Na, mein Lieber, du merkst wahrscheinlich selbst, dass deine Anklagen gegen Israel nicht sehr überzeugend sind. Da habe ich es wesentlich leichter, meine Verurteilung der extremistischen Hamas-Dschihadisten und der superkorrupten PLO-Berufsbürokraten zu formulieren, die sich beide die palästinensische Sache unter den Nagel gerissen haben und inzwischen wohl vorwiegend die Unterstützungsgelder von der UN, der EU und ihrer arabischen Sponsoren unter sich aufteilen, wozu sie nach Kräften den Konflikt am Kochen halten müssen. Die Palästinenser haben wenig davon – ob nun im Gaza-Streifen oder im Westjordanland. Zudem haben sich beide konkurrierenden palästinensischen Bünde unzweifelhaft schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht. Und im Übrigen: Wer hat denn im Jahre 2000 den Oslo-Friedensprozess zum Scheitern gebracht? Als Ehud Barak für die israelische Seite den Palästinensern einen Staat in der West Bank und Gaza mit Ostjerusalem als Hauptstadt angeboten hat, ließ Arafat ohne jede Begründung die Verhandlungen platzen und öffnete der Wiederauflage palästinensischen Terrors Tür und Tor. Und überhaupt: Warum kam es eigentlich zwischen 1949 und 1967 nicht zur Gründung des Staates Palästina, als Ägypten und Jordanien diese Gebiete kontrollierten? Jeder erkennt doch hier die damalige Bigotterie der vermeintlichen arabischen Verbündeten der Palästinenser: Nicht die palästinensische Sache, sondern der Kampf gegen Israel hatte den Takt vorgegeben.“
„Du machst es dir wieder sehr einfach: Jetzt soll Arafat als der Saboteur des Oslo-Friedensprozesses erscheinen. „Ohne Begründung“ ist Quatsch: Denn es war 2000 in Camp David offensichtlich, dass das israelische Angebot für das den Palästinensern zugestandene Territorium auf der West Bank zerstreute Gebiete, durch israelische Checkpoints und Schnellstraßen zerteilt, bedeutet hätte und sich Israel die Kontrolle der Wasserressourcen und Außengrenzen vorbehielt. Ebenso sollte die palästinensische Hoheit über Ostjerusalem eingeschränkt werden und das Rückkehrrecht für palästinensische Vertriebene stieß bei Israel auf taube Ohren. Aber Ich merke, dass es, Palästina betreffend, vielleicht die eine oder andere Sache gibt, in der wir uns annähern. Israel bleibt schwierig. Mir fällt auf, dass du dich permanent um eine Einschätzung der bisherigen und gegenwärtigen israelischen Regierungspolitik herumdrückst, weil du befürchtest, als Linker dann um eine Kritik des reaktionären Charakters etwa der Netanjahu-Administration nicht herum zu kommen. Du denkst, dass so dein gebetsmühlenartiges Verteidigungs-Lamento zugunsten Israels an Glaubwürdigkeit zu verlieren droht. Zu Recht. Interessanterweise sehe ich solche Selbstzensur bei deiner linken Kritik anderer bürgerlicher Regime überhaupt nicht. Israel ist wohl für dich eine besondere politische Einheit. Und noch etwas fällt mir auf: Linke gründen gemeinhin jede Analyse der Verhältnisse in einem Staat auf die Untersuchung der dortigen Klassenverhältnisse, der sozialen Lagen seiner Bürger, der spezifischen Formen sozialer Kontrolle, der Organisation dortiger ökonomischer Abhängigkeiten und der Gestalt politischer Herrschaft. Im Falle Israels stellst du dir solche Fragen überhaupt nicht. So ist zum Beispiel die in Israel virulente Frage der Existenz von Bürgern zweiter Klasse für dich gar nicht von Belang.“
„Ja, ja; jetzt kommt wieder die Leier von den diskriminierten Arabern mit israelischem Pass. Bis sich dann wieder einer von ihnen mit seinem Sprengstoffgürtel auf dem Markt in Jerusalem in die Luft jagt. Ebenso sind die vielen unangenehmen Checkpoints für die Palästinenser und die Mauern zwischen den Siedlungsgebieten bloß die Folge palästinensischen Terrors. Natürlich trifft die Landnahme militanter Siedler in den besetzten Gebieten international auf Kritik und ist auch in Israel umstritten. Aber diese Militanz ist doch nicht von gleichem Kaliber wie die Militanz von Selbstmordattentätern und Raketensalven auf die israelischen Grenzzonen. Solange das Land derart unter Beschuss liegt, gibt es eben Gegendruck. Auch als Linker muss man sich entscheiden, ob man auf Seiten Israels steht oder auf Seiten seiner Feinde.“
