von Wilfried B.
aus telegraph 7/8 1996 (#90)
Nachdem die Jubelfeier der Bundeswehr letzten Monat in Berlin die Gemüter bewegte, und einen doch zumindest wahrnehmbaren Unmut und Widerstand in der wohl zumeist linken Bevölkerung hervorbrachte, scheint die Bundeswehr es vorzuziehen, lieber eine wenig auf kleinerer Flamme zu kochen. So mutete die Mitte Juli in Strasburg/Mecklenburg Vorpommern stattgefundene öffentliche Rekrutenvereidigung eher wie ein Heimspiel an, fand sie doch auch noch standesgemäß auf dem dortigen Fußballplatz statt.
Die vormittagliche Waffenschau und das feierliche Ereignis der Gelobigung mit Platzkonzert und anschließendem Volksfest luden ein, es wurde mit 4000 Jubelgästen gerechnet.
Ganz so viele wurden es dann doch nicht, die sich trotz Regens bei dem Ereignis einfanden, viel mehr als 600-700 Leute waren es (zumindest beim Gelöbnis selber) nicht, zudem waren davon noch ca. ein Drittel Angehörige und Freundinnen der Rekruten. Im großen und ganzen schien die Veranstaltung Anklang zu finden, nicht weiter verwunderlich: ist doch die Bundeswehr einer der wenigen größeren Arbeitgeberinnen im Kreis, der zudem eine gewisse Sicherheit verspricht.
Mensch soll es kaum glauben, auch eine kleine Schar von KrigsgegnerInnen fanden den Mut sich zu outen, und umgeben von kurzhaarigen Jubelgästen ihren Unmut zu äußern. Bereits am Vortag fand eine öffentliche Gartenzwerg-Vereidigung in Straßburg statt. Bei der Gelegenheit wurden die erfahrenen Gartenzwergkämpfer dann noch gegen 20.- Mark Sold in nachbarliche Gärten versandt, natürlich in rein humanitären Missionen. Die ganze Aktion, getragen vom DFG/VK (deutsche Friedensgesellschaft), rief nicht viel mehr als 10 bis 15 Leute auf den Plan. Nicht alle Gartenzwerge konnten daher ihrem verfassungsgemäßen Auftrag nachkommen, die FDGO zu verteidigen.
Ein wenig mehr Leute waren dann aber zur Vereidigung erschienen, so dreißig bis vierzig kamen doch zusammen. Nachdem mensch in kleineren Gruppen über den Fußballplatz schlenderte, sich eine wenig über die versammelten Gartenzwerge auf dem Fußballplatz lustig machte (die werden doch naß!!), wurden die meisten von Feldjägern, die so was wie eine Security machten, des Platzes verwiesen. Zur eigentlichen Vereidigung war der Platz weitgehend „zeckenfrei“, eine kleine Schar traf sich hinter der Mauer zum Platz und versuchte mehr oder weniger lautstark mit Trillerpfeifen und Jubelrufen ihrer Begeisterung Ausdruck zu verleihen.
Völlig mißverstanden von den Sicherheitskräften wurde ihnen darauf hin geraten, dieses zu unterlassen, ansonsten könne man nicht wissen was geschähe („wer am nächsten dransteht ist dran…“, O-Ton eines der Pulletten). Dazu kam dann das nicht gerade vertrauenswürdige Aussehen der anderen Jubelgäste, vorwiegend der kurzhaarigen Art, die sich bedrohlich um die kleine Gruppe scharten. Alle meinten nur noch: „Gleich gehts los.“. Letztendlich wurde dann zum geordneten Rückzug geblasen, fix die 20 übriggebliebenen Militärenthusiasten auf 4 Autos und ein Motorrad verteilt, und zugesehen, daß man mit heiler Haut davonkam.
Abgesehen von einigen kurzen Rangeleien mit den Feldjägern am Eingang, und diversen Pöbeleien seitens der kurz-, mittel- und langhaarigen Straßburger Jugend, die im übrigen mit einem händereibendem Grinsen der BW-Fuzzies begrüßt wurden, gibt es eigentlich nicht viel zu berichten. Erstaunlich und auch ein wenig erschreckend für mich ist die Akzeptanz der Bundeswehr bei diesem Fest, und insbesondere die begeisterte Anteilnahme der ‚ganz normalen‘ Bürger und das Glänzen in den Augen beim Erklingen von Militärmarsch und Nationalhymne.
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