aus telegraph #3 _ 1999
von Jürgen Schneider
Am 12. Februar 1989 wurde in Belfast der bekannte Rechtsanwalt Patrick Finucane, der nur einen Monat zuvor von dem konservativen Unterhausabgeordneten Douglas Hogg als „IRA-Symphatisant“ bezeichnet worden war, vor den Augen seiner Frau und seiner Kinder in seinem Eßzimmer von drei Maskierten ermordet. Am 23. Juni 1999 erhob ein Gericht in Belfast gegen den 48jährigen Alfred Stobie Mordanklage. Er soll zu dem für den Mord an Finucane verantwortlichen Mordkommando der loyalistischen Ulster Freedom Fighters (UFF) gehört haben. Im Gerichtssaal kam es zu turbulenten Szenen, als der Rechtsanwalt Stobies vortrug, sein Mandant habe zur Zeit des Mordes an Finucane als Informant für die Special Branch der RUC gearbeitet und diese zweimal davon in Kenntnis gesetzt, dass ein Mord vorbereitet werde. Stobie soll der RUC auch Hinweise über den Verbleib der Mordwaffe gegeben haben.
Am 27. Juni 1999 veröffentlichte der Journalist Ed Moloney in der in Dublin erscheinenden Sonntagszeitung Sunday Tribune Gesprächsaufzeichnungen aus dem Jahre 1990. Damals hatte sich Moloney mehrfach mit Stobie getroffen, der ihm seine Rolle bei dem Mord an Finucane geschildert hatte.
Moloney hatte Stobie, der um sein Leben fürchtete, weil seine Doppelrolle als Waffenverwalter einer loyalistischen Todesschwadron und RUC-Informant aufzufliegen drohte, zugesagt, sein Wissen erst zu veröffentlichen, wenn Stobie zustimme. Gegen Stobie wurde erst Anklage erhoben, nachdem eine von dem Metropolitan Police Commissioner John Stevens geleitete Untersuchung des Mordes an Patrick Finucane begonnen hatte. Mitglieder des Teams von Stevens waren auch bei Moloney aufgekreuzt und hatten die Herausgabe seiner Notizen in dieser Sache verlangt. Er weigerte sich und bekam prompt eine gerichtliche Aufforderung, das Material unverzüglich herauszugeben. Tut er es nicht, drohen ihm unter dem Prevention of Terrorism Act (PTA) eine empfindliche Geldstrafe oder aber eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Gegenüber der Irish News erklärte Moloney, seine Anwälte hätten ihm dargelegt, daß die RUC diese Angelegenheit mit Vehemenz verfolge. Ed Moloney zeigte sich entschlossen, kein Material herauszugeben: „Dies ist ein Versuch, mich als Journalist zu zerstören, was schwerwiegende Implikationen für den Journalismus in Nordirland haben würde, schließlich gehört der Schutz von Quellen zu den journalistischen Grundprinzipien.“ Laut Sean McPhilemy war es die sog. „Inner Force“ der RUC, die beschlossen hatte, daß Pat Finucane „beseitigt“ werden muß. In seinem Buch The Committee schreibt McPhilemy, das „Komitee“, bestehend aus unionistischen Geschäftsleuten, protestantischen Geistlichen, sowie Polizisten der RUC und wohl auch Angehörige der britischen Armee, haben Ende Januar 1989 beschlossen, daß der „geeignete Zeitpunkt“ gekommen sei, das Leben Finucanes zu beenden. Das „Komitee“ soll sich loyalistischer Todesschwadrone bedient haben, und zu den „Committee Associates“ soll kein geringerer gehört haben, als der Friedensnobelpreisträger in spe, William David Trimble. Er wurde – so hieß es bei McPhilemy – „von den Komiteemitgliedern auf dem laufenden gehalten, während die Mordkampagne im Gange war.“
1990 war Stobie 32mal verhört worden – 47 Stunden und 20 Minuten lang. Auf 120 getippten Seiten hat er gegenüber der RUC sein Wissen ausgebreitet. Stobie hat auch Namen genannt. In den Unterlagen, die Stobies Anwalt vom Gericht überlassen wurden, sind diese Namen geschwärzt worden. Es ist jedoch möglich, daß Stobie Ed Moloney Namen nannte, die er gegenüber der RUC für sich behielt. Stobies Anwalt erklärte vor Gericht, die Namen seien „nicht neu“. Heißt das, dass die nordirische Polizei seit 1990 weiß, wer Patrick Finucane ermordet hat?
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