„Wie sagte doch schon der deutsche Kaiser eingangs des I. Weltkriegs: ´Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche´. Willst Du als Linker im Falle Israels den Israelis empfehlen, den deutschen Vorkriegs-Nationalchauvinismus zu imitieren und wie ehedem die Sozis selbst dabei mitmachen? Du bist mir ein schöner Linker. Aber gut: Du bist wie ich Deutscher und hinter uns liegt der Massenmord der Nazis an den europäischen Juden. Denk nicht, dass ich davon nicht auch gezeichnet bin. Ich erinnere mich während unseres Gesprächs wieder daran, wie wir alte Knacker damals als Jugendliche in der DDR den 6-Tage-Krieg 1967 noch im Gleichklang kommentierten: Wir drückten gemeinsam den Israelis gegen die vermeintliche arabische Übermacht die Daumen – wozu auch die schwachsinnigen Kommentare in der ´sozialistischen Bruderpresse´ beitrugen. Wir waren beide damals philosemitisch und Israel-Freunde. Dann allerdings kam die israelische Annexionspolitik und irgendwie erinnere ich mich, dass deine Sicht auf die PLO – damals im Westen noch als Terrororganisation gebucht – durchaus differenziert war. Dann ging´s im weiteren Verlauf bei uns auseinander. Angesichts dessen, was aus der PLO geworden und was in Gestalt der Hamas nachgekommen ist, kann ich deine Distanzierung schon verstehen. Für deine Kritiklosigkeit gegenüber Israel fehlt mir aber jedes Verständnis. Da versagst Du als kritischer Linker. Der israelische Staatszweck, geronnen in der Formel von „Israel als dem Nationalstaat des jüdischen Volkes“, mit welcher Netanyahu 2014 auch gleich alle nicht in Israel lebende Juden einzuvernehmen trachtete, zeigt seither deutlich wie nie, dass dieser Staat mit allen Mitteln jeden palästinensischen Staatsgründungswillen bekämpfen muss.“
„So wie dieser ´palästinensische Staatsgründungswille´ bei seinen einflussreichen ultraradikalen Verfechtern unvereinbar bleibt mit der Anerkennung des Existenzrechts Israels. Hier haben wir den Treibsatz eines permanenten asymmetrischen Krieges mit gefährlichem überregionalem Potential. Wir werden wohl weiter darüber sprechen müssen.“
Zweites Gespräch
„Schon ´ne Weile her, dass wir über die Nahost-Konfliktlagen gestritten haben. Aber wir wollten ja weiter diskutieren. Und ich finde, wir sollten jetzt mal in den Bereich der unappetitlichen Kollateralfolgen für Linke in Deutschland vorstoßen. Was sagst du denn zu den Attacken propalästinensischer Extremisten auf eine Protestkundgebung von Israelfreunden, die vorletztes Jahr gegen eine Filmaufführung des bekennenden jüdischen Antizionisten Dror Dayan im Kino „Moviemento“ demonstrierten? An den auch physischen Attacken auf die Protestler nahmen neben Anhängern „antiimperialistischer“ deutscher Gruppen auch islamistische Antisemiten teil, deren verbale Übergriffe in den Rufen „Drecksjuden“ und „Ihr sollt alle vergast werden“ gipfelten. All diese Kretins solidarisieren sich offen mit Kampagnen wie der internationalen „Israeli Apartheid“-Woche und mit antiisraelischen Organisationen wie der „Boykott Divestment and Sanctions“ (BDS), bei denen die Assoziation zu Nazi-Slogans wie „Kauft nicht bei Juden“ von 1933 naheliegen.“
„Ja, ich erinnere mich gut. Aber du blendest bezeichnenderweise wieder die Schlüsselmerkmale des Konfliktanlasses aus. Das bin ich ja inzwischen von dir gewohnt. Dieser Film, Anlass der Empörung antideutscher und jüdischer Protestler, beschreibt u. a. die Aktivitäten eines israelisch-jüdischen Friedensaktivisten an der Seite palästinensischer Bauern im Westjordanland, denen der vom Staat Israel im Namen der Terrorprävention auf ihrem Boden errichtete elektrische Sperrzaun den Zugang zu Feldern, Quellen und Schulen teilweise abschneidet. Dieser Friedensaktivist, der auf seine vom Staat stigmatisierten Feinde zugeht und auch für deren Rechte kämpft, hat sicher für einen Friedensprozess schon jetzt mehr getan, als die sich links etikettierenden Antideutschen, die nur die bedingungslose Solidarität mit dem Staat Israel akzeptieren, alles andere als „antisemitisch“ denunzieren und damit drohten, das Kino „Moviemento“ nun auch als solchen Ort zu brandmarken, wenn der Film gezeigt werde. Dabei wirft der Film Fragen auf, die auch dem borniertesten Israel-Verteidiger Anlass zum Nachdenken geben könnten. Der Film spiegelt ebenfalls die innere Zerrissenheit der israelischen Linken. Dagegen ist der groteske Grabenkampf zwischen „Anti-Imps“ und „Antideutschen“ in der deutschen Linken eine makabre Karikatur des Nahost-Konflikts, die den Ernst der Lage jener in Israel und in Palästina für einen Ausgleich und den Frieden kämpfenden Anti-Chauvinisten ignoriert. Diese Friedensaktivisten werden sowohl in Israel als auch im palästinensischen Lager verfolgt, kriminalisiert und geächtet. Ich gebe aber zu, dass sie in Palästina anders als in Israel sogar um ihr Leben fürchten müssen. Wäre die deutsche Linke aller Lager nicht gut beraten, mit diesen israelischen und palästinensischen Aktivisten tätige Solidarität zu üben?“
„Aber Du hattest ja vorgeschlagen, jetzt über die verhängnisvollen direkten politischen Auswirkungen des unsäglichen „Diskursniveaus“ in der deutschen Linken hinsichtlich des Israel-Palästina-Konflikts zu diskutieren. Ein Beispiel ist die Revolutionäre 1.Mai-Demo 2016. Die Teilnehmerzahl ging damals im Vergleich zum Vorjahr merklich zurück und das Vorbereitungskomitee hat sich fast zerlegt. Warum? Es ging um eben wieder um diesen Konflikt. Wie denkst du darüber?“
„Gut, dass du das erwähnst. Erstmals wollten sich 2016 die schon erwähnte BDS-Bewegung und die von Dayan geleitete Gruppe F.O.R. Palestine an der Revolutionären 1.Mai-Demonstration innerhalb des dortigen „Internationalistischen Blocks“ beteiligen. Im Vorfeld der Demo-Vorbereitung bezichtigte die „Ökologische Linke“ diese beiden Initiativen des Antisemitismus und beantragte deren Ausschluss. Nach dem Scheitern dieser Anträge verließen die ÖkoLI und die Antirassistische Liste unter Protest das Demo-Bündnis. Denn schließlich spricht BDS in überbordender Demagogie von Israel als einem Apartheidsregime und F.O.R. verbindet ihre Forderung auf ein Rückkehrrecht aller 1948 vertriebenen Palästinenser und ihrer Nachkommen nach Palästina mit ihrem Eintreten für eine Einstaaten-Lösung. In diesem Phantasiegebilde vom Jordan bis zum Mittelmeer sollten Palästinenser und Juden friedlich zusammenleben, was die Aufgabe jedes zionistischen Privilegs auf jüdischer Seite voraussetze. Jutta Ditfurth sah hierin zu Recht ein Votum für die Zerschlagung des Staates Israel und ein Umschlagen des Antizionismus in einen Antisemitismus. Was sagst du dazu?“
„Nun weiß ich aber, dass Dayan unter den Forderungen von F.O.R. ausschließlich die Beseitigung der Privilegierung von Israelis gegenüber den Palästinensern versteht. Für mich ist der Vorwurf des Antisemitismus gegenüber F.O.R. höchst fragwürdig. Anders als F.O.R. habe ich selbst immer die Zweistaatenlösung als realistisch angesehen. Aber mit der forcierten aggressiven Landnahme israelischer Siedler auf Kosten der Palästinenser, die von Netanjahu gedeckt und legalisiert wird, rückt angesichts des entstehenden Flickenteppichs jüdischer Enklaven auf palästinensischem Gebiet ein konsistenter palästinensischer Staat in immer weitere Ferne. Gegenüber den internationalen Protesten sieht sich Netanjahu in seinen illegalen Praktiken durch die Unterstützung der gegenwärtigen reaktionären US-Administration bestärkt. Dies fand gerade in der Legalisierung der israelischen Annexion Ostjerusalems durch Trumps Anerkennung ganz Jerusalems als ungeteilte israelische Hauptstadt einen neuen Höhepunkt mit Potential für eine neue Intifada der extremistischen Hamas. Und die fremdenfeindlichen Regierungen Ungarns und Tschechiens scheinen dem US-amerikanischen Eskalations-Alleingang folgen zu wollen. Die polnische Dienstbarkeit gegenüber amerikanischen Interessen ist ja seit der Einrichtung von illegalen polnischen Foltergefängnissen unter amerikanischer Kontrolle im Namen der Terrorprävention nach „Nine-Eleven“ weltbekannt. Eine osteuropäisch-amerikanische Koalition der Konflikt-Verschärfer und Menschenrechts-Verächter ist in Sicht. Gibt dir das nicht zu denken?“
„Schon, aber du solltest darüber nachdenken, dass ausgerechnet der türkische Diktator und Kurdenschlächter Erdogan nun Israel als Terrorstaat bezeichnet. Ein schöner Anwalt der Menschenrechte! Die neue bizarre Achse USA – Saudi-Arabien – Israel gegen den verhassten Iran dominiert augenscheinlich längst schon den Palästina-Israel-Konflikt. Doch du lenkst erneut ab: Wir wollten doch über die Folgen des Streits über Israel innerhalb der deutschen Linken am Beispiel der 1.Mai-Demo 2016 diskutieren. Jutta Ditfurth verwies darauf, dass Tausende, die in den Jahren zuvor an der Demo teilnahmen, 2016 nicht mehr gekommen sind und sich die Teilnehmerzahl halbierte. Das hat natürlich auch noch andere Ursachen, aber die Tolerierung der Praktiken antisemitischer national-„linker“ Querfrontler , die Klassenbewusstsein durch völkisches Denken ersetzen und einen palästinensischen „nationalen Sozialismus“ fordern (F.O.R.), sind verhängnisvoll. Innerhalb der Demo sind sie wieder mit Gewalt gegen Israel-Sympathisanten vorgegangen und tragen so dazu bei, die Linke insgesamt zu schwächen, wie man ja auch sieht. „Der Grad des intellektuellen Niedergangs und der Verrohung im Berliner Bündnis ist drastisch. Ein solches Verständnis von Revolution führt nicht zu Emanzipation und umfassenden Befreiung aller (!) Menschen, sondern in die Inhumanität“ (Ditfurth). Und die Interventionistische Linke (IL) will sich vornehm aus allem heraushalten, versteckt sich hinter ihrem verbalen Bekenntnis gegen jeden Antisemitismus und vermied es, klar gegen antisemitische Tendenzen im Internationalistischen Block der Demo aufzutreten. Die „Radikale Linke Berlin“ erklärte, dass „das Vorbereitungsbündnis der revolutionären 1. Mai-Demonstration in Berlin nicht die richtige Instanz“ sei, „um den Nahost-Konflikt zu lösen“. Diese diskursive und politische Bankrotterklärung setzt sich innerhalb der Linken gegenwärtig wohl auch in der konzeptlosen Strategiesuche gegen den aktuellen rechtsreaktionären gesellschaftlichen Trend fort, wie man u. a. am Beispiel der Partei „Die Linke“ sieht. Alles in allem glaube auch ich inzwischen, dass es sich lohnt, über einen latenten Antisemitismus innerhalb der Linken nachzudenken.“
„Tatsächlich gibt das alles auch mir zu denken. Aber was das Thema eines „linken Antisemitismus“ betrifft, finde ich die Ergebnisse einer sozialpsycho-logischen Analyse 2010/12 von Wilhelm Kempf an der Uni Konstanz zur Israelkritik zwischen Antisemitismus und Menschenrechtsparadigma in Deutschland geradezu verblüffend. So ergab sich, dass unter „Israelfreunden“, deren antisemitische Disposition naturgemäß im unteren Bereich liegt, solche Vorbehalte jedoch noch häufiger auftraten, als unter „Palästinafreunden“. Wie kann es sein, dass unter „Israelfreunden“ laut den Befragungen doch häufiger antisemitische Denkmuster vorkommen, als ausgerechnet bei den „Palästinafreunden“, denen ja tagtäglich Antisemitismus testiert wird? Die Kempf-Studie führt das darauf zurück, dass aus der Sicht der Israelfreunde die Juden für „die Deutschen“ etwas Besonderes seien – auch, weil „wir“ den Juden noch „etwas schuldig“ sind. Hier erscheint solch Philosemitismus tendenziell als Kehrseite von Antisemitismus. Die „Palästinafreunde“ verkörpern laut den Ergebnissen der Studie am konsequentesten die Auffassung, dass alle Menschen gleich seien, sind am besten über den Nahost-Konflikt informiert, halten die Menschenrechte hoch und ein Teil von ihnen neigt desillusioniert eher zur Legitimierung von Gewalt als Mittel zur Lösung des Konflikts. Letzteres unterscheidet sie nicht von den Israelfreunden, die sogar überwiegend Gewalt als Mittel der Konfliktaustragung bevorzugen. Dass die deutschen Palästinafreunde stark überwiegend keine Vorbehalte gegen Juden oder Palästinenser hegen, unterscheidet sie deutlich von den Anhängern eines islamischen Antisemitismus unter den Palästinaunterstützern. Die „Rechten“, 26 Prozent der Stichprobe, mit durchgängigen Vorbehalten gegen Juden und den Zionismus, aber ebenso gegen den Islam und gegen Palästinenser, wissen wenig über den Nahostkonflikt und ergreifen tendenziell eher Partei für Palästina gegen Israel. In allen Fragen sind die Wähler aller Parteien der deutschen Parteienlandschaft tief gespalten, aber bei den Wählern der Grünen und der Linken findet die Studie anteilig die wenigsten Antisemiten. Der Anteil der „Rechten“ betrug 2010 laut Kempf-Studie bei Wählern der Grünen 13 Prozent, der FDP 19 Prozent, der Linken 21 Prozent, der SPD 25 Prozent, der CDU 32 Prozent, der NPD 85 Prozent. Die vermeintlich antisemitischen „Palästinafreunde“ in Deutschland sind in aller Regel jene, deren Denken am geringsten von antisemitischen Vorurteilen bestimmt ist. Medial den „linken Antisemitismus“ als zentrales gesellschaftspolitisches Problem zu apostrophieren, ist also eher Propaganda. Aber die Auffassungen der Minderheit der Israelfreunde und der Mehrheit der Palästinafreunde unter den Wählern sind kaum zu identifizieren mit der offiziellen Israelpolitik der von ihnen gewählten Parteien. Ich finde das alles ziemlich brenzlig …“
„Auch ich werde immer nachdenklicher. Heute haben wir es in der AfD mit dem parlamentarischen Arm immer offener auftretender rassistischer und antimuslimischer Propagandisten eines völkischen Kapitalismus zu tun. Die offiziell israelfreundliche Fassade der AfD, repräsentiert von ihrer verbal gegen Antisemitismus auftretenden Galionsfigur Beatrix von Storch, koexistiert mit den in den sozialen Medienbeiträgen ihres Vereinsnetzwerks abgesonderten Verschwörungstheorien, die Juden seien die Ingenieure der „muslimischen Masseneinwanderung“ und des „Genozids am christlichen Europa“. Ein hessisches AfD-Mitglied postet: „Terroristen des ‚Islamischen Staats‘ werden von Israel gesteuert.“ Die AfD-offizielle Distanzierung von judenfeindlichen Ausschreitungen in Deutschland wird in dieser Partei fast vollständig konnotiert mit muslimischem Antisemitismus und projiziert auf die Flüchtlinge. Dass über 95 Prozent der antisemitischen Gewalttaten und flüchtlingsfeindlichen Exzesse von biodeutschen Rechtsextremisten begangen werden, beschweigt die AfD zugunsten ihrer Unterstützung durch sympathisierende Neonazis und deutsche Antisemiten, die auch in den eigenen AfD-Reihen zuweilen offen geschichtsrevisionistisch auftreten. Der „Stolz auf die Leistungen deutscher Soldaten in beiden Weltkriegen“ (Gauland) sowie die doppeldeutige Qualifizierung des Holocaust-Denkmals als „Denkmal der Schande“ und Höckes Forderung nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ (!!) sind nur die jüngsten Beispiele. Und die deutsche Linke findet einfach kein überzeugendes und einigendes Konzept gegen diese raffiniert-perfide Doppelstrategie nationalistischer Reaktionäre …“
Thomas Klein ist Historiker und lebt in Berlin.